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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868.

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Drittes Buch.
a) daselbst als souveräne Personen bekannt und anerkannt sind,
b) als ihnen der Eintritt in das fremde Land nicht untersagt wor-
den ist, oder sie nicht gemahnt worden sind, dasselbe wieder zu
verlassen,
c) als die beiden Staten sich im Frieden mit einander befinden.

Zu a) Wenn ein Souverän, während er in fremdem Lande ist, entthront
wird, so kann ihm auch der Stat seines Aufenthaltsorts die Anerkennung entziehn
und er ist nachher als Privatperson zu betrachten. Wenn ein Fürst nach seiner
Entthronung oder nach seiner Abdankung in ein fremdes Land zieht und daher nicht
mehr berechtigt erscheint, den Stat zu repräsentiren, so hat er auch kein Recht auf
diese Ausnahmsstellung. Als die Exkönigin Christine von Schweden in Frank-
reich ihren Diener Monaldeschi tödten ließ (1657), war sie dafür den französischen
Gerichten verantwortlich, wenn gleich die französische Regierung sich darauf beschränkte,
sie deßhalb aus Frankreich zu verweisen. Auch die Königin Marie Stuart war schon
Jahre lang von England nicht mehr als Königin von Schottland anerkannt, als
ihr der Proceß gemacht wurde.

Zu b) Jeder Stat ist zunächst ausschließlich Herr seines Gebietes und braucht
daher nicht zu dulden, daß sich in demselben ein fremder Souverän gegen seinen
Willen festsetze
. Er kann daher demselben je nach Umständen den Eintritt in
das Land verweigern, ohne eine Rechtsverletzung zu begehen und er kann denselben
zum Austritt anhalten. Je nach Umständen kann aber darin nicht bloß eine Un-
freundlichkeit, sondern sogar eine Beleidigung erkannt werden, wenn solches in der
Absicht geschieht, die Ehre des betreffenden Stats oder seines Fürsten zu verletzen.

Zu c) Im Kriege kann der fremde Souverän, der als Feind zu betrachten ist,
gefangen gesetzt werden. Die Gefangennahme des Kurfürsten von Hessen durch
Preußen im Jahr 1866 war nicht, wie es in dem Manifest des Herzogs von Nassau
vom 15. Juli heißt "ein in der Geschichte der Civilisation einzig dastehendes Beispiel".
Die Beispiele von kriegsgefangenen Fürsten sind in der europäischen und in der
deutschen Geschichte nicht selten. Die Kriegsgefangenschaft des Kaisers Napoleon I.
ist noch in frischer Erinnerung der Mitlebenden. Vgl. unten § 142. 143.

131.

Wenn ein Souverän in einem fremden State ein Amt annimmt,
so wird er durch das Amt dem fremden State verpflichtet. Er ist ver-
bunden, so lange er das Amt bekleidet, alle Pflichten desselben auszuüben
und bleibt insofern der fremden Statsgewalt untergeordnet.

In dieser Lage sind einzelne deutsche Fürsten, welche zugleich als Ge-
nerale in der Preußischen Armee dienen. Freilich ist hier leicht ein Conflict möglich
zwischen der statsrechtlichen Amtspflicht und der völkerrechtlichen
Selbständigkeit
, dessen Lösung in Art. 132 gegeben wird.

Drittes Buch.
a) daſelbſt als ſouveräne Perſonen bekannt und anerkannt ſind,
b) als ihnen der Eintritt in das fremde Land nicht unterſagt wor-
den iſt, oder ſie nicht gemahnt worden ſind, dasſelbe wieder zu
verlaſſen,
c) als die beiden Staten ſich im Frieden mit einander befinden.

Zu a) Wenn ein Souverän, während er in fremdem Lande iſt, entthront
wird, ſo kann ihm auch der Stat ſeines Aufenthaltsorts die Anerkennung entziehn
und er iſt nachher als Privatperſon zu betrachten. Wenn ein Fürſt nach ſeiner
Entthronung oder nach ſeiner Abdankung in ein fremdes Land zieht und daher nicht
mehr berechtigt erſcheint, den Stat zu repräſentiren, ſo hat er auch kein Recht auf
dieſe Ausnahmsſtellung. Als die Exkönigin Chriſtine von Schweden in Frank-
reich ihren Diener Monaldeschi tödten ließ (1657), war ſie dafür den franzöſiſchen
Gerichten verantwortlich, wenn gleich die franzöſiſche Regierung ſich darauf beſchränkte,
ſie deßhalb aus Frankreich zu verweiſen. Auch die Königin Marie Stuart war ſchon
Jahre lang von England nicht mehr als Königin von Schottland anerkannt, als
ihr der Proceß gemacht wurde.

Zu b) Jeder Stat iſt zunächſt ausſchließlich Herr ſeines Gebietes und braucht
daher nicht zu dulden, daß ſich in demſelben ein fremder Souverän gegen ſeinen
Willen feſtſetze
. Er kann daher demſelben je nach Umſtänden den Eintritt in
das Land verweigern, ohne eine Rechtsverletzung zu begehen und er kann denſelben
zum Austritt anhalten. Je nach Umſtänden kann aber darin nicht bloß eine Un-
freundlichkeit, ſondern ſogar eine Beleidigung erkannt werden, wenn ſolches in der
Abſicht geſchieht, die Ehre des betreffenden Stats oder ſeines Fürſten zu verletzen.

Zu c) Im Kriege kann der fremde Souverän, der als Feind zu betrachten iſt,
gefangen geſetzt werden. Die Gefangennahme des Kurfürſten von Heſſen durch
Preußen im Jahr 1866 war nicht, wie es in dem Manifeſt des Herzogs von Naſſau
vom 15. Juli heißt „ein in der Geſchichte der Civiliſation einzig daſtehendes Beiſpiel“.
Die Beiſpiele von kriegsgefangenen Fürſten ſind in der europäiſchen und in der
deutſchen Geſchichte nicht ſelten. Die Kriegsgefangenſchaft des Kaiſers Napoleon I.
iſt noch in friſcher Erinnerung der Mitlebenden. Vgl. unten § 142. 143.

131.

Wenn ein Souverän in einem fremden State ein Amt annimmt,
ſo wird er durch das Amt dem fremden State verpflichtet. Er iſt ver-
bunden, ſo lange er das Amt bekleidet, alle Pflichten desſelben auszuüben
und bleibt inſofern der fremden Statsgewalt untergeordnet.

In dieſer Lage ſind einzelne deutſche Fürſten, welche zugleich als Ge-
nerale in der Preußiſchen Armee dienen. Freilich iſt hier leicht ein Conflict möglich
zwiſchen der ſtatsrechtlichen Amtspflicht und der völkerrechtlichen
Selbſtändigkeit
, deſſen Löſung in Art. 132 gegeben wird.

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[114/0136] Drittes Buch. a) daſelbſt als ſouveräne Perſonen bekannt und anerkannt ſind, b) als ihnen der Eintritt in das fremde Land nicht unterſagt wor- den iſt, oder ſie nicht gemahnt worden ſind, dasſelbe wieder zu verlaſſen, c) als die beiden Staten ſich im Frieden mit einander befinden. Zu a) Wenn ein Souverän, während er in fremdem Lande iſt, entthront wird, ſo kann ihm auch der Stat ſeines Aufenthaltsorts die Anerkennung entziehn und er iſt nachher als Privatperſon zu betrachten. Wenn ein Fürſt nach ſeiner Entthronung oder nach ſeiner Abdankung in ein fremdes Land zieht und daher nicht mehr berechtigt erſcheint, den Stat zu repräſentiren, ſo hat er auch kein Recht auf dieſe Ausnahmsſtellung. Als die Exkönigin Chriſtine von Schweden in Frank- reich ihren Diener Monaldeschi tödten ließ (1657), war ſie dafür den franzöſiſchen Gerichten verantwortlich, wenn gleich die franzöſiſche Regierung ſich darauf beſchränkte, ſie deßhalb aus Frankreich zu verweiſen. Auch die Königin Marie Stuart war ſchon Jahre lang von England nicht mehr als Königin von Schottland anerkannt, als ihr der Proceß gemacht wurde. Zu b) Jeder Stat iſt zunächſt ausſchließlich Herr ſeines Gebietes und braucht daher nicht zu dulden, daß ſich in demſelben ein fremder Souverän gegen ſeinen Willen feſtſetze. Er kann daher demſelben je nach Umſtänden den Eintritt in das Land verweigern, ohne eine Rechtsverletzung zu begehen und er kann denſelben zum Austritt anhalten. Je nach Umſtänden kann aber darin nicht bloß eine Un- freundlichkeit, ſondern ſogar eine Beleidigung erkannt werden, wenn ſolches in der Abſicht geſchieht, die Ehre des betreffenden Stats oder ſeines Fürſten zu verletzen. Zu c) Im Kriege kann der fremde Souverän, der als Feind zu betrachten iſt, gefangen geſetzt werden. Die Gefangennahme des Kurfürſten von Heſſen durch Preußen im Jahr 1866 war nicht, wie es in dem Manifeſt des Herzogs von Naſſau vom 15. Juli heißt „ein in der Geſchichte der Civiliſation einzig daſtehendes Beiſpiel“. Die Beiſpiele von kriegsgefangenen Fürſten ſind in der europäiſchen und in der deutſchen Geſchichte nicht ſelten. Die Kriegsgefangenſchaft des Kaiſers Napoleon I. iſt noch in friſcher Erinnerung der Mitlebenden. Vgl. unten § 142. 143. 131. Wenn ein Souverän in einem fremden State ein Amt annimmt, ſo wird er durch das Amt dem fremden State verpflichtet. Er iſt ver- bunden, ſo lange er das Amt bekleidet, alle Pflichten desſelben auszuüben und bleibt inſofern der fremden Statsgewalt untergeordnet. In dieſer Lage ſind einzelne deutſche Fürſten, welche zugleich als Ge- nerale in der Preußiſchen Armee dienen. Freilich iſt hier leicht ein Conflict möglich zwiſchen der ſtatsrechtlichen Amtspflicht und der völkerrechtlichen Selbſtändigkeit, deſſen Löſung in Art. 132 gegeben wird.

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/136>, abgerufen am 21.11.2024.