Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 12. Aufl. Wien, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

he*), so daß der Mensch von allen das größte Gehirn, in Ver-
gleichung seiner sehr dünnen Nerven, hat; da hingegen einfäl-
tige Thiere, wie z. B. die hieländischen Amphibien, dicke Ner-
ven bei einem sehr kleinen Gehirne haben.

§. 30.

Außer dem Einfluß, den die Nerven auf die Muskelbewe-
gung haben, ist ihr zweytes Geschäft, auch der Seele die äußern
Eindrücke auf den thierischen Körper, durch die Sinne mitzu-
theilen. Die Beschaffenheit der Sinnwerkzeuge ist aber in den
verschiedenen Thier-Classen selbst sehr verschieden. So erhalten
z. B. viele Thiere offenbar allerhand sinnliche Eindrücke, ohne
daß wir doch die Sinnwerkzeuge an ihnen entdecken können, die
bei andern zu solchen Eindrücken nothwendig sind. Die Schmeiß-
fliege z. B. und viele andere Insecten haben Geruch, ob wir
gleich keine Nase an ihnen wahrnehmen u. dergl. m.

Anm. Manche haben die Zahl der fünf Sinne überhaupt auf we-
nigere einschränken, andere hingegen dieselbe mit neuen vermeh-
ren wollen. Vanini z. B. und viele nach ihm hielten das
Gefühl bei Befriedigung des Sexual-Triebes für einen sechsten
Sinn; Jul. Cäs. Scaliger das Gefühl beim Kitzeln unter
den Achseln für einen siebenten. So hielt achtens Spallan-
zani
das Gefühl, wodurch sich die Fledermäuse bei ihrem Flat-
tern im Finstern für den Anstoß sichern; so wie neuntens Dar-
win
das Gefühl für Wärme und Kälte für besondere Sinne.

§. 31.

Durch den anhaltenden Gebrauch werden Nerven und Mus-
keln ermüdet, und sie brauchen von Zeit zu Zeit Ruhe zur
Sammlung neuer Kräfte, die ihnen der Schlaf gewährt. Dem
Menschen und den mehresten von Gewächsen lebenden Thieren
ist die Nacht zu dieser Erholung angewiesen; doch halten sich
auch manche von diesen, wie z. B. der Siebenschläfer etc., be-
sonders aber viele Raubthiere, wohin zumahl die mehresten Fi-
sche gehören, auch manche Insecten und Gewürme, am Tage
verborgen und gehen des Nachts ihren Geschäften nach, weßhalb
sie animalia nocturna genannt werden.

§. 32.

Außer diesem Erholungsschlaf findet sich in der Oekonomie
vieler Thiere noch die sehr bequeme Einrichtung, daß sie einen
beträchtlichen Theil des Jahrs, und zwar gerade die rauhesten
Monathe, da es ihnen schwer werden würde, für ihre Erhal-

*) Diese scharfsinnige Bemerkung gehört dem Hrn. Geh. R. von
Sömmerring. s. Dessen Diss. de basi encephali p. 17.

he*), so daß der Mensch von allen das größte Gehirn, in Ver-
gleichung seiner sehr dünnen Nerven, hat; da hingegen einfäl-
tige Thiere, wie z. B. die hieländischen Amphibien, dicke Ner-
ven bei einem sehr kleinen Gehirne haben.

§. 30.

Außer dem Einfluß, den die Nerven auf die Muskelbewe-
gung haben, ist ihr zweytes Geschäft, auch der Seele die äußern
Eindrücke auf den thierischen Körper, durch die Sinne mitzu-
theilen. Die Beschaffenheit der Sinnwerkzeuge ist aber in den
verschiedenen Thier-Classen selbst sehr verschieden. So erhalten
z. B. viele Thiere offenbar allerhand sinnliche Eindrücke, ohne
daß wir doch die Sinnwerkzeuge an ihnen entdecken können, die
bei andern zu solchen Eindrücken nothwendig sind. Die Schmeiß-
fliege z. B. und viele andere Insecten haben Geruch, ob wir
gleich keine Nase an ihnen wahrnehmen u. dergl. m.

Anm. Manche haben die Zahl der fünf Sinne überhaupt auf we-
nigere einschränken, andere hingegen dieselbe mit neuen vermeh-
ren wollen. Vanini z. B. und viele nach ihm hielten das
Gefühl bei Befriedigung des Sexual-Triebes für einen sechsten
Sinn; Jul. Cäs. Scaliger das Gefühl beim Kitzeln unter
den Achseln für einen siebenten. So hielt achtens Spallan-
zani
das Gefühl, wodurch sich die Fledermäuse bei ihrem Flat-
tern im Finstern für den Anstoß sichern; so wie neuntens Dar-
win
das Gefühl für Wärme und Kälte für besondere Sinne.

