Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite
Viertes Buch.
Von der Entstehung und dem Untergang
des States.


Erstes Capitel.
Einleitung.

Die Frage nach der Entstehung des States läszt
sich von zwei verschiedenen Standpunkten aus stellen. Ent-
weder will man die Bedingungen und die Vorgänge prüfen,
unter denen die vorhandenen Staten entstanden sind. Oder
man fragt nach der nothwendigen Ursache, welche aller Staten-
bildung zu Grunde liegt, nach dem Rechtsgrunde des Stats.
Auf die erste Frage kann nur die Geschichte Antwort geben.
Die zweite Frage wird von der Speculation beantwortet. Die
Geschichte findet mannigfaltige Vorgänge, die sie beobachtet,
und unterscheidet daher verschiedene Erscheinungen und Ent-
stehungsformen. Die Speculation, von der Einheit des Stats-
begriffs ausgehend, verlangt auch Einheit der Begründung.

Ziehen wir vorerst die Geschichte zu Rathe, und ver-
trauen wir dann erst der philosophischen Betrachtung, wenn
wir die Erfahrung der Völker kennen.

Die Entstehung der ersten Staten ist älter als unsere
Wissenschaft der Geschichte. Diese ist erst zu einigem Be-

Viertes Buch.
Von der Entstehung und dem Untergang
des States.


Erstes Capitel.
Einleitung.

Die Frage nach der Entstehung des States läszt
sich von zwei verschiedenen Standpunkten aus stellen. Ent-
weder will man die Bedingungen und die Vorgänge prüfen,
unter denen die vorhandenen Staten entstanden sind. Oder
man fragt nach der nothwendigen Ursache, welche aller Staten-
bildung zu Grunde liegt, nach dem Rechtsgrunde des Stats.
Auf die erste Frage kann nur die Geschichte Antwort geben.
Die zweite Frage wird von der Speculation beantwortet. Die
Geschichte findet mannigfaltige Vorgänge, die sie beobachtet,
und unterscheidet daher verschiedene Erscheinungen und Ent-
stehungsformen. Die Speculation, von der Einheit des Stats-
begriffs ausgehend, verlangt auch Einheit der Begründung.

Ziehen wir vorerst die Geschichte zu Rathe, und ver-
trauen wir dann erst der philosophischen Betrachtung, wenn
wir die Erfahrung der Völker kennen.

Die Entstehung der ersten Staten ist älter als unsere
Wissenschaft der Geschichte. Diese ist erst zu einigem Be-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0316" n="298"/>
      <div n="1">
        <head>Viertes Buch.<lb/>
Von der Entstehung und dem Untergang<lb/>
des States.</head><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>Erstes Capitel.<lb/><hi rendition="#b">Einleitung</hi>.</head><lb/>
          <p>Die Frage nach der <hi rendition="#g">Entstehung des States</hi> läszt<lb/>
sich von zwei verschiedenen Standpunkten aus stellen. Ent-<lb/>
weder will man die Bedingungen und die Vorgänge prüfen,<lb/>
unter denen die vorhandenen Staten entstanden sind. Oder<lb/>
man fragt nach der nothwendigen Ursache, welche aller Staten-<lb/>
bildung zu Grunde liegt, nach dem Rechtsgrunde des Stats.<lb/>
Auf die erste Frage kann nur die Geschichte Antwort geben.<lb/>
Die zweite Frage wird von der Speculation beantwortet. Die<lb/>
Geschichte findet mannigfaltige Vorgänge, die sie beobachtet,<lb/>
und unterscheidet daher verschiedene Erscheinungen und Ent-<lb/>
stehungsformen. Die Speculation, von der Einheit des Stats-<lb/>
begriffs ausgehend, verlangt auch Einheit der Begründung.</p><lb/>
          <p>Ziehen wir vorerst die Geschichte zu Rathe, und ver-<lb/>
trauen wir dann erst der philosophischen Betrachtung, wenn<lb/>
wir die Erfahrung der Völker kennen.</p><lb/>
          <p>Die Entstehung der <hi rendition="#g">ersten Staten</hi> ist älter als unsere<lb/>
Wissenschaft der Geschichte. Diese ist erst zu einigem Be-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[298/0316] Viertes Buch. Von der Entstehung und dem Untergang des States. Erstes Capitel. Einleitung. Die Frage nach der Entstehung des States läszt sich von zwei verschiedenen Standpunkten aus stellen. Ent- weder will man die Bedingungen und die Vorgänge prüfen, unter denen die vorhandenen Staten entstanden sind. Oder man fragt nach der nothwendigen Ursache, welche aller Staten- bildung zu Grunde liegt, nach dem Rechtsgrunde des Stats. Auf die erste Frage kann nur die Geschichte Antwort geben. Die zweite Frage wird von der Speculation beantwortet. Die Geschichte findet mannigfaltige Vorgänge, die sie beobachtet, und unterscheidet daher verschiedene Erscheinungen und Ent- stehungsformen. Die Speculation, von der Einheit des Stats- begriffs ausgehend, verlangt auch Einheit der Begründung. Ziehen wir vorerst die Geschichte zu Rathe, und ver- trauen wir dann erst der philosophischen Betrachtung, wenn wir die Erfahrung der Völker kennen. Die Entstehung der ersten Staten ist älter als unsere Wissenschaft der Geschichte. Diese ist erst zu einigem Be-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/316
Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/316>, abgerufen am 21.11.2024.