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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868.

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Drittes Buch.
öffentlichen Geschäften des Amtes bekannt sind, auf die Befreiung von der einheimi-
schen Strafgerichtsbarkeit verzichten und darf weder sich, noch solche Personen zum
Schaden seiner Stellung und seiner Amtsthätigkeit dieser Gerichtsbarkeit freiwillig
unterwerfen.

215.

Der einheimischen Statsgewalt ist es nicht verwehrt, Personen, welche
zur Gesantschaft gehören, wenn sie auf handhafter That in Verübung
eines Vergehens ergriffen werden, vorläufig in Haft zu nehmen. Nur ist
sofort dem Gesanten davon Kenntniß zu geben und der Gefangene zu
dessen Verfügung zu stellen.

216.

Dem Gesanten kommt wohl eine Disciplinargewalt über seine An-
gehörigen zu, aber in der Regel keine eigentliche Strafgerichtsbarkeit. Aus-
nahmen bedürfen einerseits der Ermächtigung des Absendestats, andrerseits
der Zulassung des Empfangstats.

Da der Ausspruch auf Exterritorialität für sich allein nur die Ausschlie-
ßung
der fremden, an sich berechtigten Strafgerichtsbarkeit, nicht aber die Aus-
übung
der eigenen Strafgewalt von Seite des Exterritorialen begründet, so
kann es auch nicht von dem Ermessen des Absendestates allein abhängen, seinen Ge-
santen diese Gewalt zu übertragen. Der besendete Stat kann sich jede Ausübung
der Strafgewalt in seinem Gebiete durch einen Fremden verbitten. Der Gesante ist
in der Regel nur zu denjenigen vorbereitenden Gerichtshandlungen er-
mächtigt, welche zur Sicherung des nachfolgenden Gerichtsverfahrens nöthig sind.
Ausnahmsweise wird den fränkischen Gesanten und sogar den Consuln in der Türkei
und hinwieder muselmännischen Gesanten in Europa eine Strafgerichtsbarkeit dort
über ihre christlichen, hier über ihre mohammedanischen Landsleute zugestanden.

217.

Der Gesante kann den äußern Thatbestand des Vergehens, soweit
derselbe innerhalb des exterritorialen Bezirks erkennbar ist, constatiren, seine
Angehörigen einvernehmen und das einheimische Gericht auffordern, daß es
auch seinerseits in seinem Bereich die Thatsachen feststelle und Zeugen ein-
vernehme. Er kann die angeschuldigte Person seines Gefolges verhaften
und für Ablieferung an das zuständige Gericht des Absendestats sorgen.

218.

Da der Gesante auch der Civilgerichtsbarkeit des Empfangstates

Drittes Buch.
öffentlichen Geſchäften des Amtes bekannt ſind, auf die Befreiung von der einheimi-
ſchen Strafgerichtsbarkeit verzichten und darf weder ſich, noch ſolche Perſonen zum
Schaden ſeiner Stellung und ſeiner Amtsthätigkeit dieſer Gerichtsbarkeit freiwillig
unterwerfen.

215.

Der einheimiſchen Statsgewalt iſt es nicht verwehrt, Perſonen, welche
zur Geſantſchaft gehören, wenn ſie auf handhafter That in Verübung
eines Vergehens ergriffen werden, vorläufig in Haft zu nehmen. Nur iſt
ſofort dem Geſanten davon Kenntniß zu geben und der Gefangene zu
deſſen Verfügung zu ſtellen.

216.

Dem Geſanten kommt wohl eine Disciplinargewalt über ſeine An-
gehörigen zu, aber in der Regel keine eigentliche Strafgerichtsbarkeit. Aus-
nahmen bedürfen einerſeits der Ermächtigung des Abſendeſtats, andrerſeits
der Zulaſſung des Empfangſtats.

