eigenen Kosten übernimmt. Wird diese Sorge wechselseitig von den Uferstaten geübt, so liegt darin im Großen auch wieder die Ausgleichung der Kosten. Jedenfalls aber gehören die Rettungsanstalten zu den policeilichen Einrichtun- gen eines States, welche zunächst dem eigenen Statszweck dienen und sind daher nicht in Anrechnung zu bringen.
339.
Keinem State kommt im Zustande des Friedens eine öffentliche Gewalt über fremde Schiffe auf offener See zu. Die Flagge deckt das Schiff.
Es ist das die Consequenz der beiden Sätze a) daß das offene Meer von jeder besondern Statsgewalt frei ist und b) daß die Schiffe schwim- mende Theile ihres nationalen Statsgebiets sind. Auf jedem Schiff dauert also das einheimische Recht und die einheimische Statsgewalt fort, wenn es auf offener See ist und von jedem Schiff ist also fremde Statsgewalt ausge- schlossen.
340.
Dagegen ist jeder Stat verpflichtet, für Beschädigungen oder Belei- digungen, welche durch die Mannschaft seiner Schiffe gegen fremde Schiffe oder deren Mannschaft auf offener See verübt werden, den Klägern gutes Recht zu halten. Auch auf offener See ist die friedliche Rechtsordnung wechselseitig zu achten und die gewaltsame Selbsthülfe nur in Nothfällen gestattet.
Die Statenlosigkeit des Meeres bedeutet nicht Rechtlosigkeit, sondern im Gegentheil friedliche Rechtsgemeinschaft aller Nationen. Als Noth- fälle, welche die Selbsthülfe im Gegensatze zu der regelmäßigen Gerichtshülfe recht- fertigen, gelten a) alle Fälle der Nothwehr (vgl. unten § 348) gegen böswilligen Angriff, b) die Fälle, in denen zur eigenen Rettung gegen die Gefährdung von Seite eines andern Schiffes, auch wenn dieselbe nicht beabsichtigt und nicht als Vergehen zu betrachten ist, durchgreifende Maßregeln nothwendig erscheinen, c) die Fälle der vorherigen Rechtsverweigerung von Seite des fremden Stats.
341.
In Friedenszeiten ist kein Stat berechtigt, fremde Schiffe in ihrer Fahrt auf offener See aufzuhalten, noch sie durch seine Officiere zu be- suchen und Vorzeigung ihrer Papiere zu fordern oder gar ihre Schiffs- räume durchsuchen zu lassen.
Viertes Buch.
eigenen Koſten übernimmt. Wird dieſe Sorge wechſelſeitig von den Uferſtaten geübt, ſo liegt darin im Großen auch wieder die Ausgleichung der Koſten. Jedenfalls aber gehören die Rettungsanſtalten zu den policeilichen Einrichtun- gen eines States, welche zunächſt dem eigenen Statszweck dienen und ſind daher nicht in Anrechnung zu bringen.
339.
Keinem State kommt im Zuſtande des Friedens eine öffentliche Gewalt über fremde Schiffe auf offener See zu. Die Flagge deckt das Schiff.
Es iſt das die Conſequenz der beiden Sätze a) daß das offene Meer von jeder beſondern Statsgewalt frei iſt und b) daß die Schiffe ſchwim- mende Theile ihres nationalen Statsgebiets ſind. Auf jedem Schiff dauert alſo das einheimiſche Recht und die einheimiſche Statsgewalt fort, wenn es auf offener See iſt und von jedem Schiff iſt alſo fremde Statsgewalt ausge- ſchloſſen.
340.
Dagegen iſt jeder Stat verpflichtet, für Beſchädigungen oder Belei- digungen, welche durch die Mannſchaft ſeiner Schiffe gegen fremde Schiffe oder deren Mannſchaft auf offener See verübt werden, den Klägern gutes Recht zu halten. Auch auf offener See iſt die friedliche Rechtsordnung wechſelſeitig zu achten und die gewaltſame Selbſthülfe nur in Nothfällen geſtattet.
