halten -- (der Amerikanische Art. 50 gesteht der Kriegsmacht auch dieses Recht zu) -- ist doch nur dann vorhanden, wenn ihre Gefangenschaft die Macht des Feindes verstärkt, oder mit ihrer Freigebung eine Gefahr für die Kriegsmacht ver- bunden ist. Jenes wird durchweg der Fall sein, wenn Verpflegungsbeamte der feindlichen Armee gefangen werden, dieses zuweilen auch, wenn fremde Be- richterstatter gefangen werden.
596.
Die Eigenschaft einer souveränen oder diplomatischen Person befreit nicht von der Gefahr der Kriegsgefangenschaft, wenn dieselben zu der feindlichen Macht gehören oder Bundesgenossen derselben sind, oder wenn dieselben an der Kriegsführung sich persönlich betheiligt haben.
Am. 50. Die Kriegsgefangenschaft des feindlichen Souveräns oder des feindlichen Ministers des Aeußern ist meistens ein sehr förderliches Mittel, um eher einen günstigen Frieden zu schließen. Ein Grund, diese Personen von den Gefahren des Krieges zu befreien, ist nicht vorhanden. Im Gegentheil, da sie gewöhnlich den Krieg verschuldet oder doch entschieden haben, so ziemt es sich, daß die Verantwortlichkeit des Kriegs vorzugsweise auf ihnen laste und sie die Ge- fahren desselben mit bestehen. In ähnlicher Weise sind auch die politischen Regenten und Führer der einzelnen Provinzen und Kreise eher der Gefahr ausgesetzt, zu Kriegsgefangenen gemacht zu werden, als die friedlichen Verwal- tungsbeamten, Richter, Gemeinderäthe.
597.
Wenn die Bevölkerung sich in Masse zur Vertheidigung ihres Landes erhebt, so wird dieselbe als feindlich behandelt und kann kriegs- gefangen werden.
Am. 51. Es gilt das überhaupt von jeder geordneten activen Theilnahme durch die Bürger an der Kriegsführung. Die bethätigte Parteinahme zer- stört die Eigenschaft der Friedlichkeit und verwandelt die friedlichen Bürger in feind- liche Personen.
598.
Kein Befehlshaber ist zu der Drohung berechtigt, daß er die nicht uniformirten Landstürmer als Räuber behandeln werde.
Wenn aber eine feindliche Gegend von der Kriegsgewalt eingenommen und besetzt ist, so gilt während dieses Besitzes ein Aufstand als Verletzung des Kriegsrechts und kann strafrechtlich behandelt werden.
Achtes Buch.
halten — (der Amerikaniſche Art. 50 geſteht der Kriegsmacht auch dieſes Recht zu) — iſt doch nur dann vorhanden, wenn ihre Gefangenſchaft die Macht des Feindes verſtärkt, oder mit ihrer Freigebung eine Gefahr für die Kriegsmacht ver- bunden iſt. Jenes wird durchweg der Fall ſein, wenn Verpflegungsbeamte der feindlichen Armee gefangen werden, dieſes zuweilen auch, wenn fremde Be- richterſtatter gefangen werden.
596.
Die Eigenſchaft einer ſouveränen oder diplomatiſchen Perſon befreit nicht von der Gefahr der Kriegsgefangenſchaft, wenn dieſelben zu der feindlichen Macht gehören oder Bundesgenoſſen derſelben ſind, oder wenn dieſelben an der Kriegsführung ſich perſönlich betheiligt haben.
Am. 50. Die Kriegsgefangenſchaft des feindlichen Souveräns oder des feindlichen Miniſters des Aeußern iſt meiſtens ein ſehr förderliches Mittel, um eher einen günſtigen Frieden zu ſchließen. Ein Grund, dieſe Perſonen von den Gefahren des Krieges zu befreien, iſt nicht vorhanden. Im Gegentheil, da ſie gewöhnlich den Krieg verſchuldet oder doch entſchieden haben, ſo ziemt es ſich, daß die Verantwortlichkeit des Kriegs vorzugsweiſe auf ihnen laſte und ſie die Ge- fahren desſelben mit beſtehen. In ähnlicher Weiſe ſind auch die politiſchen Regenten und Führer der einzelnen Provinzen und Kreiſe eher der Gefahr ausgeſetzt, zu Kriegsgefangenen gemacht zu werden, als die friedlichen Verwal- tungsbeamten, Richter, Gemeinderäthe.
