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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868.

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Drittes Buch.
ten Lords von England der Satz ausgesprochen, daß ein fremder Souverän, wenn
er vor einem englischen Gerichte eine Klage verfolge, jedem andern Privatkläger gleich
zu behandeln, also je nach Erforderniß der Sache ihm auch der Eid aufzulegen sei.
(Proceß zwischen dem Könige von Spanien und dem Hause Hullet and Widder.
Aug. 1833. Phillimore II. App. IV. 3.) Auf eine Widerklage dagegen braucht
sich der Exterritoriale nicht einzulassen, weil dieselbe eine Klage ist, und alle Gründe,
welche gegen die Zulassung von Klagen sprechen, auch auf die Widerklage passen.

141.

Die exterritoriale Person ist der Strafgerichtsbarkeit des einheimischen
States nicht unterworfen. Dieser Stat hat aber das Recht, theils die
nöthigen Maßregeln zu ergreifen, um ein Vergehen des Exterritorialen zu
verhindern, theils von dem State des Exterritorialen Genugthuung zu for-
dern, wenn dieser die Rechtsordnung des Landes in einer Weise verletzt,
welche an sich zu strafgerichtlicher Verfolgung berechtigt.

Auch diese Bestimmung, welche durch den allgemeinen Gebrauch der civilisir-
ten Völker bestätigt wird, ist singuläres Recht, weil dieselbe die an sich berechtigte
Wirksamkeit der Strafrechtspflege hemmt. Es verhält sich damit ähnlich wie mit
der statsrechtlichen Unverantwortlichkeit der Souveräne. Aber es ist zweckmäßig,
daran zu erinnern, daß es gefährlich ist, die Haltbarkeit solcher Rechtsfictionen auf
eine zu harte Probe zu setzen.

142.

Wenn die exterritoriale Person in dem Lande feindliche Handlungen
verübt, so darf sie von der einheimischen Regierung als Feind erklärt und
behandelt und im Nothfall gefangen genommen werden.

Das ist nicht Anwendung des Strafrechts, sondern des Kriegsrechts. Die
Gefangenschaft ist Kriegsgefangenschaft, nicht Strafgefängniß. Vgl. oben zu § 130.

143.

Der einheimische Stat ist jeder Zeit berechtigt, der exterritorialen
Person aus erheblichen Gründen das Gastrecht und damit die Fortdauer
der Exterritorialität zu kündigen.

Die Kündigung darf nicht auf einen kürzeren Termin gestellt wer-
den, als es dem Exterritorialen möglich ist, mit Sicherheit das Land zu
verlassen.

Vgl. oben zu § 130.

Drittes Buch.
ten Lords von England der Satz ausgeſprochen, daß ein fremder Souverän, wenn
er vor einem engliſchen Gerichte eine Klage verfolge, jedem andern Privatkläger gleich
zu behandeln, alſo je nach Erforderniß der Sache ihm auch der Eid aufzulegen ſei.
(Proceß zwiſchen dem Könige von Spanien und dem Hauſe Hullet and Widder.
Aug. 1833. Phillimore II. App. IV. 3.) Auf eine Widerklage dagegen braucht
ſich der Exterritoriale nicht einzulaſſen, weil dieſelbe eine Klage iſt, und alle Gründe,
welche gegen die Zulaſſung von Klagen ſprechen, auch auf die Widerklage paſſen.

141.

Die exterritoriale Perſon iſt der Strafgerichtsbarkeit des einheimiſchen
States nicht unterworfen. Dieſer Stat hat aber das Recht, theils die
nöthigen Maßregeln zu ergreifen, um ein Vergehen des Exterritorialen zu
verhindern, theils von dem State des Exterritorialen Genugthuung zu for-
dern, wenn dieſer die Rechtsordnung des Landes in einer Weiſe verletzt,
welche an ſich zu ſtrafgerichtlicher Verfolgung berechtigt.

