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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.

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Zweites Capitel. A. Geschichtliche Entstehungsformen. I. Ursprüngliche.
Zweites Capitel.
A. Geschichtliche Entstehungsformen.
I. Ursprüngliche
.

1. Die originärste Statenbildung unter all den
mannichfaltigen Entstehungsformen ist in der Sage von der
Gründung Roms dargestellt. Alles ist hier neu, sowohl das
Volk, welches sich aus mancherlei Bruchstücken verschiede-
ner Volksstämme um gemeinsame Häuptlinge her einigt und
zum römischen Volke wird, als das unwirthliche und herren-
lose Land, welches in Besitz genommen und zu dem Boden
der ewigen Stadt bestimmt wird. In dieser Sage liegt der
Gedanke einer von Grund aus neuen Schöpfung. Die
Organisation der Menschenmenge zu einem statlichen Volke
geht der Festsetzung auf einem Statsgebiete nicht eine Weile
vorher, die Beziehung auf die Stadt ist ebenfalls ursprüng-
lich. Beide Momente treffen so in Eins zusammen, und die
neue Statengründung wird sofort durch die erbetene Gut-
heiszung der Götter geheiligt, und durch das von dem neuen
Könige dem geordneten Volke gegebene und von diesem ge-
billigte Gesetz statsrechtlich befestigt. Der schöpferische Geist
des Königs und der statliche Wille des Volks begegnen sich
in dem Statsgesetz als in einem einheitlichen Constitui-
rungsact
, 1 und der Stat ist da als das freie Werk des be-
wuszten Volkswillens
.

Ob diese Form eines schöpferischen Statsactes,

1 Leo, Weltgesch. I. 393. bezeichnet den "Vertrag" als das charak-
teristische Moment der Gründung Roms, und in der That erinnert die
alte Form der römischen Gesetzgebung an die gewöhnliche Form der
obligatorischen Verträge, an die stipulatio. Dessen ungeachtet ist das
römische Gesetz, wenn man auf das Wesen sieht, kein Vertrag zweier
selbständigen Personen, sondern ein einheitlicher Act des römischen
Volks.
Zweites Capitel. A. Geschichtliche Entstehungsformen. I. Ursprüngliche.
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A. Geschichtliche Entstehungsformen.
I. Ursprüngliche
.

1. Die originärste Statenbildung unter all den
mannichfaltigen Entstehungsformen ist in der Sage von der
Gründung Roms dargestellt. Alles ist hier neu, sowohl das
Volk, welches sich aus mancherlei Bruchstücken verschiede-
ner Volksstämme um gemeinsame Häuptlinge her einigt und
zum römischen Volke wird, als das unwirthliche und herren-
lose Land, welches in Besitz genommen und zu dem Boden
der ewigen Stadt bestimmt wird. In dieser Sage liegt der
Gedanke einer von Grund aus neuen Schöpfung. Die
Organisation der Menschenmenge zu einem statlichen Volke
geht der Festsetzung auf einem Statsgebiete nicht eine Weile
vorher, die Beziehung auf die Stadt ist ebenfalls ursprüng-
lich. Beide Momente treffen so in Eins zusammen, und die
neue Statengründung wird sofort durch die erbetene Gut-
heiszung der Götter geheiligt, und durch das von dem neuen
Könige dem geordneten Volke gegebene und von diesem ge-
billigte Gesetz statsrechtlich befestigt. Der schöpferische Geist
des Königs und der statliche Wille des Volks begegnen sich
in dem Statsgesetz als in einem einheitlichen Constitui-
rungsact
, 1 und der Stat ist da als das freie Werk des be-
wuszten Volkswillens
.

Ob diese Form eines schöpferischen Statsactes,

1 Leo, Weltgesch. I. 393. bezeichnet den „Vertrag“ als das charak-
teristische Moment der Gründung Roms, und in der That erinnert die
alte Form der römischen Gesetzgebung an die gewöhnliche Form der
obligatorischen Verträge, an die stipulatio. Dessen ungeachtet ist das
römische Gesetz, wenn man auf das Wesen sieht, kein Vertrag zweier
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Volks.
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[301/0319] Zweites Capitel. A. Geschichtliche Entstehungsformen. I. Ursprüngliche. Zweites Capitel. A. Geschichtliche Entstehungsformen. I. Ursprüngliche. 1. Die originärste Statenbildung unter all den mannichfaltigen Entstehungsformen ist in der Sage von der Gründung Roms dargestellt. Alles ist hier neu, sowohl das Volk, welches sich aus mancherlei Bruchstücken verschiede- ner Volksstämme um gemeinsame Häuptlinge her einigt und zum römischen Volke wird, als das unwirthliche und herren- lose Land, welches in Besitz genommen und zu dem Boden der ewigen Stadt bestimmt wird. In dieser Sage liegt der Gedanke einer von Grund aus neuen Schöpfung. Die Organisation der Menschenmenge zu einem statlichen Volke geht der Festsetzung auf einem Statsgebiete nicht eine Weile vorher, die Beziehung auf die Stadt ist ebenfalls ursprüng- lich. Beide Momente treffen so in Eins zusammen, und die neue Statengründung wird sofort durch die erbetene Gut- heiszung der Götter geheiligt, und durch das von dem neuen Könige dem geordneten Volke gegebene und von diesem ge- billigte Gesetz statsrechtlich befestigt. Der schöpferische Geist des Königs und der statliche Wille des Volks begegnen sich in dem Statsgesetz als in einem einheitlichen Constitui- rungsact, 1 und der Stat ist da als das freie Werk des be- wuszten Volkswillens. Ob diese Form eines schöpferischen Statsactes, 1 Leo, Weltgesch. I. 393. bezeichnet den „Vertrag“ als das charak- teristische Moment der Gründung Roms, und in der That erinnert die alte Form der römischen Gesetzgebung an die gewöhnliche Form der obligatorischen Verträge, an die stipulatio. Dessen ungeachtet ist das römische Gesetz, wenn man auf das Wesen sieht, kein Vertrag zweier selbständigen Personen, sondern ein einheitlicher Act des römischen Volks.

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/319>, abgerufen am 21.11.2024.