597.
Wenn die Bevölkerung ſich in Maſſe zur Vertheidigung ihres Landes erhebt, ſo wird dieſelbe als feindlich behandelt und kann kriegs- gefangen werden.
Am. 51. Es gilt das überhaupt von jeder geordneten activen Theilnahme durch die Bürger an der Kriegsführung. Die bethätigte Parteinahme zer- ſtört die Eigenſchaft der Friedlichkeit und verwandelt die friedlichen Bürger in feind- liche Perſonen.
598.
Kein Befehlshaber iſt zu der Drohung berechtigt, daß er die nicht uniformirten Landſtürmer als Räuber behandeln werde.
Wenn aber eine feindliche Gegend von der Kriegsgewalt eingenommen und beſetzt iſt, ſo gilt während dieſes Beſitzes ein Aufſtand als Verletzung des Kriegsrechts und kann ſtrafrechtlich behandelt werden.
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Achtes Buch.
halten — (der Amerikaniſche Art. 50 geſteht der Kriegsmacht auch dieſes
Recht zu) — iſt doch nur dann vorhanden, wenn ihre Gefangenſchaft die Macht des
Feindes verſtärkt, oder mit ihrer Freigebung eine Gefahr für die Kriegsmacht ver-
bunden iſt. Jenes wird durchweg der Fall ſein, wenn Verpflegungsbeamte
der feindlichen Armee gefangen werden, dieſes zuweilen auch, wenn fremde Be-
richterſtatter gefangen werden.
596.
Die Eigenſchaft einer ſouveränen oder diplomatiſchen Perſon befreit
nicht von der Gefahr der Kriegsgefangenſchaft, wenn dieſelben zu der
feindlichen Macht gehören oder Bundesgenoſſen derſelben ſind, oder wenn
dieſelben an der Kriegsführung ſich perſönlich betheiligt haben.
Am. 50. Die Kriegsgefangenſchaft des feindlichen Souveräns oder
des feindlichen Miniſters des Aeußern iſt meiſtens ein ſehr förderliches
Mittel, um eher einen günſtigen Frieden zu ſchließen. Ein Grund, dieſe Perſonen
von den Gefahren des Krieges zu befreien, iſt nicht vorhanden. Im Gegentheil, da
ſie gewöhnlich den Krieg verſchuldet oder doch entſchieden haben, ſo ziemt es ſich,
daß die Verantwortlichkeit des Kriegs vorzugsweiſe auf ihnen laſte und ſie die Ge-
fahren desſelben mit beſtehen. In ähnlicher Weiſe ſind auch die politiſchen
Regenten und Führer der einzelnen Provinzen und Kreiſe eher der Gefahr
ausgeſetzt, zu Kriegsgefangenen gemacht zu werden, als die friedlichen Verwal-
tungsbeamten, Richter, Gemeinderäthe.
597.
Wenn die Bevölkerung ſich in Maſſe zur Vertheidigung ihres
Landes erhebt, ſo wird dieſelbe als feindlich behandelt und kann kriegs-
gefangen werden.
Am. 51. Es gilt das überhaupt von jeder geordneten activen Theilnahme
durch die Bürger an der Kriegsführung. Die bethätigte Parteinahme zer-
ſtört die Eigenſchaft der Friedlichkeit und verwandelt die friedlichen Bürger in feind-
liche Perſonen.
598.
Kein Befehlshaber iſt zu der Drohung berechtigt, daß er die nicht
uniformirten Landſtürmer als Räuber behandeln werde.
Wenn aber eine feindliche Gegend von der Kriegsgewalt eingenommen
und beſetzt iſt, ſo gilt während dieſes Beſitzes ein Aufſtand als Verletzung
des Kriegsrechts und kann ſtrafrechtlich behandelt werden.
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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/352>, abgerufen am 22.02.2025.
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