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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868.

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Verletzungen des Völkerrechts und Verfahren zur Herstellung desselben.
a la proclamer avec franchise et vigueur, ils ont declare qu'en respectant
les droits et l'independance de tout pouvoir legitime, ils regardaient comme
legalement nulle et desavouee par les principes qui constituent le droit
public de l'Europe, toutes pretendue reforme operee par la revolte et la
force ouverte. Ils out agi, en consequence de cette declaration, dans les
evenemens de Naples, dans ceux du Piemont."
Nur England protestirte da-
mals öffentlich gegen diese ungeheuerliche Theorie und Praxis, welche die Sicherheit
aller Staten und die Freiheit aller Völker bedrohe. Als die absolutistischen Mächte
den Versuch machten, dasselbe Princip auch nach Amerika überzupflanzen und die
Spanischen Colonien mit Gewalt in dem Gehorsam gegen die europäischen Dynastien
festzuhalten, trat England durch seine Anerkennung der südamerikanischen Republiken
dieser Politik entschlossen entgegen und schützte in Gemeinschaft mit der von den
Vereinigten Staten proclamirten Monroedoctrin die Regel der Nichtinter-
vention
.

4. Aber auch die europäischen Ostmächte wurden bald inne, daß der vermeintliche
neue Grundsatz der legitimen Intervention auch in Europa nicht durchzuführen sei.
Vergeblich drang Oesterreich auf Intervention gegen die aufständischen Hellenen zu
Gunsten der legitimen Herrschaft der hohen Pforte. Rußland fand es nicht mehr in
seinem politischen Interesse, den Don Quixotte der Legitimität zu spielen. Als dann
in Frankreich 1830 der legitime König Karl X. durch eine Revolution vertrieben
wurde, da wagten es die Ostmächte nicht mehr, ihr Interventionsprincip anzuwen-
den. Sie traten nicht einmal der entgegengesetzten Intervention Frankreichs ent-
gegen, welches die belgische Revolution gegen die legitime Gewalt des Königs der
Niederlande in Schutz nahm. Von da an war das Princip als ein europäisches
aufgegeben und die spätern Interventionen in Italien, bald von Oesterreich bald
von Frankreich vollzogen, wurden nicht mehr aus einem allgemeinen In-
terventionsrecht
abgeleitet, sondern nur mit concreten Ursachenbegründet.
Die Nichtintervention wurde allmählich als die Regel anerkannt. Die Thron-
rede der Königin von England vom 5. Febr. 1861 spricht bezüglich Italiens
das richtige Princip aus: "Da ich glaube, daß man den Italienern die Ordnung
ihrer eigenen Angelegenheiten überlassen sollte, so habe ich es nicht für Recht gehal-
ten, in jene Dinge thätig einzugreifen". Wie Recht die englische Regierung hatte,
die französische vor der Intervention in Mexico zu warnen (1861), hat der tragische
Ausgang des importirten neuen Kaiserthums in Mexico (1867) gezeigt.

475.

Wenn ein Stat freiwillig die Intervention einer befreundeten Macht
anruft, oder mit der angebotenen Intervention derselben einverstanden ist,
so ist dieselbe gerechtfertigt.

Wenn der Stat selber einwilligt, so besteht kein Grund mehr, die Interven-
tion als unerlaubt zu betrachten, denn in diesen Fällen wird die Selbständigkeit des

Verletzungen des Völkerrechts und Verfahren zur Herſtellung desſelben.
à la proclamer avec franchise et vigueur, ils ont déclaré qu’en respectant
les droits et l’indépendance de tout pouvoir légitime, ils regardaient comme
légalement nulle et désavouée par les principes qui constituent le droit
public de l’Europe, toutes prétendue réforme opérée par la revolte et la
force ouverte. Ils out agi, en conséquence de cette déclaration, dans les
évènemens de Naples, dans ceux du Piémont.“
Nur England proteſtirte da-
mals öffentlich gegen dieſe ungeheuerliche Theorie und Praxis, welche die Sicherheit
aller Staten und die Freiheit aller Völker bedrohe. Als die abſolutiſtiſchen Mächte
den Verſuch machten, dasſelbe Princip auch nach Amerika überzupflanzen und die
Spaniſchen Colonien mit Gewalt in dem Gehorſam gegen die europäiſchen Dynaſtien
feſtzuhalten, trat England durch ſeine Anerkennung der ſüdamerikaniſchen Republiken
dieſer Politik entſchloſſen entgegen und ſchützte in Gemeinſchaft mit der von den
Vereinigten Staten proclamirten Monroedoctrin die Regel der Nichtinter-
vention
.

4. Aber auch die europäiſchen Oſtmächte wurden bald inne, daß der vermeintliche
neue Grundſatz der legitimen Intervention auch in Europa nicht durchzuführen ſei.
Vergeblich drang Oeſterreich auf Intervention gegen die aufſtändiſchen Hellenen zu
Gunſten der legitimen Herrſchaft der hohen Pforte. Rußland fand es nicht mehr in
ſeinem politiſchen Intereſſe, den Don Quixotte der Legitimität zu ſpielen. Als dann
in Frankreich 1830 der legitime König Karl X. durch eine Revolution vertrieben
wurde, da wagten es die Oſtmächte nicht mehr, ihr Interventionsprincip anzuwen-
den. Sie traten nicht einmal der entgegengeſetzten Intervention Frankreichs ent-
gegen, welches die belgiſche Revolution gegen die legitime Gewalt des Königs der
Niederlande in Schutz nahm. Von da an war das Princip als ein europäiſches
aufgegeben und die ſpätern Interventionen in Italien, bald von Oeſterreich bald
von Frankreich vollzogen, wurden nicht mehr aus einem allgemeinen In-
terventionsrecht
abgeleitet, ſondern nur mit concreten Urſachenbegründet.
Die Nichtintervention wurde allmählich als die Regel anerkannt. Die Thron-
rede der Königin von England vom 5. Febr. 1861 ſpricht bezüglich Italiens
das richtige Princip aus: „Da ich glaube, daß man den Italienern die Ordnung
ihrer eigenen Angelegenheiten überlaſſen ſollte, ſo habe ich es nicht für Recht gehal-
ten, in jene Dinge thätig einzugreifen“. Wie Recht die engliſche Regierung hatte,
die franzöſiſche vor der Intervention in Mexico zu warnen (1861), hat der tragiſche
Ausgang des importirten neuen Kaiſerthums in Mexico (1867) gezeigt.

475.

Wenn ein Stat freiwillig die Intervention einer befreundeten Macht
anruft, oder mit der angebotenen Intervention derſelben einverſtanden iſt,
ſo iſt dieſelbe gerechtfertigt.

Wenn der Stat ſelber einwilligt, ſo beſteht kein Grund mehr, die Interven-
tion als unerlaubt zu betrachten, denn in dieſen Fällen wird die Selbſtändigkeit des

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[267/0289] Verletzungen des Völkerrechts und Verfahren zur Herſtellung desſelben. à la proclamer avec franchise et vigueur, ils ont déclaré qu’en respectant les droits et l’indépendance de tout pouvoir légitime, ils regardaient comme légalement nulle et désavouée par les principes qui constituent le droit public de l’Europe, toutes prétendue réforme opérée par la revolte et la force ouverte. Ils out agi, en conséquence de cette déclaration, dans les évènemens de Naples, dans ceux du Piémont.“ Nur England proteſtirte da- mals öffentlich gegen dieſe ungeheuerliche Theorie und Praxis, welche die Sicherheit aller Staten und die Freiheit aller Völker bedrohe. Als die abſolutiſtiſchen Mächte den Verſuch machten, dasſelbe Princip auch nach Amerika überzupflanzen und die Spaniſchen Colonien mit Gewalt in dem Gehorſam gegen die europäiſchen Dynaſtien feſtzuhalten, trat England durch ſeine Anerkennung der ſüdamerikaniſchen Republiken dieſer Politik entſchloſſen entgegen und ſchützte in Gemeinſchaft mit der von den Vereinigten Staten proclamirten Monroedoctrin die Regel der Nichtinter- vention. 4. Aber auch die europäiſchen Oſtmächte wurden bald inne, daß der vermeintliche neue Grundſatz der legitimen Intervention auch in Europa nicht durchzuführen ſei. Vergeblich drang Oeſterreich auf Intervention gegen die aufſtändiſchen Hellenen zu Gunſten der legitimen Herrſchaft der hohen Pforte. Rußland fand es nicht mehr in ſeinem politiſchen Intereſſe, den Don Quixotte der Legitimität zu ſpielen. Als dann in Frankreich 1830 der legitime König Karl X. durch eine Revolution vertrieben wurde, da wagten es die Oſtmächte nicht mehr, ihr Interventionsprincip anzuwen- den. Sie traten nicht einmal der entgegengeſetzten Intervention Frankreichs ent- gegen, welches die belgiſche Revolution gegen die legitime Gewalt des Königs der Niederlande in Schutz nahm. Von da an war das Princip als ein europäiſches aufgegeben und die ſpätern Interventionen in Italien, bald von Oeſterreich bald von Frankreich vollzogen, wurden nicht mehr aus einem allgemeinen In- terventionsrecht abgeleitet, ſondern nur mit concreten Urſachenbegründet. Die Nichtintervention wurde allmählich als die Regel anerkannt. Die Thron- rede der Königin von England vom 5. Febr. 1861 ſpricht bezüglich Italiens das richtige Princip aus: „Da ich glaube, daß man den Italienern die Ordnung ihrer eigenen Angelegenheiten überlaſſen ſollte, ſo habe ich es nicht für Recht gehal- ten, in jene Dinge thätig einzugreifen“. Wie Recht die engliſche Regierung hatte, die franzöſiſche vor der Intervention in Mexico zu warnen (1861), hat der tragiſche Ausgang des importirten neuen Kaiſerthums in Mexico (1867) gezeigt. 475. Wenn ein Stat freiwillig die Intervention einer befreundeten Macht anruft, oder mit der angebotenen Intervention derſelben einverſtanden iſt, ſo iſt dieſelbe gerechtfertigt. Wenn der Stat ſelber einwilligt, ſo beſteht kein Grund mehr, die Interven- tion als unerlaubt zu betrachten, denn in dieſen Fällen wird die Selbſtändigkeit des

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/289>, abgerufen am 21.11.2024.