Die Statenloſigkeit des Meeres bedeutet nicht Rechtloſigkeit, ſondern im Gegentheil friedliche Rechtsgemeinſchaft aller Nationen. Als Noth- fälle, welche die Selbſthülfe im Gegenſatze zu der regelmäßigen Gerichtshülfe recht- fertigen, gelten a) alle Fälle der Nothwehr (vgl. unten § 348) gegen böswilligen Angriff, b) die Fälle, in denen zur eigenen Rettung gegen die Gefährdung von Seite eines andern Schiffes, auch wenn dieſelbe nicht beabſichtigt und nicht als Vergehen zu betrachten iſt, durchgreifende Maßregeln nothwendig erſcheinen, c) die Fälle der vorherigen Rechtsverweigerung von Seite des fremden Stats.
341.
In Friedenszeiten iſt kein Stat berechtigt, fremde Schiffe in ihrer Fahrt auf offener See aufzuhalten, noch ſie durch ſeine Officiere zu be- ſuchen und Vorzeigung ihrer Papiere zu fordern oder gar ihre Schiffs- räume durchſuchen zu laſſen.
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Viertes Buch.
eigenen Koſten übernimmt. Wird dieſe Sorge wechſelſeitig von den Uferſtaten
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Jedenfalls aber gehören die Rettungsanſtalten zu den policeilichen Einrichtun-
gen eines States, welche zunächſt dem eigenen Statszweck dienen und ſind daher
nicht in Anrechnung zu bringen.
339.
Keinem State kommt im Zuſtande des Friedens eine öffentliche
Gewalt über fremde Schiffe auf offener See zu. Die Flagge deckt das
Schiff.
Es iſt das die Conſequenz der beiden Sätze a) daß das offene Meer von
jeder beſondern Statsgewalt frei iſt und b) daß die Schiffe ſchwim-
mende Theile ihres nationalen Statsgebiets ſind. Auf jedem Schiff
dauert alſo das einheimiſche Recht und die einheimiſche Statsgewalt fort, wenn es
auf offener See iſt und von jedem Schiff iſt alſo fremde Statsgewalt ausge-
ſchloſſen.
340.
Dagegen iſt jeder Stat verpflichtet, für Beſchädigungen oder Belei-
digungen, welche durch die Mannſchaft ſeiner Schiffe gegen fremde Schiffe
oder deren Mannſchaft auf offener See verübt werden, den Klägern gutes
Recht zu halten. Auch auf offener See iſt die friedliche Rechtsordnung
wechſelſeitig zu achten und die gewaltſame Selbſthülfe nur in Nothfällen
geſtattet.
Die Statenloſigkeit des Meeres bedeutet nicht Rechtloſigkeit, ſondern
im Gegentheil friedliche Rechtsgemeinſchaft aller Nationen. Als Noth-
fälle, welche die Selbſthülfe im Gegenſatze zu der regelmäßigen Gerichtshülfe recht-
fertigen, gelten a) alle Fälle der Nothwehr (vgl. unten § 348) gegen böswilligen
Angriff, b) die Fälle, in denen zur eigenen Rettung gegen die Gefährdung
von Seite eines andern Schiffes, auch wenn dieſelbe nicht beabſichtigt und nicht als
Vergehen zu betrachten iſt, durchgreifende Maßregeln nothwendig erſcheinen, c) die
Fälle der vorherigen Rechtsverweigerung von Seite des fremden Stats.
341.
In Friedenszeiten iſt kein Stat berechtigt, fremde Schiffe in ihrer
Fahrt auf offener See aufzuhalten, noch ſie durch ſeine Officiere zu be-
ſuchen und Vorzeigung ihrer Papiere zu fordern oder gar ihre Schiffs-
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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/218>, abgerufen am 22.02.2025.
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