Da der Ausſpruch auf Exterritorialität für ſich allein nur die Ausſchlie-
ßung
der fremden, an ſich berechtigten Strafgerichtsbarkeit, nicht aber die Aus-
übung
der eigenen Strafgewalt von Seite des Exterritorialen begründet, ſo
kann es auch nicht von dem Ermeſſen des Abſendeſtates allein abhängen, ſeinen Ge-
ſanten dieſe Gewalt zu übertragen. Der beſendete Stat kann ſich jede Ausübung
der Strafgewalt in ſeinem Gebiete durch einen Fremden verbitten. Der Geſante iſt
in der Regel nur zu denjenigen vorbereitenden Gerichtshandlungen er-
mächtigt, welche zur Sicherung des nachfolgenden Gerichtsverfahrens nöthig ſind.
Ausnahmsweiſe wird den fränkiſchen Geſanten und ſogar den Conſuln in der Türkei
und hinwieder muſelmänniſchen Geſanten in Europa eine Strafgerichtsbarkeit dort
über ihre chriſtlichen, hier über ihre mohammedaniſchen Landsleute zugeſtanden.

217.

Der Geſante kann den äußern Thatbeſtand des Vergehens, ſoweit
derſelbe innerhalb des exterritorialen Bezirks erkennbar iſt, conſtatiren, ſeine
Angehörigen einvernehmen und das einheimiſche Gericht auffordern, daß es
auch ſeinerſeits in ſeinem Bereich die Thatſachen feſtſtelle und Zeugen ein-
vernehme. Er kann die angeſchuldigte Perſon ſeines Gefolges verhaften
und für Ablieferung an das zuſtändige Gericht des Abſendeſtats ſorgen.

218.

Da der Geſante auch der Civilgerichtsbarkeit des Empfangſtates

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[142/0164] Drittes Buch. öffentlichen Geſchäften des Amtes bekannt ſind, auf die Befreiung von der einheimi- ſchen Strafgerichtsbarkeit verzichten und darf weder ſich, noch ſolche Perſonen zum Schaden ſeiner Stellung und ſeiner Amtsthätigkeit dieſer Gerichtsbarkeit freiwillig unterwerfen. 215. Der einheimiſchen Statsgewalt iſt es nicht verwehrt, Perſonen, welche zur Geſantſchaft gehören, wenn ſie auf handhafter That in Verübung eines Vergehens ergriffen werden, vorläufig in Haft zu nehmen. Nur iſt ſofort dem Geſanten davon Kenntniß zu geben und der Gefangene zu deſſen Verfügung zu ſtellen. 216. Dem Geſanten kommt wohl eine Disciplinargewalt über ſeine An- gehörigen zu, aber in der Regel keine eigentliche Strafgerichtsbarkeit. Aus- nahmen bedürfen einerſeits der Ermächtigung des Abſendeſtats, andrerſeits der Zulaſſung des Empfangſtats. Da der Ausſpruch auf Exterritorialität für ſich allein nur die Ausſchlie- ßung der fremden, an ſich berechtigten Strafgerichtsbarkeit, nicht aber die Aus- übung der eigenen Strafgewalt von Seite des Exterritorialen begründet, ſo kann es auch nicht von dem Ermeſſen des Abſendeſtates allein abhängen, ſeinen Ge- ſanten dieſe Gewalt zu übertragen. Der beſendete Stat kann ſich jede Ausübung der Strafgewalt in ſeinem Gebiete durch einen Fremden verbitten. Der Geſante iſt in der Regel nur zu denjenigen vorbereitenden Gerichtshandlungen er- mächtigt, welche zur Sicherung des nachfolgenden Gerichtsverfahrens nöthig ſind. Ausnahmsweiſe wird den fränkiſchen Geſanten und ſogar den Conſuln in der Türkei und hinwieder muſelmänniſchen Geſanten in Europa eine Strafgerichtsbarkeit dort über ihre chriſtlichen, hier über ihre mohammedaniſchen Landsleute zugeſtanden. 217. Der Geſante kann den äußern Thatbeſtand des Vergehens, ſoweit derſelbe innerhalb des exterritorialen Bezirks erkennbar iſt, conſtatiren, ſeine Angehörigen einvernehmen und das einheimiſche Gericht auffordern, daß es auch ſeinerſeits in ſeinem Bereich die Thatſachen feſtſtelle und Zeugen ein- vernehme. Er kann die angeſchuldigte Perſon ſeines Gefolges verhaften und für Ablieferung an das zuſtändige Gericht des Abſendeſtats ſorgen. 218. Da der Geſante auch der Civilgerichtsbarkeit des Empfangſtates

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/164>, abgerufen am 21.11.2024.