Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868.Viertes Buch. c) das Recht eines fremden Stats, seine Gerichtsbarkeit oder Po- liceigewalt oder Steuerhoheit auf einen inländischen Gebietstheil auszudehnen, d) das Recht, Zollstationen daselbst anzulegen und zu unterhalten, Durchsuchungen dort vorzunehmen, e) das Recht, Postanstalten daselbst zu errichten und das Postregal auszuüben. 358. Im Zweifel ist allezeit zu Gunsten der dienstfreien Statshoheit und Je größer der Werth ist, welchen die moderne Statsentwicklung der Ein- 359. Eine Statsdienstbarkeit geht unter a) durch einen Befreiungsvertrag des pflichtigen mit dem berechtigten Stat, b) durch Verzicht des berechtigten Stats. Als Verzicht ist auch ein über ein Menschenalter fortgesetzter Nichtgebrauch anzusehen, wenn die Veranlassung zum Gebrauch wiederholt gegeben war, c) wenn dieselbe aufgehört hat, mit der Entwicklung des Völkerrechts verträglich zu sein, d) wenn dieselbe mit der naturgemäßen Fortbildung der Statsver- fassung oder mit den öffentlichen Zuständen und Bedürfnissen des pflichtigen Landes unverträglich und deßhalb unleidlich und un- ausführbar geworden ist. Da das Statsrecht und ebenso das Völkerrecht nur um der gemeinsamen Viertes Buch. c) das Recht eines fremden Stats, ſeine Gerichtsbarkeit oder Po- liceigewalt oder Steuerhoheit auf einen inländiſchen Gebietstheil auszudehnen, d) das Recht, Zollſtationen daſelbſt anzulegen und zu unterhalten, Durchſuchungen dort vorzunehmen, e) das Recht, Poſtanſtalten daſelbſt zu errichten und das Poſtregal auszuüben. 358. Im Zweifel iſt allezeit zu Gunſten der dienſtfreien Statshoheit und Je größer der Werth iſt, welchen die moderne Statsentwicklung der Ein- 359. Eine Statsdienſtbarkeit geht unter a) durch einen Befreiungsvertrag des pflichtigen mit dem berechtigten Stat, b) durch Verzicht des berechtigten Stats. Als Verzicht iſt auch ein über ein Menſchenalter fortgeſetzter Nichtgebrauch anzuſehen, wenn die Veranlaſſung zum Gebrauch wiederholt gegeben war, c) wenn dieſelbe aufgehört hat, mit der Entwicklung des Völkerrechts verträglich zu ſein, d) wenn dieſelbe mit der naturgemäßen Fortbildung der Statsver- faſſung oder mit den öffentlichen Zuſtänden und Bedürfniſſen des pflichtigen Landes unverträglich und deßhalb unleidlich und un- ausführbar geworden iſt. 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Viertes Buch.
c) das Recht eines fremden Stats, ſeine Gerichtsbarkeit oder Po-
liceigewalt oder Steuerhoheit auf einen inländiſchen Gebietstheil
auszudehnen,
d) das Recht, Zollſtationen daſelbſt anzulegen und zu unterhalten,
Durchſuchungen dort vorzunehmen,
e) das Recht, Poſtanſtalten daſelbſt zu errichten und das Poſtregal
auszuüben.
358.
Im Zweifel iſt allezeit zu Gunſten der dienſtfreien Statshoheit und
die anerkannte Dienſtbarkeit als ein Ausnahmerecht in beſchränkendem Sinne
zu interpretiren.
Je größer der Werth iſt, welchen die moderne Statsentwicklung der Ein-
heit und Freiheit des Stats zuſchreibt, um ſo weniger günſtig werden dieſe
Dienſtbarkeiten betrachtet, welche immer jener Einheit Abbruch thun, indem ſie die
wenn auch beſchränkte Herrſchaft eines fremden States begründen, und immer dieſe
Freiheit hemmen, indem ſie den einheimiſchen Stat verhindern, ſeine Souveränetät
vollſtändig auszuüben. Sie ſind daher weit hinfälliger als die privatrechtlichen Ser-
vituten, indem ſie unter Umſtänden von einer neuen Statsentwicklung verdrängt und
beſeitigt werden. Vgl. § 359.
359.
Eine Statsdienſtbarkeit geht unter
a) durch einen Befreiungsvertrag des pflichtigen mit dem berechtigten
Stat,
b) durch Verzicht des berechtigten Stats. Als Verzicht iſt auch ein
über ein Menſchenalter fortgeſetzter Nichtgebrauch anzuſehen, wenn
die Veranlaſſung zum Gebrauch wiederholt gegeben war,
c) wenn dieſelbe aufgehört hat, mit der Entwicklung des Völkerrechts
verträglich zu ſein,
d) wenn dieſelbe mit der naturgemäßen Fortbildung der Statsver-
faſſung oder mit den öffentlichen Zuſtänden und Bedürfniſſen des
pflichtigen Landes unverträglich und deßhalb unleidlich und un-
ausführbar geworden iſt.
Da das Statsrecht und ebenſo das Völkerrecht nur um der gemeinſamen
öffentlichen Bedürfniſſe willen als nothwendige Ordnung der
öffentlichen Zuſtände beſteht, ſo kann es auch im Einzelnen nicht aufrecht
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