Achtzehntes Capitel. B. Die römische Aristokratie.
Die römische Republik war ihrem Grundcharakter nach ebenfalls eine Aristokratie, aber von höherer Art als die spartanische. Die Römer unterschieden scharf zwischen dem Rechte des States in öffentlichen Dingen und der Frei- heit der Individuen und Familien. Obwohl sie voraus für die Herrlichkeit und Macht des States den offensten Sinn und die groszartigste Hingebung hatten, so vermaszen sie sich doch nicht, das individuelle Leben gewaltsam mit der Stats- scheere zuzustutzen. Sodann hielten sie sich frei von jener künstlichen und beschränkten Abschlieszung gegen alles Fremde, welche zwar die nationale Tugend der Spartiaten für einige Zeit reiner erhielt, aber dieselben auch unfähig machte, die hervorragende Stellung in der äuszern Welt zu behaupten, zu welcher sie durch das Geschick berufen wurden. Endlich waren die Römer von Anfang an frei von jener Starrheit der ständischen Gegensätze, wie wir sie in Sparta gefunden. Die in dem römischen Volke vorhandenen Gegensätze standen nicht unbeweglich einander lähmend entgegen, sondern brachten gerade durch ihre Reibungen und Wechselwirkungen eine höhere Entwicklung des politischen Lebens hervor. Der römische Stat ist nicht minder ein Kunstwerk als der spartanische, aber einerseits der menschlichen Natur und den allgemeinen Welt- zuständen gemäszer, und andererseits durch Reichthum der Bildungen und Groszartigkeit der Verhältnisse vor dem letztern ausgezeichnet. Der römische Stat macht in hohem Masze einen organischen Eindruck.
Betrachten wir die römische Republik in ihren Haupt- zügen, so finden wir überall, wenn schon durch monarchische und demokratische Einrichtungen ermäszigt, den aristokra- tischen Charakter hervorragend. Es zeigt sich diesz 1) in
Sechstes Buch. Die Statsformen.
Achtzehntes Capitel. B. Die römische Aristokratie.
Die römische Republik war ihrem Grundcharakter nach ebenfalls eine Aristokratie, aber von höherer Art als die spartanische. Die Römer unterschieden scharf zwischen dem Rechte des States in öffentlichen Dingen und der Frei- heit der Individuen und Familien. Obwohl sie voraus für die Herrlichkeit und Macht des States den offensten Sinn und die groszartigste Hingebung hatten, so vermaszen sie sich doch nicht, das individuelle Leben gewaltsam mit der Stats- scheere zuzustutzen. Sodann hielten sie sich frei von jener künstlichen und beschränkten Abschlieszung gegen alles Fremde, welche zwar die nationale Tugend der Spartiaten für einige Zeit reiner erhielt, aber dieselben auch unfähig machte, die hervorragende Stellung in der äuszern Welt zu behaupten, zu welcher sie durch das Geschick berufen wurden. Endlich waren die Römer von Anfang an frei von jener Starrheit der ständischen Gegensätze, wie wir sie in Sparta gefunden. Die in dem römischen Volke vorhandenen Gegensätze standen nicht unbeweglich einander lähmend entgegen, sondern brachten gerade durch ihre Reibungen und Wechselwirkungen eine höhere Entwicklung des politischen Lebens hervor. Der römische Stat ist nicht minder ein Kunstwerk als der spartanische, aber einerseits der menschlichen Natur und den allgemeinen Welt- zuständen gemäszer, und andererseits durch Reichthum der Bildungen und Groszartigkeit der Verhältnisse vor dem letztern ausgezeichnet. Der römische Stat macht in hohem Masze einen organischen Eindruck.
Betrachten wir die römische Republik in ihren Haupt- zügen, so finden wir überall, wenn schon durch monarchische und demokratische Einrichtungen ermäszigt, den aristokra- tischen Charakter hervorragend. Es zeigt sich diesz 1) in
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Sechstes Buch. Die Statsformen.
Achtzehntes Capitel.
B. Die römische Aristokratie.
Die römische Republik war ihrem Grundcharakter
nach ebenfalls eine Aristokratie, aber von höherer Art als
die spartanische. Die Römer unterschieden scharf zwischen
dem Rechte des States in öffentlichen Dingen und der Frei-
heit der Individuen und Familien. Obwohl sie voraus für die
Herrlichkeit und Macht des States den offensten Sinn und
die groszartigste Hingebung hatten, so vermaszen sie sich
doch nicht, das individuelle Leben gewaltsam mit der Stats-
scheere zuzustutzen. Sodann hielten sie sich frei von jener
künstlichen und beschränkten Abschlieszung gegen alles Fremde,
welche zwar die nationale Tugend der Spartiaten für einige
Zeit reiner erhielt, aber dieselben auch unfähig machte, die
hervorragende Stellung in der äuszern Welt zu behaupten, zu
welcher sie durch das Geschick berufen wurden. Endlich
waren die Römer von Anfang an frei von jener Starrheit der
ständischen Gegensätze, wie wir sie in Sparta gefunden. Die
in dem römischen Volke vorhandenen Gegensätze standen
nicht unbeweglich einander lähmend entgegen, sondern brachten
gerade durch ihre Reibungen und Wechselwirkungen eine höhere
Entwicklung des politischen Lebens hervor. Der römische
Stat ist nicht minder ein Kunstwerk als der spartanische, aber
einerseits der menschlichen Natur und den allgemeinen Welt-
zuständen gemäszer, und andererseits durch Reichthum der
Bildungen und Groszartigkeit der Verhältnisse vor dem letztern
ausgezeichnet. Der römische Stat macht in hohem Masze einen
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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 508. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/526>, abgerufen am 03.12.2024.
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