Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868.Völkerrechtliche Verträge. mündlicher Verträge nicht aus; aber man wird, der Sitte gemäß, nicht geneigtsein dürfen, mündliche Verabredungen als bindende Verträge anzuerkennen und aus- zulegen. Die schriftliche Vertragsform ist gegenwärtig so allgemeine Uebung, daß eine Abweichung davon und die Ausnahme eines mündlich abgeschlossenen Ver- trags nur schwer Glauben findet und daher die vollständige Beweisführung schwie- rig wird. Der Vorbehalt der nachfolgenden Ratification wird oft ausdrücklich 420. Die grundlose Verweigerung der Ratification kann zwar je nach Einige ältere Publicisten behaupteten, die Ratification dürfe nicht versagt 421. Wird die vorbehaltene Ratification ertheilt, so wird, abgesehen von Diese Regel entspricht der Völkersitte. Sie hat aber auch einen natürlichen Völkerrechtliche Verträge. mündlicher Verträge nicht aus; aber man wird, der Sitte gemäß, nicht geneigtſein dürfen, mündliche Verabredungen als bindende Verträge anzuerkennen und aus- zulegen. Die ſchriftliche Vertragsform iſt gegenwärtig ſo allgemeine Uebung, daß eine Abweichung davon und die Ausnahme eines mündlich abgeſchloſſenen Ver- trags nur ſchwer Glauben findet und daher die vollſtändige Beweisführung ſchwie- rig wird. Der Vorbehalt der nachfolgenden Ratification wird oft ausdrücklich 420. Die grundloſe Verweigerung der Ratification kann zwar je nach Einige ältere Publiciſten behaupteten, die Ratification dürfe nicht verſagt 421. Wird die vorbehaltene Ratification ertheilt, ſo wird, abgeſehen von Dieſe Regel entſpricht der Völkerſitte. Sie hat aber auch einen natürlichen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0261" n="239"/><fw place="top" type="header">Völkerrechtliche Verträge.</fw><lb/><hi rendition="#g">mündlicher Verträge</hi> nicht aus; aber man wird, der Sitte gemäß, nicht geneigt<lb/> ſein dürfen, mündliche Verabredungen als bindende Verträge anzuerkennen und aus-<lb/> zulegen. Die <hi rendition="#g">ſchriftliche Vertragsform</hi> iſt gegenwärtig ſo allgemeine Uebung,<lb/> daß eine Abweichung davon und die Ausnahme eines mündlich abgeſchloſſenen Ver-<lb/> trags nur ſchwer Glauben findet und daher die vollſtändige Beweisführung ſchwie-<lb/> rig wird.</p><lb/> <p>Der Vorbehalt der <hi rendition="#g">nachfolgenden Ratification</hi> wird oft ausdrücklich<lb/> gemacht und dann iſt es klar, daß die Unterzeichnung noch nicht definitiv bindet.<lb/> Aber derſelbe kann auch aus den Umſtänden als wirkliche Meinung der unterzeich-<lb/> nenden Vertreter geſchloſſen werden und wirkt dann ebenſo. Die vorbehaltene <hi rendition="#g">Aus-<lb/> wechslung der Vertragsurkunden</hi> bedeutet gewöhnlich wieder den Vorbehalt<lb/> der Ratification, welche durch die Auswechslung der Urkunden erwieſen und voll-<lb/> zogen wird.</p> </div><lb/> <div n="4"> <head>420.</head><lb/> <p>Die grundloſe Verweigerung der Ratification kann zwar je nach<lb/> Umſtänden als eine Verletzung der ſchicklichen Rückſichten betrachtet werden,<lb/> das Vertrauen zu dem verweigernden State ernſtlich erſchüttern und die<lb/> freundlichen Beziehungen gefährden, aber ſie darf ſelbſt dann nicht als ein<lb/> Rechtsbruch erklärt werden, wenn der unterhandelnde Geſante innerhalb<lb/> ſeiner Vollmacht gehandelt und gemäß ſeinen Inſtructionen unterzeichnet<lb/> hat.