§. 31.

Durch den anhaltenden Gebrauch werden Nerven und Mus-
keln ermüdet, und sie brauchen von Zeit zu Zeit Ruhe zur
Sammlung neuer Kräfte, die ihnen der Schlaf gewährt. Dem
Menschen und den mehresten von Gewächsen lebenden Thieren
ist die Nacht zu dieser Erholung angewiesen; doch halten sich
auch manche von diesen, wie z. B. der Siebenschläfer ꝛc., be-
sonders aber viele Raubthiere, wohin zumahl die mehresten Fi-
sche gehören, auch manche Insecten und Gewürme, am Tage
verborgen und gehen des Nachts ihren Geschäften nach, weßhalb
sie animalia nocturna genannt werden.

§. 32.

Außer diesem Erholungsschlaf findet sich in der Oekonomie
vieler Thiere noch die sehr bequeme Einrichtung, daß sie einen
beträchtlichen Theil des Jahrs, und zwar gerade die rauhesten
Monathe, da es ihnen schwer werden würde, für ihre Erhal-

*) Diese scharfsinnige Bemerkung gehört dem Hrn. Geh. R. von
Sömmerring. s. Dessen Diss. de basi encephali p. 17.
<TEI xml:lang="de-DE">
  <text xmlns:xsi="http://www.w3.org/2001/XMLSchema-instance" xml:id="blume_hbnatur_000042">
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p rendition="#small"><pb facs="#f0034" xml:id="pb024_0001" n="24"/>
he<note anchored="true" place="foot" n="*)"><p>Diese scharfsinnige Bemerkung gehört dem Hrn. Geh. R. von<lb/><hi rendition="#g">Sömmerring</hi>. s. Dessen <hi rendition="#aq">Diss.</hi> <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">de basi encephali</hi></hi> <hi rendition="#aq">p.</hi> 17.</p></note>, so daß der Mensch von allen das größte Gehirn, in Ver-<lb/>
gleichung seiner sehr dünnen Nerven, hat; da hingegen einfäl-<lb/>
tige Thiere, wie z. B. die hieländischen Amphibien, dicke Ner-<lb/>
ven bei einem sehr kleinen Gehirne haben.</p>
        </div>
        <div n="2">
          <head rendition="#c">§. 30.</head><lb/>
          <p rendition="#small">Außer dem Einfluß, den die Nerven auf die Muskelbewe-<lb/>
gung haben, ist ihr zweytes Geschäft, auch der Seele die äußern<lb/>
Eindrücke auf den thierischen Körper, durch die <hi rendition="#g">Sinne</hi> mitzu-<lb/>
theilen. Die Beschaffenheit der Sinnwerkzeuge ist aber in den<lb/>
verschiedenen Thier-Classen selbst sehr verschieden. So erhalten<lb/>
z. B. viele Thiere offenbar allerhand sinnliche Eindrücke, ohne<lb/>
daß wir doch die Sinnwerkzeuge an ihnen entdecken können, die<lb/>
bei andern zu solchen Eindrücken nothwendig sind. Die Schmeiß-<lb/>
fliege z. B. und viele andere Insecten haben Geruch, ob wir<lb/>
gleich keine Nase an ihnen wahrnehmen u. dergl. m.</p>
          <p rendition="#indent-1 #small"><hi rendition="#g">Anm</hi>. Manche haben die Zahl der fünf Sinne überhaupt auf we-<lb/>
nigere einschränken, andere hingegen dieselbe mit neuen vermeh-<lb/>
ren wollen. <hi rendition="#g">Vanini</hi> z. B. und viele nach ihm hielten das<lb/>
Gefühl bei Befriedigung des Sexual-Triebes für einen sechsten<lb/>
Sinn; <hi rendition="#g">Jul. Cäs. Scaliger</hi> das Gefühl beim Kitzeln unter<lb/>
den Achseln für einen siebenten. So hielt achtens <hi rendition="#g">Spallan-<lb/>
zani</hi> das Gefühl, wodurch sich die Fledermäuse bei ihrem Flat-<lb/>
tern im Finstern für den Anstoß sichern; so wie neuntens <hi rendition="#g">Dar-<lb/>
win</hi> das Gefühl für Wärme und Kälte für besondere Sinne.</p>
        </div>
        <div n="2">
          <head rendition="#c">§. 31.</head><lb/>
          <p>Durch den anhaltenden Gebrauch werden Nerven und Mus-<lb/>
keln ermüdet, und sie brauchen von Zeit zu Zeit Ruhe zur<lb/>
Sammlung neuer Kräfte, die ihnen der <hi rendition="#g">Schlaf</hi> gewährt. Dem<lb/>
Menschen und den mehresten von Gewächsen lebenden Thieren<lb/>
ist die Nacht zu dieser Erholung angewiesen; doch halten sich<lb/>
auch manche von diesen, wie z. B. der Siebenschläfer &#xA75B;c., be-<lb/>
sonders aber viele Raubthiere, wohin zumahl die mehresten Fi-<lb/>
