Die Versuche, auf dem Aachener Congresse diese Dinge genauer völkerrechtlich zu ordnen, sind an den Schwierigkeiten gescheitert, welche die Eitelkeit und die höfi- schen Sitten jeder Uebereinkunft der Art in den Weg stellen.
Besondere Verträge und Gebräuche finden z. B. Statt in einzelnen Ländern bezüglich des Schiffsgrußes. Vgl. Phillimore, Intern. Law. Bd. II. § 34 ff.
91.
Die Verwantschaft der Souveräne ändert das Rangverhältniß der- selben nicht.
Protokoll des Wiener Congresses vom 19. März 1815. Art. V.: "Les liens de parente ou d'alliance de famille entre les Cours ne donnent aucun rang a leurs employes diplomatiques. Il en est de meme des alliances politiques".
92.
Halbsouveräne Staten (Vasallenstaten, Schutzstaten, abhängige Ein- zelstaten) stehen jederzeit im Rang den übergeordneten oberherrlichen Sta- ten, (Schutzmächten, Gesammtstaten oder Hauptstaten) nach.
Da die Unterordnung jener Staten unter diese sogar eine statsrechtliche ist, so folgt die Ueberordnung dieser Staten im Rang von selber daraus. Es gilt das z. B. von den Moldauischen Fürstenthümern im Verhältniß zur Türkei, aber auch von Pennsylvanien gegenüber den Vereinigten Staten und von Sachsen gegenüber dem Norddeutschen Bunde.
93.
Gegenüber dritten Staten nimmt der halbsouveräne Stat diejenige Stellung ein, welche ihm seinem anerkannten Titel oder seiner anerkannten Bedeutung in der Statenfamilie gemäß zukommt, neben und gleich voll- souveränen Staten.
Der Grund liegt in der Regel der Gleichheit, welche überall eintritt, wo keine besonderen Gründe einen Unterschied rechtfertigen. Den dritten Staten gegenüber besteht keine Unterordnung, und daher ist auch der gleiche Rang am Platz. Wenn also z. B. Virginien mit Brasilien einen Vertrag schließt, oder Sachsen mit Oesterreich, so ist der Umstand, daß jenes zu den Vereinigten Staten, dieses zu dem Deutschen Nordbunde gehört, nur erheblich im Verhältniß zu der Bundes- gewalt, aber nicht erheblich für die Rangstellung gegenüber dem auswärtigen State.
94.
Die Rangerhöhung eines States bedarf, um allseitig zu wirken, der
Völkerrechtliche Perſonen.
Die Verſuche, auf dem Aachener Congreſſe dieſe Dinge genauer völkerrechtlich zu ordnen, ſind an den Schwierigkeiten geſcheitert, welche die Eitelkeit und die höfi- ſchen Sitten jeder Uebereinkunft der Art in den Weg ſtellen.
Beſondere Verträge und Gebräuche finden z. B. Statt in einzelnen Ländern bezüglich des Schiffsgrußes. Vgl. Phillimore, Intern. Law. Bd. II. § 34 ff.
91.
Die Verwantſchaft der Souveräne ändert das Rangverhältniß der- ſelben nicht.
Protokoll des Wiener Congreſſes vom 19. März 1815. Art. V.: „Les liens de parenté ou d’alliance de famille entre les Cours ne donnent aucun rang à leurs employés diplomatiques. Il en est de même des alliances politiques“.
92.
Halbſouveräne Staten (Vaſallenſtaten, Schutzſtaten, abhängige Ein- zelſtaten) ſtehen jederzeit im Rang den übergeordneten oberherrlichen Sta- ten, (Schutzmächten, Geſammtſtaten oder Hauptſtaten) nach.
Da die Unterordnung jener Staten unter dieſe ſogar eine ſtatsrechtliche iſt, ſo folgt die Ueberordnung dieſer Staten im Rang von ſelber daraus. Es gilt das z. B. von den Moldauiſchen Fürſtenthümern im Verhältniß zur Türkei, aber auch von Pennſylvanien gegenüber den Vereinigten Staten und von Sachſen gegenüber dem Norddeutſchen Bunde.
93.
Gegenüber dritten Staten nimmt der halbſouveräne Stat diejenige Stellung ein, welche ihm ſeinem anerkannten Titel oder ſeiner anerkannten Bedeutung in der Statenfamilie gemäß zukommt, neben und gleich voll- ſouveränen Staten.
Der Grund liegt in der Regel der Gleichheit, welche überall eintritt, wo keine beſonderen Gründe einen Unterſchied rechtfertigen. Den dritten Staten gegenüber beſteht keine Unterordnung, und daher iſt auch der gleiche Rang am Platz. Wenn alſo z. B. Virginien mit Braſilien einen Vertrag ſchließt, oder Sachſen mit Oeſterreich, ſo iſt der Umſtand, daß jenes zu den Vereinigten Staten, dieſes zu dem Deutſchen Nordbunde gehört, nur erheblich im Verhältniß zu der Bundes- gewalt, aber nicht erheblich für die Rangſtellung gegenüber dem auswärtigen State.
94.
Die Rangerhöhung eines States bedarf, um allſeitig zu wirken, der
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Völkerrechtliche Perſonen.
Die Verſuche, auf dem Aachener Congreſſe dieſe Dinge genauer völkerrechtlich
zu ordnen, ſind an den Schwierigkeiten geſcheitert, welche die Eitelkeit und die höfi-
ſchen Sitten jeder Uebereinkunft der Art in den Weg ſtellen.
Beſondere Verträge und Gebräuche finden z. B. Statt in einzelnen Ländern
bezüglich des Schiffsgrußes. Vgl. Phillimore, Intern. Law. Bd. II. § 34 ff.
91.
Die Verwantſchaft der Souveräne ändert das Rangverhältniß der-
ſelben nicht.
Protokoll des Wiener Congreſſes vom 19. März 1815. Art. V.: „Les
liens de parenté ou d’alliance de famille entre les Cours ne donnent aucun
rang à leurs employés diplomatiques. Il en est de même des alliances
politiques“.
92.
Halbſouveräne Staten (Vaſallenſtaten, Schutzſtaten, abhängige Ein-
zelſtaten) ſtehen jederzeit im Rang den übergeordneten oberherrlichen Sta-
ten, (Schutzmächten, Geſammtſtaten oder Hauptſtaten) nach.
Da die Unterordnung jener Staten unter dieſe ſogar eine ſtatsrechtliche iſt,
ſo folgt die Ueberordnung dieſer Staten im Rang von ſelber daraus. Es gilt das
z. B. von den Moldauiſchen Fürſtenthümern im Verhältniß zur Türkei, aber auch
von Pennſylvanien gegenüber den Vereinigten Staten und von Sachſen gegenüber
dem Norddeutſchen Bunde.
93.
Gegenüber dritten Staten nimmt der halbſouveräne Stat diejenige
Stellung ein, welche ihm ſeinem anerkannten Titel oder ſeiner anerkannten
Bedeutung in der Statenfamilie gemäß zukommt, neben und gleich voll-
ſouveränen Staten.
Der Grund liegt in der Regel der Gleichheit, welche überall eintritt, wo keine
beſonderen Gründe einen Unterſchied rechtfertigen. Den dritten Staten gegenüber
beſteht keine Unterordnung, und daher iſt auch der gleiche Rang am Platz. Wenn
alſo z. B. Virginien mit Braſilien einen Vertrag ſchließt, oder Sachſen mit
Oeſterreich, ſo iſt der Umſtand, daß jenes zu den Vereinigten Staten, dieſes zu
dem Deutſchen Nordbunde gehört, nur erheblich im Verhältniß zu der Bundes-
gewalt, aber nicht erheblich für die Rangſtellung gegenüber dem auswärtigen State.
94.
Die Rangerhöhung eines States bedarf, um allſeitig zu wirken, der
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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/117>, abgerufen am 22.02.2025.
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