</p><lb/> <p>Einige ältere Publiciſten behaupteten, die Ratification <hi rendition="#g">dürfe nicht</hi> verſagt<lb/> werden, wenn der Geſante ſeine Vollmacht gezeigt und ſeine Inſtructionen nicht<lb/> überſchritten habe. Sie beriefen ſich dabei auf die Analogie des Privatrechts. Aber<lb/> bei der großen Wichtigkeit dieſer Statenverhältniſſe und bei der thatſächlichen Nöthi-<lb/> gung, den Geſanten allgemeine Vollmachten mitzugeben, damit ſie zweckmäßig unter-<lb/> handeln können, hat der Ratificationsvorbehalt doch den Sinn einer <hi rendition="#g">nochmaligen<lb/> Prüfung</hi>.</p> </div><lb/> <div n="4"> <head>421.</head><lb/> <p>Wird die vorbehaltene Ratification ertheilt, ſo wird, abgeſehen von<lb/> andern Verabredungen, die Gültigkeit des Vertrags auf den Zeitpunkt der<lb/> vorherigen Unterzeichnung des Schlußprotokolls durch die Geſanten oder<lb/> Agenten der contrahirenden Staten zurückgeführt.</p><lb/> <p>Dieſe Regel entſpricht der Völkerſitte. Sie hat aber auch einen natürlichen<lb/> Grund darin, daß durch die erſte Unterzeichnung alle Verhältniſſe gleichzeitig geord-<lb/> net werden, und die ſpätere, an verſchiedenen Tagen nachfolgende Ratification nur<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [239/0261]
Völkerrechtliche Verträge.
mündlicher Verträge nicht aus; aber man wird, der Sitte gemäß, nicht geneigt
ſein dürfen, mündliche Verabredungen als bindende Verträge anzuerkennen und aus-
zulegen. Die ſchriftliche Vertragsform iſt gegenwärtig ſo allgemeine Uebung,
daß eine Abweichung davon und die Ausnahme eines mündlich abgeſchloſſenen Ver-
trags nur ſchwer Glauben findet und daher die vollſtändige Beweisführung ſchwie-
rig wird.
Der Vorbehalt der nachfolgenden Ratification wird oft ausdrücklich
gemacht und dann iſt es klar, daß die Unterzeichnung noch nicht definitiv bindet.
Aber derſelbe kann auch aus den Umſtänden als wirkliche Meinung der unterzeich-
nenden Vertreter geſchloſſen werden und wirkt dann ebenſo. Die vorbehaltene Aus-
wechslung der Vertragsurkunden bedeutet gewöhnlich wieder den Vorbehalt
der Ratification, welche durch die Auswechslung der Urkunden erwieſen und voll-
zogen wird.
420.
Die grundloſe Verweigerung der Ratification kann zwar je nach
Umſtänden als eine Verletzung der ſchicklichen Rückſichten betrachtet werden,
das Vertrauen zu dem verweigernden State ernſtlich erſchüttern und die
freundlichen Beziehungen gefährden, aber ſie darf ſelbſt dann nicht als ein
Rechtsbruch erklärt werden, wenn der unterhandelnde Geſante innerhalb
ſeiner Vollmacht gehandelt und gemäß ſeinen Inſtructionen unterzeichnet
hat.
Einige ältere Publiciſten behaupteten, die Ratification dürfe nicht verſagt
werden, wenn der Geſante ſeine Vollmacht gezeigt und ſeine Inſtructionen nicht
überſchritten habe. Sie beriefen ſich dabei auf die Analogie des Privatrechts. Aber
bei der großen Wichtigkeit dieſer Statenverhältniſſe und bei der thatſächlichen Nöthi-
gung, den Geſanten allgemeine Vollmachten mitzugeben, damit ſie zweckmäßig unter-
handeln können, hat der Ratificationsvorbehalt doch den Sinn einer nochmaligen
Prüfung.
421.
Wird die vorbehaltene Ratification ertheilt, ſo wird, abgeſehen von
andern Verabredungen, die Gültigkeit des Vertrags auf den Zeitpunkt der
vorherigen Unterzeichnung des Schlußprotokolls durch die Geſanten oder
Agenten der contrahirenden Staten zurückgeführt.
Dieſe Regel entſpricht der Völkerſitte. Sie hat aber auch einen natürlichen
Grund darin, daß durch die erſte Unterzeichnung alle Verhältniſſe gleichzeitig geord-
net werden, und die ſpätere, an verſchiedenen Tagen nachfolgende Ratification nur
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |