erfordert wird, wie oft derselbe Versuch an ver- schiedenen Gattungen von Thieren angestellt wer- den muß, um physiologische Gesetze daraus her- leiten zu können. Denn der nämliche Versuch, z. B. über die Empfindlichkeit des Knochenmarks, den ich sowohl an Säugthieren, als Vögeln an- gestellt, hatte oft einen ganz verschiedenen Erfolg. Denn bey einigen Thieren konnte ich das Mark in den Knochenröhren ohne allen Schmerz zerstö- ren, da hingegen andere schon von der bloßen Berührung des Messers in Zuckungen verfielen, heulten u. s. w. Vielleicht erregte bey diesen schon die bloße Furcht vor neuen Schmerzen Kon- vulsionen; da hingegen jene, von einem vorher- gegangenen heftigen Schmerz betäubt, den an den Knochenmarke angebrachten schwächern Reiz nicht fühlten, obgleich dieser Theil vielleicht nicht ganz ohne Nervenzweige war.
§. 205.
Wir können aber die Nerven weder durch die Zergliederung, noch durch die Schärfe des Ge- sichts bis zu ihrem ersten Ursprung verfolgen: es ist sogar noch zweifelhaft, ob die Nerven einer Seite des Körpers auch aus derselben, oder von der entgegengesetzten Seite des Sensoriums ent- springen. a) Die letzter Meinung wird durch ei- nige pathologische Erscheinungen sehr wahrschein- lich. b) Daß wenigstens bey den Sehnerven eine solche Durchkreuzung vorhanden ist, hat Herr Sömmering erwiesen. c)
erfordert wird, wie oft derselbe Versuch an ver- schiedenen Gattungen von Thieren angestellt wer- den muß, um physiologische Gesetze daraus her- leiten zu können. Denn der nämliche Versuch, z. B. über die Empfindlichkeit des Knochenmarks, den ich sowohl an Säugthieren, als Vögeln an- gestellt, hatte oft einen ganz verschiedenen Erfolg. Denn bey einigen Thieren konnte ich das Mark in den Knochenröhren ohne allen Schmerz zerstö- ren, da hingegen andere schon von der bloßen Berührung des Messers in Zuckungen verfielen, heulten u. s. w. Vielleicht erregte bey diesen schon die bloße Furcht vor neuen Schmerzen Kon- vulsionen; da hingegen jene, von einem vorher- gegangenen heftigen Schmerz betäubt, den an den Knochenmarke angebrachten schwächern Reiz nicht fühlten, obgleich dieser Theil vielleicht nicht ganz ohne Nervenzweige war.
§. 205.
Wir können aber die Nerven weder durch die Zergliederung, noch durch die Schärfe des Ge- sichts bis zu ihrem ersten Ursprung verfolgen: es ist sogar noch zweifelhaft, ob die Nerven einer Seite des Körpers auch aus derselben, oder von der entgegengesetzten Seite des Sensoriums ent- springen. a) Die letzter Meinung wird durch ei- nige pathologische Erscheinungen sehr wahrschein- lich. b) Daß wenigstens bey den Sehnerven eine solche Durchkreuzung vorhanden ist, hat Herr Sömmering erwiesen. c)
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erfordert wird, wie oft derselbe Versuch an ver-
schiedenen Gattungen von Thieren angestellt wer-
den muß, um physiologische Gesetze daraus her-
leiten zu können. Denn der nämliche Versuch,
z. B. über die Empfindlichkeit des Knochenmarks,
den ich sowohl an Säugthieren, als Vögeln an-
gestellt, hatte oft einen ganz verschiedenen Erfolg.
Denn bey einigen Thieren konnte ich das Mark
in den Knochenröhren ohne allen Schmerz zerstö-
ren, da hingegen andere schon von der bloßen
Berührung des Messers in Zuckungen verfielen,
heulten u. s. w. Vielleicht erregte bey diesen
schon die bloße Furcht vor neuen Schmerzen Kon-
vulsionen; da hingegen jene, von einem vorher-
gegangenen heftigen Schmerz betäubt, den an
den Knochenmarke angebrachten schwächern Reiz
nicht fühlten, obgleich dieser Theil vielleicht
nicht ganz ohne Nervenzweige war.
§. 205.
Wir können aber die Nerven weder durch
die Zergliederung, noch durch die Schärfe des Ge-
sichts bis zu ihrem ersten Ursprung verfolgen: es
ist sogar noch zweifelhaft, ob die Nerven einer
Seite des Körpers auch aus derselben, oder von
der entgegengesetzten Seite des Sensoriums ent-
springen. a) Die letzter Meinung wird durch ei-
nige pathologische Erscheinungen sehr wahrschein-
lich. b) Daß wenigstens bey den Sehnerven eine
solche Durchkreuzung vorhanden ist, hat Herr
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Blumenbach, Johann Friedrich: Anfangsgründe der Physiologie. (Übers. Joseph Eyerel). 2. Aufl. Wien, 1795, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_physiologie_1795/150>, abgerufen am 21.11.2024.
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