werden. In den Amerikanischen Kriegsartikeln ist auch der Satz enthalten, der sich einer allgemeinen Anerkennung empfiehlt: "Die Todesstrafe darf ohne Erlaubniß des Statshauptes nicht vollzogen werden, außer wo der Drang der Umstände einen schnelleren Vollzug fordert und dann nur mit Erlaubniß des obersten Befehlshabers der betreffenden Truppen". Ueberdem machen diese Artikel darauf aufmerksam, daß die militärische Gerichtsbarkeit eine zwiefache Begründung habe, einmal in dem Statsrecht des Landes für Aufrechthaltung der militärischen Ordnung und so- dann im Völkerrecht für Fälle, die nicht schon nach Landesgesetz strafbar sind, für welche es daher einer besondern Ermächtigung bedarf, das Kriegsrecht in dieser Form zu hanben. Das gilt vorzüglich in feindlichem Land.
549.
Die Kriegsgewalt darf alles das thun, was die militärische Noth- wendigkeit erfordert, d. h. soweit ihre Maßregeln als nöthig erscheinen, um den Kriegszweck mit Kriegsmitteln zu erreichen und in Uebereinstim- mung sind mit dem allgemeinen Recht und dem Kriegsgebrauch der civi- lisirten Völker.
Am. Kr. 14. Im Grunde ist das die entscheidende Hauptregel für das Recht der Kriegsgewalt. Was nothwendig sei, ergibt sich nur aus den Umständen. So weit die Nothwendigkeit reicht, so weit reicht die Kriegsgewalt. Darüber hinaus wird sie rohe Willkür. Freilich ist es nicht immer leicht, die Gren- zen in der Praxis zu bestimmen und es ist unmöglich, hier nach formellen Merk- malen zu verfahren. Wenn eine Armee keinen Mangel hat an Lebensmitteln, Klei- dungsstücken, Fuhrwerken u. s. f., so ist sie nicht in der Nothwendigkeit, weitere Forderungen der Art an die Gemeinden oder die Privatpersonen zu stellen. Wenn sie dagegen Mangel leidet, so sind je nach Umständen sogar starke Eingriffe in das Privateigenthum ganz unvermeidlich. Niemals aber hört die Wirksamkeit der Moral auf, gesetzt auch, die regelmäßige Rechtsordnung würde momentanen Scha- den leiden. Schön sagen die Amerikanischen Kriegsartikel (15): "Wenn die Männer einander in offenem Krieg mit den Waffen bekämpfen, so hören sie doch nicht auf moralische Wesen zu sein und bleiben den andern Menschen und Gott verantwortlich für ihre Thaten".
550.
Dagegen verwirft das Kriegsrecht allen Wort- und Treubruch auch gegen den Feind, alle unnöthige Grausamkeit, alle Ausübung der Privat- rache und alle die Handlungen der Gewinnsucht oder der Wollust, welche überall als gemeine Verbrechen verboten und bestraft werden, alle barba- rische Zerstörung, alles was mit der Ehre der Truppen nicht vereinbar ist.
Achtes Buch.
werden. In den Amerikaniſchen Kriegsartikeln iſt auch der Satz enthalten, der ſich einer allgemeinen Anerkennung empfiehlt: „Die Todesſtrafe darf ohne Erlaubniß des Statshauptes nicht vollzogen werden, außer wo der Drang der Umſtände einen ſchnelleren Vollzug fordert und dann nur mit Erlaubniß des oberſten Befehlshabers der betreffenden Truppen“. Ueberdem machen dieſe Artikel darauf aufmerkſam, daß die militäriſche Gerichtsbarkeit eine zwiefache Begründung habe, einmal in dem Statsrecht des Landes für Aufrechthaltung der militäriſchen Ordnung und ſo- dann im Völkerrecht für Fälle, die nicht ſchon nach Landesgeſetz ſtrafbar ſind, für welche es daher einer beſondern Ermächtigung bedarf, das Kriegsrecht in dieſer Form zu hanben. Das gilt vorzüglich in feindlichem Land.
549.
Die Kriegsgewalt darf alles das thun, was die militäriſche Noth- wendigkeit erfordert, d. h. ſoweit ihre Maßregeln als nöthig erſcheinen, um den Kriegszweck mit Kriegsmitteln zu erreichen und in Uebereinſtim- mung ſind mit dem allgemeinen Recht und dem Kriegsgebrauch der civi- liſirten Völker.
