Vielmehr ist es das Recht und die Pflicht der civilisirten Staten, wo solche Mißbräuche noch geübt werden, deren Abstellung zu fördern.
England gebührt der Ruhm, die Barbareskenstaten zuerst theils durch diplo- matischen Einfluß, theils durch kriegerischen Zwang (Beschießung von Algier im August 1816) dahin gebracht zu haben, daß sie auf die Christensclaven Verzicht lei- steten, für Gegenwart und Zukunft. Auch Frankreich wirkte in derselben Richtung. Die europäische Diplomatie erreichte auch in Constantinopel ähnliche Zugeständnisse. Aber noch ist die Sclaverei, und sind selbst die Sclavenmärkte abgesehen von Süd- amerika, wo sie nun im Erlöschen begriffen sind, bei den rohen Nationen von Mittelasien und im Innern von Afrika, welche von der Bewegung der christlich- arischen Civilisation bisher wenig berührt sind und der Ausbreitung der Humanität noch viele Hindernisse entgegensetzen, noch in voller Uebung. Zuletzt werden aber auch diese barbarischen Rassen oder halbbarbarischen Nationen der wachsenden Macht des humaner gewordenen modernen Völkerrechts sich nicht entziehen können.
2. Von der Statsgenossenschaft.
364.
Jedem Stat steht das Recht zu, selbständig festzusetzen, unter wel- chen Bedingungen seine Statsgenossenschaft (Statsangehörigkeit) erworben und verloren werde.
Es ist das zunächst eine innere Angelegenheit des States und daher eine statsrechtliche, nicht eine völkerrechtliche Frage. Aber insofern als die An- gehörigkeit eines Individuums zu einem bestimmten State auch von fremden Staten zu beachten ist, schließen sich internationale Wirkungen an den statsrechtlichen Ent- scheid an und hat sich das Völkerrecht damit zu befassen.
Die Grundsätze, welche in den verschiedenen Ländern beachtet werden, sind noch sehr verschieden. In den einen Staten wird vorzugsweise auf den persön- lichen Familienzusammenhang (Abstammung und Ehe) gesehen, in den andern mehr auf die örtliche Beziehung zum Lande (Geburtsort, Wohnort) der Nachdruck gelegt. Vgl. Bluntschli, Allgem. Statsrecht. Buch II. Cap. 20 (19).
365.
Im Zweifel wird angenommen, daß die Ehefrau durch die Heirat in die Statsgenossenschaft ihres Ehemannes eintrete, und daß die ehelichen
14*
Die Statshoheit im Verhältniß zu den Perſonen.
Vielmehr iſt es das Recht und die Pflicht der civiliſirten Staten, wo ſolche Mißbräuche noch geübt werden, deren Abſtellung zu fördern.
England gebührt der Ruhm, die Barbareskenſtaten zuerſt theils durch diplo- matiſchen Einfluß, theils durch kriegeriſchen Zwang (Beſchießung von Algier im Auguſt 1816) dahin gebracht zu haben, daß ſie auf die Chriſtenſclaven Verzicht lei- ſteten, für Gegenwart und Zukunft. Auch Frankreich wirkte in derſelben Richtung. Die europäiſche Diplomatie erreichte auch in Conſtantinopel ähnliche Zugeſtändniſſe. Aber noch iſt die Sclaverei, und ſind ſelbſt die Sclavenmärkte abgeſehen von Süd- amerika, wo ſie nun im Erlöſchen begriffen ſind, bei den rohen Nationen von Mittelaſien und im Innern von Afrika, welche von der Bewegung der chriſtlich- ariſchen Civiliſation bisher wenig berührt ſind und der Ausbreitung der Humanität noch viele Hinderniſſe entgegenſetzen, noch in voller Uebung. Zuletzt werden aber auch dieſe barbariſchen Raſſen oder halbbarbariſchen Nationen der wachſenden Macht des humaner gewordenen modernen Völkerrechts ſich nicht entziehen können.
2. Von der Statsgenoſſenſchaft.
364.
Jedem Stat ſteht das Recht zu, ſelbſtändig feſtzuſetzen, unter wel- chen Bedingungen ſeine Statsgenoſſenſchaft (Statsangehörigkeit) erworben und verloren werde.
