Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868.Sechstes Buch. den Mangel der vollständigen Autorisation hebt, welcher der sofortigen Wirkung nochim Wege war. Die Ratification wird daher in der Regel nach dem Willen der Ratificanten auf den Zeitpunkt des früheren Abschlusses zurückbezogen. Auch ohne förmliche Ratificationserklärung und ohne Auswechslung der Ver- 422. Völkerrechtliche Verträge können in jeder Form gültig abgeschlossen Die schriftliche Form entspricht der heutigen Uebung am besten. Es kön- 423. Die schriftliche Form kann durch gemeinsame Unterzeichnung eines Im letztern Falle muß die Absicht sich zu binden, klar gemacht sein, sonst 424. Die Veröffentlichung der Verträge ist keine Bedingung ihrer Gültig- Geheime Verträge sind noch immer unter gewissen Umständen unver- Sechstes Buch. den Mangel der vollſtändigen Autoriſation hebt, welcher der ſofortigen Wirkung nochim Wege war. Die Ratification wird daher in der Regel nach dem Willen der Ratificanten auf den Zeitpunkt des früheren Abſchluſſes zurückbezogen. Auch ohne förmliche Ratificationserklärung und ohne Auswechslung der Ver- 422. Völkerrechtliche Verträge können in jeder Form gültig abgeſchloſſen Die ſchriftliche Form entſpricht der heutigen Uebung am beſten. Es kön- 423. Die ſchriftliche Form kann durch gemeinſame Unterzeichnung eines Im letztern Falle muß die Abſicht ſich zu binden, klar gemacht ſein, ſonſt 424. Die Veröffentlichung der Verträge iſt keine Bedingung ihrer Gültig- Geheime Verträge ſind noch immer unter gewiſſen Umſtänden unver- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0262" n="240"/><fw place="top" type="header">Sechstes Buch.</fw><lb/> den Mangel der vollſtändigen Autoriſation hebt, welcher der ſofortigen Wirkung noch<lb/> im Wege war. Die Ratification wird daher in der Regel nach dem Willen der<lb/> Ratificanten auf den Zeitpunkt des früheren Abſchluſſes zurückbezogen.</p><lb/> <p>Auch ohne förmliche Ratificationserklärung und ohne Auswechslung der Ver-<lb/> tragsurkunden iſt <hi rendition="#g">aus dem Vollzug</hi> des Vertrags oder aus andern <hi rendition="#g">concludenten<lb/> Handlungen</hi> auf Ratification zu ſchließen.</p> </div><lb/> <div n="4"> <head>422.</head><lb/> <p>Völkerrechtliche Verträge können in jeder Form gültig abgeſchloſſen<lb/> werden, welche den Vertragswillen der contrahirenden Staten offenbar<lb/> macht.</p><lb/> <p>Die <hi rendition="#g">ſchriftliche</hi> Form entſpricht der heutigen Uebung am beſten. Es kön-<lb/> nen aber unter Umſtänden auch <hi rendition="#g">mündliche</hi> Verträge, ja ſogar, wie insbeſondere<lb/> im Krieg durch <hi rendition="#g">Zeichen</hi> Verträge geſchloſſen werden. Vgl. oben zu 419.</p> </div><lb/> <div n="4"> <head>423.</head><lb/> <p>Die ſchriftliche Form kann durch gemeinſame Unterzeichnung eines<lb/> Protokolls oder durch Eine Vertragsurkunde, welche in mehreren Ori-<lb/> ginalexemplaren von den Bevollmächtigten oder den Häuptern der Staten<lb/> gemeinſam unterzeichnet wird, oder durch einſeitig unterzeichnete Erklärun-<lb/> gen der ſich verpflichtenden Staten an den berechtigten Stat vollzogen<lb/> werden.</p><lb/> <p>Im letztern Falle muß die Abſicht ſich zu binden, klar gemacht ſein, ſonſt<lb/> iſt zu vermuthen, daß nur ein Act der <hi rendition="#g">freien Autorität</hi> zur Mittheilung ge-<lb/> langt ſei.</p> </div><lb/> <div n="4"> <head>424.</head><lb/> <p>Die Veröffentlichung der Verträge iſt keine Bedingung ihrer Gültig-<lb/> keit und Wirkſamkeit, wenn gleich die Beachtung öffentlicher Verträge beſ-<lb/> ſer geſichert iſt.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Geheime Verträge</hi> ſind noch immer unter gewiſſen Umſtänden unver-<lb/> meidlich, ebenſo <hi rendition="#g">geheime Beſtimmungen</hi> in Verträgen, die im übrigen veröf-<lb/> fentlicht ſind. Für die Bevölkerung freilich iſt der geheime Vertrag nicht verbindlich,<lb/> da ſie ihn nicht kennt, ſo wenig als ein geheimes Geſetz. Aber der Stat, welcher<lb/> den geheimen Vertrag kennt und ſich verflichtet hat, deſſen Inhalt zu vollziehen, iſt<lb/> dem andern State gegenüber ebenſo gebunden, wie durch einen offenen Vertrag.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [240/0262]
Sechstes Buch.
den Mangel der vollſtändigen Autoriſation hebt, welcher der ſofortigen Wirkung noch
im Wege war. Die Ratification wird daher in der Regel nach dem Willen der
Ratificanten auf den Zeitpunkt des früheren Abſchluſſes zurückbezogen.
Auch ohne förmliche Ratificationserklärung und ohne Auswechslung der Ver-
tragsurkunden iſt aus dem Vollzug des Vertrags oder aus andern concludenten
Handlungen auf Ratification zu ſchließen.
422.
Völkerrechtliche Verträge können in jeder Form gültig abgeſchloſſen
werden, welche den Vertragswillen der contrahirenden Staten offenbar
macht.
Die ſchriftliche Form entſpricht der heutigen Uebung am beſten. Es kön-
nen aber unter Umſtänden auch mündliche Verträge, ja ſogar, wie insbeſondere
im Krieg durch Zeichen Verträge geſchloſſen werden. Vgl. oben zu 419.
423.
Die ſchriftliche Form kann durch gemeinſame Unterzeichnung eines
Protokolls oder durch Eine Vertragsurkunde, welche in mehreren Ori-
ginalexemplaren von den Bevollmächtigten oder den Häuptern der Staten
gemeinſam unterzeichnet wird, oder durch einſeitig unterzeichnete Erklärun-
gen der ſich verpflichtenden Staten an den berechtigten Stat vollzogen
werden.
Im letztern Falle muß die Abſicht ſich zu binden, klar gemacht ſein, ſonſt
iſt zu vermuthen, daß nur ein Act der freien Autorität zur Mittheilung ge-
langt ſei.
424.
Die Veröffentlichung der Verträge iſt keine Bedingung ihrer Gültig-
keit und Wirkſamkeit, wenn gleich die Beachtung öffentlicher Verträge beſ-
ſer geſichert iſt.
Geheime Verträge ſind noch immer unter gewiſſen Umſtänden unver-
meidlich, ebenſo geheime Beſtimmungen in Verträgen, die im übrigen veröf-
fentlicht ſind. Für die Bevölkerung freilich iſt der geheime Vertrag nicht verbindlich,
da ſie ihn nicht kennt, ſo wenig als ein geheimes Geſetz. Aber der Stat, welcher
den geheimen Vertrag kennt und ſich verflichtet hat, deſſen Inhalt zu vollziehen, iſt
dem andern State gegenüber ebenſo gebunden, wie durch einen offenen Vertrag.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |