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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868.

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Viertes Buch.
Flußstat dieselben an der Einfahrt verhindern könnte. Der Eine Stat, dessen Ge-
biet der Fluß allein durchfließt, kann nicht mehr Rechte und keine größere Herrschaft
haben, als die mehreren Uferstaten an einem Gemeinflusse zusammen. Es gibt kei-
nen innern Grund, weßhalb für fremde Nationen die Schiffahrt auf dem Rhein
freier sein sollte, als auf der Themse, sonst müßte man zu der unsinnigen Schluß-
folgerung kommen, daß die Einigung eines ganzen Flußgebietes, das früher un-
ter mehrere Staten
getheilt war, in Einem Statsgebiete die Auf-
hebung der freien Schiffahrt für fremde Nationen nach sich zöge, die zur Zeit der
Vielstaterei als Völkerrecht gegolten hatte. So war z. B. der Missisippi früher ein
Gemeinstrom und ist jetzt ganz in dem Gebiet der Vereinigten Staten. Ebenso ist
nun der Po ein italienischer Fluß, der früher ein Gemeinfluß gewesen war. Die
Freiheit der Weltschiffahrt auf diesen Flüssen gründet sich nicht auf die Betheiligung
mehrerer bestimmter Staten an dem Flußufer und der Flußhoheit, sondern auf den
Zusammenhang des Flusses mit dem freien Meer und auf die Verbindung der Ge-
wässer, welche den Verkehr der Menschen vermitteln. Die ins Meer mündenden
Ströme sammt ihren Nebenflüssen, welche sie während ihres Laufes aufnehmen, ge-
hören
, soweit der Weltverkehr sich darauf bewegt, zum Meer und es wirkt
dessen Freiheit auf ihre Freiheit zurück
.

315.

Es dürfen nur solche Gebühren der Benutzung der dem Weltverkehr
offenen Gewässer auferlegt werden, welche als Gegenleistung für die An-
stalten, Werke und Arbeiten zu rechtfertigen sind, für welche der Stat im
Interesse der Schiffahrt und eines geordneten Zustandes sorgt. Ebenso
dürfen die Vorschriften über Stapel- und Landungsplätze nicht dazu miß-
braucht werden, durch Nöthigung zum Anlanden und Umladen die Schiff-
fahrt zu erschweren.

Nur allmählich gelingt es, diese Folge des Princips der freien Schiffahrt zur
Geltung zu bringen und die zahlreichen Lasten, womit die mittelalterliche Landes-
hoheit den Verkehr beschwert hat, abzuschütteln. Einzelne Bestimmungen bezüglich
der Gemeinflüsse hat wieder die Wiener Congreßacte. Art. III.: "Les droits
sur la navigation seront fixes d'une maniere uniforme, invariable et assez
independante de la qualite differente des marchandises pour ne pas rendre
necessaire un examen detaille de la cargaison autrement que pour cause de
fraude et de contravention. -- Le tarif une fois regle, il ne pourra plus etre
augmente que par un arrangement commun des etats riverains ni la navi-
gation grevee d'autres droits quelconques, outre ceux fixes, dans le regle-
ment."
Art. 114: "On n'etablira nulle part des droits d'etappe, d'echelle ou
de relache forcee."
Selbstverständlich ist die Erhebung von Waarenzöllen
eine ganz andere Angelegenheit und hat grundsätzlich mit der financiellen Belastung
der Schiffahrt
nichts zu schaffen.

Viertes Buch.
Flußſtat dieſelben an der Einfahrt verhindern könnte. Der Eine Stat, deſſen Ge-
biet der Fluß allein durchfließt, kann nicht mehr Rechte und keine größere Herrſchaft
haben, als die mehreren Uferſtaten an einem Gemeinfluſſe zuſammen. Es gibt kei-
nen innern Grund, weßhalb für fremde Nationen die Schiffahrt auf dem Rhein
freier ſein ſollte, als auf der Themſe, ſonſt müßte man zu der unſinnigen Schluß-
folgerung kommen, daß die Einigung eines ganzen Flußgebietes, das früher un-
ter mehrere Staten
getheilt war, in Einem Statsgebiete die Auf-
hebung der freien Schiffahrt für fremde Nationen nach ſich zöge, die zur Zeit der
Vielſtaterei als Völkerrecht gegolten hatte. So war z. B. der Miſſiſippi früher ein
Gemeinſtrom und iſt jetzt ganz in dem Gebiet der Vereinigten Staten. Ebenſo iſt
nun der Po ein italieniſcher Fluß, der früher ein Gemeinfluß geweſen war. Die
Freiheit der Weltſchiffahrt auf dieſen Flüſſen gründet ſich nicht auf die Betheiligung
mehrerer beſtimmter Staten an dem Flußufer und der Flußhoheit, ſondern auf den
Zuſammenhang des Fluſſes mit dem freien Meer und auf die Verbindung der Ge-
wäſſer, welche den Verkehr der Menſchen vermitteln. Die ins Meer mündenden
Ströme ſammt ihren Nebenflüſſen, welche ſie während ihres Laufes aufnehmen, ge-
hören
, ſoweit der Weltverkehr ſich darauf bewegt, zum Meer und es wirkt
deſſen Freiheit auf ihre Freiheit zurück
.

315.

