Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 12. Aufl. Wien, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

meist bei allen ihr Zug nach dem ihnen aus so vielfache Weise
so äußerst wohlthätigen Lichte*) gehört, als welcher Zug bei
weitem nicht bloß an den Sonnenblumen, sondern fast an allen
Gewächsen zu merken ist: zumal in Treibhäusern, wo sich oft
die Blüthen so sehr nach der Hellung an die Glasfenster drän-
gen, als ob sie dawider gepreßt wären**). Ferner bewegen sich
manche Theile gewisser Gewächse sehr lebhaft, wenn sie berührt
werden; wie z. B. die Blätter und Zweige des Fühlkrauts (mi-
mosa
pudica), oder der averrhoa carambola, oder die vor-
dern Blatt-Ansätze der Venus-Fliegenfalle (dionaea musci-
pula
), welche, wenn sich auch nur eine Mücke darauf setzt, au-
genblicklich zusammenklappen und das Insect zerdrücken.

§. 177.

Besonders merkwürdig ist aber die theils ausnehmend leb-
hafte Bewegung, die zur Befruchtungszeit an den Geschlechts-
theilen in vielen Zwitterblüthen bemerkt wird; da z. B. die
Staubfäden der gemeinen Berberis, wenn sie auf ihrer innern
Seite (wo sie nach den Fruchtknoten hingerichtet sind) berührt
werden, (wenn sich z. B. ein Insect auf die Blüthe setzt, um
den Honigsaft aus dem Boden derselben zu ziehen) einwärts
schnellen und ihre männlichen Staubbeutel gegen die weibliche
Narbe treiben, und dadurch ihre Befruchtung bewirken.

§. 178.

So auffallend inzwischen alle diese Bewegungen sind, und
so sinnliche Beweise sie von der Thätigkeit der Lebenskräfte
in den Gewächsen abgeben, so unterscheiden sie sich doch bei ge-
nauer physiologischer Prüfung aufs deutlichste von dem aus-
schließlichen Eigenthume der Thiere, nämlich der willkühr-
lichen
Bewegung, als von welcher auch bei den, wegen ihrer

*) s. Placid. Heinrich's Petersburgische Preisschrift von der
Natur und den Eigenschaften des Lichts. 1806. 4.
**) Ein Beispiel statt vieler von der Stärke dieses Zugs nach
dem Lichte: - In einem Keller, in welchem Wurzelwerk über Win-
ter aufbewahrt worden, und der nur oben an einer Seite ein klei-
nes Lichtloch hatte, war beim Ausräumen im Frühjahr unten in ei-
nem entgegengesetzten Winkel eine Kartoffel liegen geblieben, die nun
einen Auslaufer getrieben hatte, der erst 20 Fuß weit auf dem Bo-
den hin, dann an der Wand in die Höhe und so gerade nach dem Licht-
loche fortgerankt war. - s. die Memoirs of the American Acade-
my of arts and sciences
zu Boston Vol. II. P. I. p. 147. Auch F. J. Bertuch's Beobachtungen an der Indianischen Kres-
se; im allgem. deutschen Garten-Magaz. 1804. 5. St. S. 226 u. f.

meist bei allen ihr Zug nach dem ihnen aus so vielfache Weise
so äußerst wohlthätigen Lichte*) gehört, als welcher Zug bei
weitem nicht bloß an den Sonnenblumen, sondern fast an allen
Gewächsen zu merken ist: zumal in Treibhäusern, wo sich oft
die Blüthen so sehr nach der Hellung an die Glasfenster drän-
gen, als ob sie dawider gepreßt wären**). Ferner bewegen sich
manche Theile gewisser Gewächse sehr lebhaft, wenn sie berührt
werden; wie z. B. die Blätter und Zweige des Fühlkrauts (mi-
mosa
pudica), oder der averrhoa carambola, oder die vor-
dern Blatt-Ansätze der Venus-Fliegenfalle (dionaea musci-
pula
), welche, wenn sich auch nur eine Mücke darauf setzt, au-
genblicklich zusammenklappen und das Insect zerdrücken.

§. 177.

Besonders merkwürdig ist aber die theils ausnehmend leb-
hafte Bewegung, die zur Befruchtungszeit an den Geschlechts-
theilen in vielen Zwitterblüthen bemerkt wird; da z. B. die
Staubfäden der gemeinen Berberis, wenn sie auf ihrer innern
Seite (wo sie nach den Fruchtknoten hingerichtet sind) berührt
werden, (wenn sich z. B. ein Insect auf die Blüthe setzt, um
den Honigsaft aus dem Boden derselben zu ziehen) einwärts
schnellen und ihre männlichen Staubbeutel gegen die weibliche
Narbe treiben, und dadurch ihre Befruchtung bewirken.

§. 178.

So auffallend inzwischen alle diese Bewegungen sind, und
so sinnliche Beweise sie von der Thätigkeit der Lebenskräfte
in den Gewächsen abgeben, so unterscheiden sie sich doch bei ge-
nauer physiologischer Prüfung aufs deutlichste von dem aus-
schließlichen Eigenthume der Thiere, nämlich der willkühr-
lichen
Bewegung, als von welcher auch bei den, wegen ihrer

*) s. Placid. Heinrich's Petersburgische Preisschrift von der
Natur und den Eigenschaften des Lichts. 1806. 4.
**) Ein Beispiel statt vieler von der Stärke dieses Zugs nach
dem Lichte: – In einem Keller, in welchem Wurzelwerk über Win-
ter aufbewahrt worden, und der nur oben an einer Seite ein klei-
nes Lichtloch hatte, war beim Ausräumen im Frühjahr unten in ei-
nem entgegengesetzten Winkel eine Kartoffel liegen geblieben, die nun
einen Auslaufer getrieben hatte, der erst 20 Fuß weit auf dem Bo-
den hin, dann an der Wand in die Höhe und so gerade nach dem Licht-
loche fortgerankt war. – s. die Memoirs of the American Acade-
my of arts and sciences
zu Boston Vol. II. P. I. p. 147. Auch F. J. Bertuch's Beobachtungen an der Indianischen Kres-
se; im allgem. deutschen Garten-Magaz. 1804. 5. St. S. 226 u. f.
<TEI xml:lang="de-DE">
  <text xmlns:xsi="http://www.w3.org/2001/XMLSchema-instance" xml:id="blume_hbnatur_000042">
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0349" xml:id="pb339_0001" n="339"/>
meist bei allen ihr Zug nach dem ihnen aus so vielfache Weise<lb/>
so äußerst wohlthätigen Lichte<note anchored="true" place="foot" n="*)"><p>s. <hi rendition="#g">Placid. Heinrich's</hi> Petersburgische Preisschrift von der<lb/>
Natur und den Eigenschaften des Lichts. 1806. 4.</p></note> gehört, als welcher Zug bei<lb/>
weitem nicht bloß an den Sonnenblumen, sondern fast an allen<lb/>
Gewächsen zu merken ist: zumal in Treibhäusern, wo sich oft<lb/>
die Blüthen so sehr nach der Hellung an die Glasfenster drän-<lb/>
gen, als ob sie dawider gepreßt wären<note anchored="true" place="foot" n="**)"><p>Ein Beispiel statt vieler von der Stärke dieses <hi rendition="#g">Zugs</hi> nach<lb/>
dem Lichte: &#x2013; In einem Keller, in welchem Wurzelwerk über Win-<lb/>
ter aufbewahrt worden, und der nur oben an einer Seite ein klei-<lb/>
nes Lichtloch hatte, war beim Ausräumen im Frühjahr unten in ei-<lb/>
nem entgegengesetzten Winkel eine Kartoffel liegen geblieben, die nun<lb/>
einen Auslaufer getrieben hatte, der erst 20 Fuß weit auf dem Bo-<lb/>
den hin, dann an der Wand in die Höhe und so gerade nach dem Licht-<lb/>
loche fortgerankt war. &#x2013; s. die <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">Memoirs of the American Acade-<lb/>
my of arts and sciences</hi></hi> zu <hi rendition="#g">Boston</hi> <hi rendition="#aq">Vol</hi>. II. <hi rendition="#aq">P. I. p</hi>. 147.</p><p>Auch F. J. <hi rendition="#g">Bertuch's</hi> Beobachtungen an der Indianischen Kres-<lb/>
se; im allgem. deutschen Garten-Magaz. 1804. 5. St. S. 226 u. f.</p></note>. Ferner bewegen sich<lb/>
manche Theile gewisser Gewächse sehr lebhaft, wenn sie berührt<lb/>
werden; wie z. B. die Blätter und Zweige des Fühlkrauts (<hi rendition="#aq">mi-<lb/>
mosa</hi> <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">pudica</hi></hi>), oder der <hi rendition="#aq">averrhoa</hi> <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">carambola</hi></hi>, oder die vor-<lb/>
dern Blatt-Ansätze der Venus-Fliegenfalle (<hi rendition="#aq">dionaea</hi> <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">musci-<lb/>
pula</hi></hi>), welche, wenn sich auch nur eine Mücke darauf setzt, au-<lb/>
genblicklich zusammenklappen und das Insect zerdrücken.</p>
        </div>
        <div n="2">
          <head rendition="#c">§. 177.</head><lb/>
          <p>Besonders merkwürdig ist aber die theils ausnehmend leb-<lb/>
hafte Bewegung, die zur Befruchtungszeit an den Geschlechts-<lb/>
theilen in vielen Zwitterblüthen bemerkt wird; da z. B. die<lb/>
Staubfäden der gemeinen Berberis, wenn sie auf ihrer innern<lb/>
Seite (wo sie nach den Fruchtknoten hingerichtet sind) berührt<lb/>
werden, (wenn sich z. B. ein Insect auf die Blüthe setzt, um<lb/>
den Honigsaft aus dem Boden derselben zu ziehen) einwärts<lb/>