Auch dieſe Beſtimmung, welche durch den allgemeinen Gebrauch der civiliſir-
ten Völker beſtätigt wird, iſt ſinguläres Recht, weil dieſelbe die an ſich berechtigte
Wirkſamkeit der Strafrechtspflege hemmt. Es verhält ſich damit ähnlich wie mit
der ſtatsrechtlichen Unverantwortlichkeit der Souveräne. Aber es iſt zweckmäßig,
daran zu erinnern, daß es gefährlich iſt, die Haltbarkeit ſolcher Rechtsfictionen auf
eine zu harte Probe zu ſetzen.

142.

Wenn die exterritoriale Perſon in dem Lande feindliche Handlungen
verübt, ſo darf ſie von der einheimiſchen Regierung als Feind erklärt und
behandelt und im Nothfall gefangen genommen werden.

Das iſt nicht Anwendung des Strafrechts, ſondern des Kriegsrechts. Die
Gefangenſchaft iſt Kriegsgefangenſchaft, nicht Strafgefängniß. Vgl. oben zu § 130.

143.

Der einheimiſche Stat iſt jeder Zeit berechtigt, der exterritorialen
Perſon aus erheblichen Gründen das Gaſtrecht und damit die Fortdauer
der Exterritorialität zu kündigen.

Die Kündigung darf nicht auf einen kürzeren Termin geſtellt wer-
den, als es dem Exterritorialen möglich iſt, mit Sicherheit das Land zu
verlaſſen.

Vgl. oben zu § 130.

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[120/0142] Drittes Buch. ten Lords von England der Satz ausgeſprochen, daß ein fremder Souverän, wenn er vor einem engliſchen Gerichte eine Klage verfolge, jedem andern Privatkläger gleich zu behandeln, alſo je nach Erforderniß der Sache ihm auch der Eid aufzulegen ſei. (Proceß zwiſchen dem Könige von Spanien und dem Hauſe Hullet and Widder. Aug. 1833. Phillimore II. App. IV. 3.) Auf eine Widerklage dagegen braucht ſich der Exterritoriale nicht einzulaſſen, weil dieſelbe eine Klage iſt, und alle Gründe, welche gegen die Zulaſſung von Klagen ſprechen, auch auf die Widerklage paſſen. 141. Die exterritoriale Perſon iſt der Strafgerichtsbarkeit des einheimiſchen States nicht unterworfen. Dieſer Stat hat aber das Recht, theils die nöthigen Maßregeln zu ergreifen, um ein Vergehen des Exterritorialen zu verhindern, theils von dem State des Exterritorialen Genugthuung zu for- dern, wenn dieſer die Rechtsordnung des Landes in einer Weiſe verletzt, welche an ſich zu ſtrafgerichtlicher Verfolgung berechtigt. Auch dieſe Beſtimmung, welche durch den allgemeinen Gebrauch der civiliſir- ten Völker beſtätigt wird, iſt ſinguläres Recht, weil dieſelbe die an ſich berechtigte Wirkſamkeit der Strafrechtspflege hemmt. Es verhält ſich damit ähnlich wie mit der ſtatsrechtlichen Unverantwortlichkeit der Souveräne. Aber es iſt zweckmäßig, daran zu erinnern, daß es gefährlich iſt, die Haltbarkeit ſolcher Rechtsfictionen auf eine zu harte Probe zu ſetzen. 142. Wenn die exterritoriale Perſon in dem Lande feindliche Handlungen verübt, ſo darf ſie von der einheimiſchen Regierung als Feind erklärt und behandelt und im Nothfall gefangen genommen werden. Das iſt nicht Anwendung des Strafrechts, ſondern des Kriegsrechts. Die Gefangenſchaft iſt Kriegsgefangenſchaft, nicht Strafgefängniß. Vgl. oben zu § 130. 143. Der einheimiſche Stat iſt jeder Zeit berechtigt, der exterritorialen Perſon aus erheblichen Gründen das Gaſtrecht und damit die Fortdauer der Exterritorialität zu kündigen. Die Kündigung darf nicht auf einen kürzeren Termin geſtellt wer- den, als es dem Exterritorialen möglich iſt, mit Sicherheit das Land zu verlaſſen. Vgl. oben zu § 130.

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/142>, abgerufen am 21.11.2024.