Es dürfen nur ſolche Gebühren der Benutzung der dem Weltverkehr
offenen Gewäſſer auferlegt werden, welche als Gegenleiſtung für die An-
ſtalten, Werke und Arbeiten zu rechtfertigen ſind, für welche der Stat im
Intereſſe der Schiffahrt und eines geordneten Zuſtandes ſorgt. Ebenſo
dürfen die Vorſchriften über Stapel- und Landungsplätze nicht dazu miß-
braucht werden, durch Nöthigung zum Anlanden und Umladen die Schiff-
fahrt zu erſchweren.

Nur allmählich gelingt es, dieſe Folge des Princips der freien Schiffahrt zur
Geltung zu bringen und die zahlreichen Laſten, womit die mittelalterliche Landes-
hoheit den Verkehr beſchwert hat, abzuſchütteln. Einzelne Beſtimmungen bezüglich
der Gemeinflüſſe hat wieder die Wiener Congreßacte. Art. III.: „Les droits
sur la navigation seront fixés d’une manière uniforme, invariable et assez
indépendante de la qualité différente des marchandises pour ne pas rendre
nécessaire un examen détaillé de la cargaison autrement que pour cause de
fraude et de contravention. — Le tarif une fois réglé, il ne pourra plus être
augmenté que par un arrangement commun des états riverains ni la navi-
gation grévée d’autres droits quelconques, outre ceux fixés, dans le règle-
ment.“
Art. 114: „On n’établira nulle part des droits d’étappe, d’échelle ou
de relâche forcée.“
Selbſtverſtändlich iſt die Erhebung von Waarenzöllen
eine ganz andere Angelegenheit und hat grundſätzlich mit der financiellen Belaſtung
der Schiffahrt
nichts zu ſchaffen.

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[184/0206] Viertes Buch. Flußſtat dieſelben an der Einfahrt verhindern könnte. Der Eine Stat, deſſen Ge- biet der Fluß allein durchfließt, kann nicht mehr Rechte und keine größere Herrſchaft haben, als die mehreren Uferſtaten an einem Gemeinfluſſe zuſammen. Es gibt kei- nen innern Grund, weßhalb für fremde Nationen die Schiffahrt auf dem Rhein freier ſein ſollte, als auf der Themſe, ſonſt müßte man zu der unſinnigen Schluß- folgerung kommen, daß die Einigung eines ganzen Flußgebietes, das früher un- ter mehrere Staten getheilt war, in Einem Statsgebiete die Auf- hebung der freien Schiffahrt für fremde Nationen nach ſich zöge, die zur Zeit der Vielſtaterei als Völkerrecht gegolten hatte. So war z. B. der Miſſiſippi früher ein Gemeinſtrom und iſt jetzt ganz in dem Gebiet der Vereinigten Staten. Ebenſo iſt nun der Po ein italieniſcher Fluß, der früher ein Gemeinfluß geweſen war. Die Freiheit der Weltſchiffahrt auf dieſen Flüſſen gründet ſich nicht auf die Betheiligung mehrerer beſtimmter Staten an dem Flußufer und der Flußhoheit, ſondern auf den Zuſammenhang des Fluſſes mit dem freien Meer und auf die Verbindung der Ge- wäſſer, welche den Verkehr der Menſchen vermitteln. Die ins Meer mündenden Ströme ſammt ihren Nebenflüſſen, welche ſie während ihres Laufes aufnehmen, ge- hören, ſoweit der Weltverkehr ſich darauf bewegt, zum Meer und es wirkt deſſen Freiheit auf ihre Freiheit zurück. 315. Es dürfen nur ſolche Gebühren der Benutzung der dem Weltverkehr offenen Gewäſſer auferlegt werden, welche als Gegenleiſtung für die An- ſtalten, Werke und Arbeiten zu rechtfertigen ſind, für welche der Stat im Intereſſe der Schiffahrt und eines geordneten Zuſtandes ſorgt. Ebenſo dürfen die Vorſchriften über Stapel- und Landungsplätze nicht dazu miß- braucht werden, durch Nöthigung zum Anlanden und Umladen die Schiff- fahrt zu erſchweren. Nur allmählich gelingt es, dieſe Folge des Princips der freien Schiffahrt zur Geltung zu bringen und die zahlreichen Laſten, womit die mittelalterliche Landes- hoheit den Verkehr beſchwert hat, abzuſchütteln. Einzelne Beſtimmungen bezüglich der Gemeinflüſſe hat wieder die Wiener Congreßacte. Art. III.: „Les droits sur la navigation seront fixés d’une manière uniforme, invariable et assez indépendante de la qualité différente des marchandises pour ne pas rendre nécessaire un examen détaillé de la cargaison autrement que pour cause de fraude et de contravention. — Le tarif une fois réglé, il ne pourra plus être augmenté que par un arrangement commun des états riverains ni la navi- gation grévée d’autres droits quelconques, outre ceux fixés, dans le règle- ment.“ Art. 114: „On n’établira nulle part des droits d’étappe, d’échelle ou de relâche forcée.“ Selbſtverſtändlich iſt die Erhebung von Waarenzöllen eine ganz andere Angelegenheit und hat grundſätzlich mit der financiellen Belaſtung der Schiffahrt nichts zu ſchaffen.

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/206>, abgerufen am 21.11.2024.