schnellen und ihre männlichen Staubbeutel gegen die weibliche<lb/>
Narbe treiben, und dadurch ihre Befruchtung bewirken.</p>
        </div>
        <div n="2">
          <head rendition="#c">§. 178.</head><lb/>
          <p>So auffallend inzwischen alle diese Bewegungen sind, und<lb/>
so sinnliche Beweise sie von der Thätigkeit der <hi rendition="#g">Lebenskräfte</hi><lb/>
in den Gewächsen abgeben, so unterscheiden sie sich doch bei ge-<lb/>
nauer physiologischer Prüfung aufs deutlichste von dem aus-<lb/>
schließlichen Eigenthume der Thiere, nämlich der <hi rendition="#g">willkühr-<lb/>
lichen</hi> Bewegung, als von welcher auch bei den, wegen ihrer<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[339/0349] meist bei allen ihr Zug nach dem ihnen aus so vielfache Weise so äußerst wohlthätigen Lichte *) gehört, als welcher Zug bei weitem nicht bloß an den Sonnenblumen, sondern fast an allen Gewächsen zu merken ist: zumal in Treibhäusern, wo sich oft die Blüthen so sehr nach der Hellung an die Glasfenster drän- gen, als ob sie dawider gepreßt wären **). Ferner bewegen sich manche Theile gewisser Gewächse sehr lebhaft, wenn sie berührt werden; wie z. B. die Blätter und Zweige des Fühlkrauts (mi- mosa pudica), oder der averrhoa carambola, oder die vor- dern Blatt-Ansätze der Venus-Fliegenfalle (dionaea musci- pula), welche, wenn sich auch nur eine Mücke darauf setzt, au- genblicklich zusammenklappen und das Insect zerdrücken. §. 177. Besonders merkwürdig ist aber die theils ausnehmend leb- hafte Bewegung, die zur Befruchtungszeit an den Geschlechts- theilen in vielen Zwitterblüthen bemerkt wird; da z. B. die Staubfäden der gemeinen Berberis, wenn sie auf ihrer innern Seite (wo sie nach den Fruchtknoten hingerichtet sind) berührt werden, (wenn sich z. B. ein Insect auf die Blüthe setzt, um den Honigsaft aus dem Boden derselben zu ziehen) einwärts schnellen und ihre männlichen Staubbeutel gegen die weibliche Narbe treiben, und dadurch ihre Befruchtung bewirken. §. 178. So auffallend inzwischen alle diese Bewegungen sind, und so sinnliche Beweise sie von der Thätigkeit der Lebenskräfte in den Gewächsen abgeben, so unterscheiden sie sich doch bei ge- nauer physiologischer Prüfung aufs deutlichste von dem aus- schließlichen Eigenthume der Thiere, nämlich der willkühr- lichen Bewegung, als von welcher auch bei den, wegen ihrer *) s. Placid. Heinrich's Petersburgische Preisschrift von der Natur und den Eigenschaften des Lichts. 1806. 4. **) Ein Beispiel statt vieler von der Stärke dieses Zugs nach dem Lichte: – In einem Keller, in welchem Wurzelwerk über Win- ter aufbewahrt worden, und der nur oben an einer Seite ein klei- nes Lichtloch hatte, war beim Ausräumen im Frühjahr unten in ei- nem entgegengesetzten Winkel eine Kartoffel liegen geblieben, die nun einen Auslaufer getrieben hatte, der erst 20 Fuß weit auf dem Bo- den hin, dann an der Wand in die Höhe und so gerade nach dem Licht- loche fortgerankt war. – s. die Memoirs of the American Acade- my of arts and sciences zu Boston Vol. II. P. I. p. 147. Auch F. J. Bertuch's Beobachtungen an der Indianischen Kres- se; im allgem. deutschen Garten-Magaz. 1804. 5. St. S. 226 u. f.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Editura GmbH & Co.KG, Berlin: Volltexterstellung und Basis-TEI-Auszeichung
Johann Friedrich Blumenbach – online: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-08-26T09:00:15Z)
Frank Wiegand: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2013-08-26T09:00:15Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Nicht erfasst: Bogensignaturen und Kustoden, Kolumnentitel.
  • Auf Titelblättern wurde auf die Auszeichnung der Schriftgrößenunterschiede zugunsten der Identifizierung von <titlePart>s verzichtet.
  • Keine Auszeichnung der Initialbuchstaben am Kapitelanfang.
  • Langes ſ: als s transkribiert.
  • Hochgestellte e über Vokalen: in moderner Schreibweise erfasst.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1832/349
Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 12. Aufl. Wien, 1832, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1832/349>, abgerufen am 21.11.2024.