Am. Kr. 14. Im Grunde iſt das die entſcheidende Hauptregel für das Recht der Kriegsgewalt. Was nothwendig ſei, ergibt ſich nur aus den Umſtänden. So weit die Nothwendigkeit reicht, ſo weit reicht die Kriegsgewalt. Darüber hinaus wird ſie rohe Willkür. Freilich iſt es nicht immer leicht, die Gren- zen in der Praxis zu beſtimmen und es iſt unmöglich, hier nach formellen Merk- malen zu verfahren. Wenn eine Armee keinen Mangel hat an Lebensmitteln, Klei- dungsſtücken, Fuhrwerken u. ſ. f., ſo iſt ſie nicht in der Nothwendigkeit, weitere Forderungen der Art an die Gemeinden oder die Privatperſonen zu ſtellen. Wenn ſie dagegen Mangel leidet, ſo ſind je nach Umſtänden ſogar ſtarke Eingriffe in das Privateigenthum ganz unvermeidlich. Niemals aber hört die Wirkſamkeit der Moral auf, geſetzt auch, die regelmäßige Rechtsordnung würde momentanen Scha- den leiden. Schön ſagen die Amerikaniſchen Kriegsartikel (15): „Wenn die Männer einander in offenem Krieg mit den Waffen bekämpfen, ſo hören ſie doch nicht auf moraliſche Weſen zu ſein und bleiben den andern Menſchen und Gott verantwortlich für ihre Thaten“.
550.
Dagegen verwirft das Kriegsrecht allen Wort- und Treubruch auch gegen den Feind, alle unnöthige Grauſamkeit, alle Ausübung der Privat- rache und alle die Handlungen der Gewinnſucht oder der Wolluſt, welche überall als gemeine Verbrechen verboten und beſtraft werden, alle barba- riſche Zerſtörung, alles was mit der Ehre der Truppen nicht vereinbar iſt.
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Achtes Buch.
werden. In den Amerikaniſchen Kriegsartikeln iſt auch der Satz enthalten, der ſich
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des Statshauptes nicht vollzogen werden, außer wo der Drang der Umſtände einen
ſchnelleren Vollzug fordert und dann nur mit Erlaubniß des oberſten Befehlshabers
der betreffenden Truppen“. Ueberdem machen dieſe Artikel darauf aufmerkſam, daß
die militäriſche Gerichtsbarkeit eine zwiefache Begründung habe, einmal in dem
Statsrecht des Landes für Aufrechthaltung der militäriſchen Ordnung und ſo-
dann im Völkerrecht für Fälle, die nicht ſchon nach Landesgeſetz ſtrafbar ſind,
für welche es daher einer beſondern Ermächtigung bedarf, das Kriegsrecht in dieſer
Form zu hanben. Das gilt vorzüglich in feindlichem Land.
549.
Die Kriegsgewalt darf alles das thun, was die militäriſche Noth-
wendigkeit erfordert, d. h. ſoweit ihre Maßregeln als nöthig erſcheinen,
um den Kriegszweck mit Kriegsmitteln zu erreichen und in Uebereinſtim-
mung ſind mit dem allgemeinen Recht und dem Kriegsgebrauch der civi-
liſirten Völker.
Am. Kr. 14. Im Grunde iſt das die entſcheidende Hauptregel für das
Recht der Kriegsgewalt. Was nothwendig ſei, ergibt ſich nur aus den Umſtänden.
So weit die Nothwendigkeit reicht, ſo weit reicht die Kriegsgewalt.
Darüber hinaus wird ſie rohe Willkür. Freilich iſt es nicht immer leicht, die Gren-
zen in der Praxis zu beſtimmen und es iſt unmöglich, hier nach formellen Merk-
malen zu verfahren. Wenn eine Armee keinen Mangel hat an Lebensmitteln, Klei-
dungsſtücken, Fuhrwerken u. ſ. f., ſo iſt ſie nicht in der Nothwendigkeit, weitere
Forderungen der Art an die Gemeinden oder die Privatperſonen zu ſtellen. Wenn
ſie dagegen Mangel leidet, ſo ſind je nach Umſtänden ſogar ſtarke Eingriffe in das
Privateigenthum ganz unvermeidlich. Niemals aber hört die Wirkſamkeit der
Moral auf, geſetzt auch, die regelmäßige Rechtsordnung würde momentanen Scha-
den leiden. Schön ſagen die Amerikaniſchen Kriegsartikel (15): „Wenn die Männer
einander in offenem Krieg mit den Waffen bekämpfen, ſo hören ſie doch nicht auf
moraliſche Weſen zu ſein und bleiben den andern Menſchen und Gott verantwortlich
für ihre Thaten“.
550.
Dagegen verwirft das Kriegsrecht allen Wort- und Treubruch auch
gegen den Feind, alle unnöthige Grauſamkeit, alle Ausübung der Privat-
rache und alle die Handlungen der Gewinnſucht oder der Wolluſt, welche
überall als gemeine Verbrechen verboten und beſtraft werden, alle barba-
riſche Zerſtörung, alles was mit der Ehre der Truppen nicht vereinbar iſt.
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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/330>, abgerufen am 22.02.2025.
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