Dem Souverän steht es jeder Zeit zu, das Amt in fremdem State wieder zurückzugeben und seine souveräne Stellung wieder geltend zu machen. Ebenso steht es der fremden Statsgewalt frei, ihm das Amt ohne Verzug wieder abzunehmen.
Vgl. darüber die vorige Anmerkung. Kommt es wirklich zum Conflict, so ist derselbe dadurch zu beseitigen, daß der Fürst entweder sich auf seine völker- rechtliche Stellung zurückzieht, indem er das fremde Statsamt niederlegt, oder daß ihm das letztere abgenommen und er auf die völkerrechtliche Stellung zurückgewiesen wird. Allerdings läßt sich auch das Gegentheil als Lösung den- ken, das Aufgeben der souveränen Stellung und das volle Uebergehen in den frem- den Statsdienst. Dann wird aber der Fürst Privatmann und kommt nicht mehr als souveräne Person in Betracht.
133.
Reist ein Souverän incognito in fremdem Lande, so wird seine souveräne Eigenschaft ignorirt und er als Privatperson behandelt. Im Nothfall aber kann er das Incognito ablegen und sich als Souverän zu erkennen geben. Von da an kann er die Rechte eines Souveräns an- sprechen.
Ein bekannter Fall ist die Reise des Czars Peter von Rußland incognito im Gefolge seiner Gesantschaft nach Berlin.
134.
Wenn der Präsident einer Republik in fremdem Lande reist, so wird er in der Regel als Privatperson betrachtet und behandelt.
Insofern er aber daselbst als Repräsentant seines States auftritt, hat er dieselbe Befreiung von der fremden Statsgewalt anzusprechen, wie ein Souverän in fremdem Lande.
Regel und Ausnahme drehen sich um, je nachdem dem Statshaupt persön- liche Souveränetät oder nur repräsentative Darstellung der Stats- souveränetät zugeschrieben wird. In der Monarchie ist die souveräne Erscheinung die Regel, die Erscheinung als Privatperson die Ausnahme. In der Republik ist diese die Regel und jene die Ausnahme. Vgl. oben zu § 128. Der Unterschied der monarchischen und der republikanischen Verfassung begründet keinen Unterschied in den Rechten und Pflichten des völkerrechtlichen Verkehrs, der durch die Statshäupter vermittelt wird.
8*
Völkerrechtliche Organe.
132.
Dem Souverän ſteht es jeder Zeit zu, das Amt in fremdem State wieder zurückzugeben und ſeine ſouveräne Stellung wieder geltend zu machen. Ebenſo ſteht es der fremden Statsgewalt frei, ihm das Amt ohne Verzug wieder abzunehmen.
Vgl. darüber die vorige Anmerkung. Kommt es wirklich zum Conflict, ſo iſt derſelbe dadurch zu beſeitigen, daß der Fürſt entweder ſich auf ſeine völker- rechtliche Stellung zurückzieht, indem er das fremde Statsamt niederlegt, oder daß ihm das letztere abgenommen und er auf die völkerrechtliche Stellung zurückgewieſen wird. Allerdings läßt ſich auch das Gegentheil als Löſung den- ken, das Aufgeben der ſouveränen Stellung und das volle Uebergehen in den frem- den Statsdienſt. Dann wird aber der Fürſt Privatmann und kommt nicht mehr als ſouveräne Perſon in Betracht.
133.
Reist ein Souverän incognito in fremdem Lande, ſo wird ſeine ſouveräne Eigenſchaft ignorirt und er als Privatperſon behandelt. Im Nothfall aber kann er das Incognito ablegen und ſich als Souverän zu erkennen geben. Von da an kann er die Rechte eines Souveräns an- ſprechen.
Ein bekannter Fall iſt die Reiſe des Czars Peter von Rußland incognito im Gefolge ſeiner Geſantſchaft nach Berlin.
134.
Wenn der Präſident einer Republik in fremdem Lande reiſt, ſo wird er in der Regel als Privatperſon betrachtet und behandelt.
Inſofern er aber daſelbſt als Repräſentant ſeines States auftritt, hat er dieſelbe Befreiung von der fremden Statsgewalt anzuſprechen, wie ein Souverän in fremdem Lande.
Regel und Ausnahme drehen ſich um, je nachdem dem Statshaupt perſön- liche Souveränetät oder nur repräſentative Darſtellung der Stats- ſouveränetät zugeſchrieben wird. In der Monarchie iſt die ſouveräne Erſcheinung die Regel, die Erſcheinung als Privatperſon die Ausnahme. In der Republik iſt dieſe die Regel und jene die Ausnahme. Vgl. oben zu § 128. Der Unterſchied der monarchiſchen und der republikaniſchen Verfaſſung begründet keinen Unterſchied in den Rechten und Pflichten des völkerrechtlichen Verkehrs, der durch die Statshäupter vermittelt wird.
8*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><pbfacs="#f0137"n="115"/><fwplace="top"type="header">Völkerrechtliche Organe.</fw><lb/><divn="5"><head>132.</head><lb/><p>Dem Souverän ſteht es jeder Zeit zu, das Amt in fremdem State<lb/>
wieder zurückzugeben und ſeine ſouveräne Stellung wieder geltend zu<lb/>
machen. Ebenſo ſteht es der fremden Statsgewalt frei, ihm das Amt<lb/>
ohne Verzug wieder abzunehmen.</p><lb/><p>Vgl. darüber die vorige Anmerkung. Kommt es wirklich zum Conflict, ſo<lb/>
iſt derſelbe dadurch zu beſeitigen, daß der Fürſt entweder ſich auf ſeine <hirendition="#g">völker-<lb/>
rechtliche Stellung zurückzieht</hi>, indem er das fremde Statsamt niederlegt,<lb/>
oder daß ihm das letztere abgenommen und er auf die völkerrechtliche Stellung<lb/><hirendition="#g">zurückgewieſen</hi> wird. Allerdings läßt ſich auch das Gegentheil als Löſung den-<lb/>
ken, das Aufgeben der ſouveränen Stellung und das volle Uebergehen in den frem-<lb/>
den Statsdienſt. Dann wird aber der Fürſt Privatmann und kommt nicht mehr<lb/>
als ſouveräne Perſon in Betracht.</p></div><lb/><divn="5"><head>133.</head><lb/><p>Reist ein Souverän incognito in fremdem Lande, ſo wird ſeine<lb/>ſouveräne Eigenſchaft ignorirt und er als Privatperſon behandelt. Im<lb/>
Nothfall aber kann er das Incognito ablegen und ſich als Souverän zu<lb/>
erkennen geben. Von da an kann er die Rechte eines Souveräns an-<lb/>ſprechen.</p><lb/><p>Ein bekannter Fall iſt die Reiſe des <hirendition="#g">Czars Peter</hi> von Rußland incognito<lb/>
im Gefolge ſeiner Geſantſchaft nach Berlin.</p></div><lb/><divn="5"><head>134.</head><lb/><p>Wenn der Präſident einer Republik in fremdem Lande reiſt, ſo wird<lb/>
er in der Regel als Privatperſon betrachtet und behandelt.</p><lb/><p>Inſofern er aber daſelbſt als Repräſentant ſeines States auftritt,<lb/>
hat er dieſelbe Befreiung von der fremden Statsgewalt anzuſprechen, wie<lb/>
ein Souverän in fremdem Lande.</p><lb/><p>Regel und Ausnahme drehen ſich um, je nachdem dem Statshaupt <hirendition="#g">perſön-<lb/>
liche Souveränetät</hi> oder nur <hirendition="#g">repräſentative Darſtellung der Stats-<lb/>ſouveränetät</hi> zugeſchrieben wird. In der <hirendition="#g">Monarchie</hi> iſt die <hirendition="#g">ſouveräne</hi><lb/>
Erſcheinung die Regel, die Erſcheinung als <hirendition="#g">Privatperſon</hi> die Ausnahme. In<lb/>
der <hirendition="#g">Republik</hi> iſt dieſe die Regel und jene die Ausnahme. Vgl. oben zu § 128.<lb/>
Der Unterſchied der monarchiſchen und der republikaniſchen Verfaſſung begründet<lb/>
keinen Unterſchied in den Rechten und Pflichten des völkerrechtlichen Verkehrs, der<lb/>
durch die Statshäupter vermittelt wird.</p></div></div><lb/><fwplace="bottom"type="sig">8*</fw><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[115/0137]
Völkerrechtliche Organe.
132.
Dem Souverän ſteht es jeder Zeit zu, das Amt in fremdem State
wieder zurückzugeben und ſeine ſouveräne Stellung wieder geltend zu
machen. Ebenſo ſteht es der fremden Statsgewalt frei, ihm das Amt
ohne Verzug wieder abzunehmen.
Vgl. darüber die vorige Anmerkung. Kommt es wirklich zum Conflict, ſo
iſt derſelbe dadurch zu beſeitigen, daß der Fürſt entweder ſich auf ſeine völker-
rechtliche Stellung zurückzieht, indem er das fremde Statsamt niederlegt,
oder daß ihm das letztere abgenommen und er auf die völkerrechtliche Stellung
zurückgewieſen wird. Allerdings läßt ſich auch das Gegentheil als Löſung den-
ken, das Aufgeben der ſouveränen Stellung und das volle Uebergehen in den frem-
den Statsdienſt. Dann wird aber der Fürſt Privatmann und kommt nicht mehr
als ſouveräne Perſon in Betracht.
133.
Reist ein Souverän incognito in fremdem Lande, ſo wird ſeine
ſouveräne Eigenſchaft ignorirt und er als Privatperſon behandelt. Im
Nothfall aber kann er das Incognito ablegen und ſich als Souverän zu
erkennen geben. Von da an kann er die Rechte eines Souveräns an-
ſprechen.
Ein bekannter Fall iſt die Reiſe des Czars Peter von Rußland incognito
im Gefolge ſeiner Geſantſchaft nach Berlin.
134.
Wenn der Präſident einer Republik in fremdem Lande reiſt, ſo wird
er in der Regel als Privatperſon betrachtet und behandelt.
Inſofern er aber daſelbſt als Repräſentant ſeines States auftritt,
hat er dieſelbe Befreiung von der fremden Statsgewalt anzuſprechen, wie
ein Souverän in fremdem Lande.
Regel und Ausnahme drehen ſich um, je nachdem dem Statshaupt perſön-
liche Souveränetät oder nur repräſentative Darſtellung der Stats-
ſouveränetät zugeſchrieben wird. In der Monarchie iſt die ſouveräne
Erſcheinung die Regel, die Erſcheinung als Privatperſon die Ausnahme. In
der Republik iſt dieſe die Regel und jene die Ausnahme. Vgl. oben zu § 128.
Der Unterſchied der monarchiſchen und der republikaniſchen Verfaſſung begründet
keinen Unterſchied in den Rechten und Pflichten des völkerrechtlichen Verkehrs, der
durch die Statshäupter vermittelt wird.
8*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/137>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.