Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868.Völkerrechtliche Personen. deutsche Reich diesen Charakter, bevor es seiner Auflösung entgegen ging, undheute noch das Türkische Osmanenreich. Der Norddeutsche Bund von 1867 läßt sich nicht unter einen dieser Begriffe unterbringen, indem er von allen drei Grundformen etwas an sich hat. Er ist geschichtlich aus einem Statenbund (dem deutschen Bund) durch die entscheidende Führung einer mächtigen Monarchie (des Preußischen Stats) und unter Einwirkung bundesstatlicher Ideen entstanden, und trägt überall die Spuren dieser Entstehung an sich. Er ist ein Compromiß der verschiedenen idealen und realen Mächte, so jedoch, daß immerhin die Natur des Statenreichs überwiegt. 71. Sowohl der Gesammtstat (der Statenverein) gilt völkerrechtlich als Die Souveränetät des Gesammtstates äußert sich innerhalb des ver- Die Persönlichkeit auch der Statenbünde zeigt sich deutlicher noch im Völker- 72. In den Bundesstaten und den Statenreichen wird die völkerrechtliche In der Schweiz werden die Verträge der Cantone unter sich Concordate 73. In den Statenbünden gehört die diplomatische Vertretung regelmäßig Völkerrechtliche Perſonen. deutſche Reich dieſen Charakter, bevor es ſeiner Auflöſung entgegen ging, undheute noch das Türkiſche Osmanenreich. Der Norddeutſche Bund von 1867 läßt ſich nicht unter einen dieſer Begriffe unterbringen, indem er von allen drei Grundformen etwas an ſich hat. Er iſt geſchichtlich aus einem Statenbund (dem deutſchen Bund) durch die entſcheidende Führung einer mächtigen Monarchie (des Preußiſchen Stats) und unter Einwirkung bundesſtatlicher Ideen entſtanden, und trägt überall die Spuren dieſer Entſtehung an ſich. Er iſt ein Compromiß der verſchiedenen idealen und realen Mächte, ſo jedoch, daß immerhin die Natur des Statenreichs überwiegt. 71. Sowohl der Geſammtſtat (der Statenverein) gilt völkerrechtlich als Die Souveränetät des Geſammtſtates äußert ſich innerhalb des ver- Die Perſönlichkeit auch der Statenbünde zeigt ſich deutlicher noch im Völker- 72. In den Bundesſtaten und den Statenreichen wird die völkerrechtliche In der Schweiz werden die Verträge der Cantone unter ſich Concordate 73. In den Statenbünden gehört die diplomatiſche Vertretung regelmäßig <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <p><pb facs="#f0109" n="87"/><fw place="top" type="header">Völkerrechtliche Perſonen.</fw><lb/><hi rendition="#g">deutſche Reich</hi> dieſen Charakter, bevor es ſeiner Auflöſung entgegen ging, und<lb/> heute noch das <hi rendition="#g">Türkiſche Osmanenreich</hi>. Der <hi rendition="#g">Norddeutſche Bund</hi> von<lb/> 1867 läßt ſich nicht unter einen dieſer Begriffe unterbringen, indem er von allen<lb/> drei Grundformen etwas an ſich hat. 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Völkerrechtliche Perſonen.
deutſche Reich dieſen Charakter, bevor es ſeiner Auflöſung entgegen ging, und
heute noch das Türkiſche Osmanenreich. Der Norddeutſche Bund von
1867 läßt ſich nicht unter einen dieſer Begriffe unterbringen, indem er von allen
drei Grundformen etwas an ſich hat. Er iſt geſchichtlich aus einem Statenbund
(dem deutſchen Bund) durch die entſcheidende Führung einer mächtigen Monarchie
(des Preußiſchen Stats) und unter Einwirkung bundesſtatlicher Ideen entſtanden,
und trägt überall die Spuren dieſer Entſtehung an ſich. Er iſt ein Compromiß
der verſchiedenen idealen und realen Mächte, ſo jedoch, daß immerhin die Natur
des Statenreichs überwiegt.
71.
Sowohl der Geſammtſtat (der Statenverein) gilt völkerrechtlich als
Statsperſon als die Einzelſtaten.
Die Souveränetät des Geſammtſtates äußert ſich innerhalb des ver-
faſſungsmäßigen Bereiches der Geſammtheit und die der Einzelſtaten in
den Sonderangelegenheiten des einzelnen Landes.
Die Perſönlichkeit auch der Statenbünde zeigt ſich deutlicher noch im Völker-
recht als im Statsrecht. Die ſchweizeriſche Eidgenoſſenſchaft galt im europäiſchen Staten-
ſyſtem während Jahrhunderten als Ein Statsweſen, obwohl ſie in ſich ſelbſt
durchaus nicht als Stat organiſirt, ſondern nur ein dauernder Verband von ſouveränen
Staten war.
72.
In den Bundesſtaten und den Statenreichen wird die völkerrechtliche
Vertretung nach außen regelmäßig durch die Bundes- oder Reichsgewalt
beſtimmt und beſorgt. Indeſſen ſind auch Verträge der Einzelſtaaten unter
ſich oder mit fremden Staten zuläſſig, wenn gleich in den Schranken der
Verfaſſung und unter Aufſicht des Geſammtſtats.
In der Schweiz werden die Verträge der Cantone unter ſich Concordate
genannt. Der intercantonale Charakter derſelben iſt analog dem völkerrechtlichen der
Verträge unter fremden Staten, wird aber dadurch modificirt, daß die Cantone hin-
wieder bundesſtatlich verbunden ſind und daher der Bund eine Aufſicht über die
Concordate übt und dieſelben unter ſeinen Schutz ſtellt.
73.
In den Statenbünden gehört die diplomatiſche Vertretung regelmäßig
der Regierung der Einzelſtaten zu. Indeſſen iſt auch die Geſammtheit be-
rechtigt, ſich als Eine zuſammengeſetzte Statsperſon vertreten zu laſſen und
Verträge abzuſchließen.
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