sche gehören, auch manche Insecten und Gewürme, am Tage<lb/>
verborgen und gehen des Nachts ihren Geschäften nach, weßhalb<lb/>
sie <hi rendition="#aq">animalia nocturna</hi> genannt werden.</p>
        </div>
        <div n="2">
          <head rendition="#c">§. 32.</head><lb/>
          <p>Außer diesem Erholungsschlaf findet sich in der Oekonomie<lb/>
vieler Thiere noch die sehr bequeme Einrichtung, daß sie einen<lb/>
beträchtlichen Theil des Jahrs, und zwar gerade die rauhesten<lb/>
Monathe, da es ihnen schwer werden würde, für ihre Erhal-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[24/0034] he *), so daß der Mensch von allen das größte Gehirn, in Ver- gleichung seiner sehr dünnen Nerven, hat; da hingegen einfäl- tige Thiere, wie z. B. die hieländischen Amphibien, dicke Ner- ven bei einem sehr kleinen Gehirne haben. §. 30. Außer dem Einfluß, den die Nerven auf die Muskelbewe- gung haben, ist ihr zweytes Geschäft, auch der Seele die äußern Eindrücke auf den thierischen Körper, durch die Sinne mitzu- theilen. Die Beschaffenheit der Sinnwerkzeuge ist aber in den verschiedenen Thier-Classen selbst sehr verschieden. So erhalten z. B. viele Thiere offenbar allerhand sinnliche Eindrücke, ohne daß wir doch die Sinnwerkzeuge an ihnen entdecken können, die bei andern zu solchen Eindrücken nothwendig sind. Die Schmeiß- fliege z. B. und viele andere Insecten haben Geruch, ob wir gleich keine Nase an ihnen wahrnehmen u. dergl. m. Anm. Manche haben die Zahl der fünf Sinne überhaupt auf we- nigere einschränken, andere hingegen dieselbe mit neuen vermeh- ren wollen. Vanini z. B. und viele nach ihm hielten das Gefühl bei Befriedigung des Sexual-Triebes für einen sechsten Sinn; Jul. Cäs. Scaliger das Gefühl beim Kitzeln unter den Achseln für einen siebenten. So hielt achtens Spallan- zani das Gefühl, wodurch sich die Fledermäuse bei ihrem Flat- tern im Finstern für den Anstoß sichern; so wie neuntens Dar- win das Gefühl für Wärme und Kälte für besondere Sinne. §. 31. Durch den anhaltenden Gebrauch werden Nerven und Mus- keln ermüdet, und sie brauchen von Zeit zu Zeit Ruhe zur Sammlung neuer Kräfte, die ihnen der Schlaf gewährt. Dem Menschen und den mehresten von Gewächsen lebenden Thieren ist die Nacht zu dieser Erholung angewiesen; doch halten sich auch manche von diesen, wie z. B. der Siebenschläfer ꝛc., be- sonders aber viele Raubthiere, wohin zumahl die mehresten Fi- sche gehören, auch manche Insecten und Gewürme, am Tage verborgen und gehen des Nachts ihren Geschäften nach, weßhalb sie animalia nocturna genannt werden. §. 32. Außer diesem Erholungsschlaf findet sich in der Oekonomie vieler Thiere noch die sehr bequeme Einrichtung, daß sie einen beträchtlichen Theil des Jahrs, und zwar gerade die rauhesten Monathe, da es ihnen schwer werden würde, für ihre Erhal- *) Diese scharfsinnige Bemerkung gehört dem Hrn. Geh. R. von Sömmerring. s. Dessen Diss. de basi encephali p. 17.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Editura GmbH & Co.KG, Berlin: Volltexterstellung und Basis-TEI-Auszeichung
Johann Friedrich Blumenbach – online: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-08-26T09:00:15Z)
Frank Wiegand: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2013-08-26T09:00:15Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Nicht erfasst: Bogensignaturen und Kustoden, Kolumnentitel.
  • Auf Titelblättern wurde auf die Auszeichnung der Schriftgrößenunterschiede zugunsten der Identifizierung von <titlePart>s verzichtet.
  • Keine Auszeichnung der Initialbuchstaben am Kapitelanfang.
  • Langes ſ: als s transkribiert.
  • Hochgestellte e über Vokalen: in moderner Schreibweise erfasst.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1832/34
Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 12. Aufl. Wien, 1832, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1832/34>, abgerufen am 21.11.2024.