Es iſt das zunächſt eine innere Angelegenheit des States und daher eine ſtatsrechtliche, nicht eine völkerrechtliche Frage. Aber inſofern als die An- gehörigkeit eines Individuums zu einem beſtimmten State auch von fremden Staten zu beachten iſt, ſchließen ſich internationale Wirkungen an den ſtatsrechtlichen Ent- ſcheid an und hat ſich das Völkerrecht damit zu befaſſen.
Die Grundſätze, welche in den verſchiedenen Ländern beachtet werden, ſind noch ſehr verſchieden. In den einen Staten wird vorzugsweiſe auf den perſön- lichen Familienzuſammenhang (Abſtammung und Ehe) geſehen, in den andern mehr auf die örtliche Beziehung zum Lande (Geburtsort, Wohnort) der Nachdruck gelegt. Vgl. Bluntſchli, Allgem. Statsrecht. Buch II. Cap. 20 (19).
365.
Im Zweifel wird angenommen, daß die Ehefrau durch die Heirat in die Statsgenoſſenſchaft ihres Ehemannes eintrete, und daß die ehelichen
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Die Statshoheit im Verhältniß zu den Perſonen.
Vielmehr iſt es das Recht und die Pflicht der civiliſirten Staten,
wo ſolche Mißbräuche noch geübt werden, deren Abſtellung zu fördern.
England gebührt der Ruhm, die Barbareskenſtaten zuerſt theils durch diplo-
matiſchen Einfluß, theils durch kriegeriſchen Zwang (Beſchießung von Algier im
Auguſt 1816) dahin gebracht zu haben, daß ſie auf die Chriſtenſclaven Verzicht lei-
ſteten, für Gegenwart und Zukunft. Auch Frankreich wirkte in derſelben Richtung.
Die europäiſche Diplomatie erreichte auch in Conſtantinopel ähnliche Zugeſtändniſſe.
Aber noch iſt die Sclaverei, und ſind ſelbſt die Sclavenmärkte abgeſehen von Süd-
amerika, wo ſie nun im Erlöſchen begriffen ſind, bei den rohen Nationen von
Mittelaſien und im Innern von Afrika, welche von der Bewegung der chriſtlich-
ariſchen Civiliſation bisher wenig berührt ſind und der Ausbreitung der Humanität
noch viele Hinderniſſe entgegenſetzen, noch in voller Uebung. Zuletzt werden aber
auch dieſe barbariſchen Raſſen oder halbbarbariſchen Nationen der wachſenden Macht
des humaner gewordenen modernen Völkerrechts ſich nicht entziehen können.
2. Von der Statsgenoſſenſchaft.
364.
Jedem Stat ſteht das Recht zu, ſelbſtändig feſtzuſetzen, unter wel-
chen Bedingungen ſeine Statsgenoſſenſchaft (Statsangehörigkeit) erworben
und verloren werde.
Es iſt das zunächſt eine innere Angelegenheit des States und daher
eine ſtatsrechtliche, nicht eine völkerrechtliche Frage. Aber inſofern als die An-
gehörigkeit eines Individuums zu einem beſtimmten State auch von fremden Staten
zu beachten iſt, ſchließen ſich internationale Wirkungen an den ſtatsrechtlichen Ent-
ſcheid an und hat ſich das Völkerrecht damit zu befaſſen.
Die Grundſätze, welche in den verſchiedenen Ländern beachtet werden, ſind
noch ſehr verſchieden. In den einen Staten wird vorzugsweiſe auf den perſön-
lichen Familienzuſammenhang (Abſtammung und Ehe) geſehen, in den
andern mehr auf die örtliche Beziehung zum Lande (Geburtsort, Wohnort)
der Nachdruck gelegt. Vgl. Bluntſchli, Allgem. Statsrecht. Buch II. Cap. 20 (19).
365.
Im Zweifel wird angenommen, daß die Ehefrau durch die Heirat
in die Statsgenoſſenſchaft ihres Ehemannes eintrete, und daß die ehelichen
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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/233>, abgerufen am 21.11.2024.
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