3) M. G. denen ganze Glieder mangeln. Monstra per defectum. Unter diesen die lehrreichsten.
4) M. G. mit überzähligen Gliedern. Monstra per excessum. Die gemeinsten (- selbst nicht selten unter wilden Thieren, z. B. Hasen -); theils gar erblich, wie z. B. in den sechsfingrigen Familien, und bei Hühnern mit fünf oder sechs Zehen.
Anm. Die auffallende Aehnlichkeit unter so vielen Monstrositäten beweiset, daß auch selbst diese Abweichungen des Bildungstriebes dennoch bestimmten Gesetzen folgen müssen; so wie hingegen die bekannte Erfahrung, daß die Hausthiere seit ihrer Unterjochung und die cultivirten Gartenpflanzen denselben weit mehr als in ihrem wilden Zustande unterworfen sind (daß z. B. Mißgeburten unter den Hausschweinen so häufig, unter den wilden Schweinen hingegen fast unerhört sind), auch daß sie in manchen Jahren ungewöhnlich häufig fallen, sich mit der Lehre der Evolutionisten, daß die Keime dieser Mißgeburten ebenfalls seit der ersten Schöpfung schon monströs präformirt eingeschachtelt ge- legen, wohl schwerlich zusammen reimen läßt.
§. 13.
Zwitter nennt man zwar im engern Sinne bloß solche einzelne Individua von organisirten Körpern, bei welchem wi- dernatürlicher Weise die Spuren der zweyfachen eigentlichen Sexual-Organe mehr oder weniger verbunden sind, die sonst, in den männlichen und weiblichen Geschöpfen derselben Art, ge- trennt seyn sollten. Dergleichen finden sich selbst zuweilen unter den warmblütigen Thieren; zumahl unter dem Rindvieh, Schafen und Ziegen, aber im Menschengeschlechte sind sie noch unerwiesen.
Nächstdem aber verdient auch diejenige Abweichung des Bildungstriebes hier einer Erwähnung, wenn andere körper- liche Functionen oder Charaktere, die dem einen Geschlechte eigen seyn sollten, sich bei Individuis des andern äußern. Wenn z. B. Hirschkühe und Reh-Geißen Geweihe aufsetzen; oder Fasan- und Pfau-Hennen mit zunehmenden Jahren männliches Gefieder kriegen; oder Mannspersonen oder andere männliche Säugethiere Milch geben*) u. s. w.
Endlich aber zeigt sich auch zuweilen im ganzen Verhältniß des Körperbaues einzelner, übrigens noch so regelmäßig und schön gebildeter Geschöpfe des einen Geschlechts doch mehr oder
*) Von dieser Anomalie habe ich im Hannoverschen Ma- gazin v. 1787. S. 753 u. f. gehandelt.
3) M. G. denen ganze Glieder mangeln. Monstra per defectum. Unter diesen die lehrreichsten.
4) M. G. mit überzähligen Gliedern. Monstra per excessum. Die gemeinsten (– selbst nicht selten unter wilden Thieren, z. B. Hasen –); theils gar erblich, wie z. B. in den sechsfingrigen Familien, und bei Hühnern mit fünf oder sechs Zehen.
Anm. Die auffallende Aehnlichkeit unter so vielen Monstrositäten beweiset, daß auch selbst diese Abweichungen des Bildungstriebes dennoch bestimmten Gesetzen folgen müssen; so wie hingegen die bekannte Erfahrung, daß die Hausthiere seit ihrer Unterjochung und die cultivirten Gartenpflanzen denselben weit mehr als in ihrem wilden Zustande unterworfen sind (daß z. B. Mißgeburten unter den Hausschweinen so häufig, unter den wilden Schweinen hingegen fast unerhört sind), auch daß sie in manchen Jahren ungewöhnlich häufig fallen, sich mit der Lehre der Evolutionisten, daß die Keime dieser Mißgeburten ebenfalls seit der ersten Schöpfung schon monströs präformirt eingeschachtelt ge- legen, wohl schwerlich zusammen reimen läßt.
§. 13.
Zwitter nennt man zwar im engern Sinne bloß solche einzelne Individua von organisirten Körpern, bei welchem wi- dernatürlicher Weise die Spuren der zweyfachen eigentlichen Sexual-Organe mehr oder weniger verbunden sind, die sonst, in den männlichen und weiblichen Geschöpfen derselben Art, ge- trennt seyn sollten. Dergleichen finden sich selbst zuweilen unter den warmblütigen Thieren; zumahl unter dem Rindvieh, Schafen und Ziegen, aber im Menschengeschlechte sind sie noch unerwiesen.
Nächstdem aber verdient auch diejenige Abweichung des Bildungstriebes hier einer Erwähnung, wenn andere körper- liche Functionen oder Charaktere, die dem einen Geschlechte eigen seyn sollten, sich bei Individuis des andern äußern. Wenn z. B. Hirschkühe und Reh-Geißen Geweihe aufsetzen; oder Fasan- und Pfau-Hennen mit zunehmenden Jahren männliches Gefieder kriegen; oder Mannspersonen oder andere männliche Säugethiere Milch geben*) u. s. w.
Endlich aber zeigt sich auch zuweilen im ganzen Verhältniß des Körperbaues einzelner, übrigens noch so regelmäßig und schön gebildeter Geschöpfe des einen Geschlechts doch mehr oder
*) Von dieser Anomalie habe ich im Hannoverschen Ma- gazin v. 1787. S. 753 u. f. gehandelt.
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4) M. G. mit überzähligen Gliedern. Monstra per
excessum. Die gemeinsten (– selbst nicht selten unter
wilden Thieren, z. B. Hasen –); theils gar erblich, wie
z. B. in den sechsfingrigen Familien, und bei Hühnern mit
fünf oder sechs Zehen.
Anm. Die auffallende Aehnlichkeit unter so vielen Monstrositäten
beweiset, daß auch selbst diese Abweichungen des Bildungstriebes
dennoch bestimmten Gesetzen folgen müssen; so wie hingegen die
bekannte Erfahrung, daß die Hausthiere seit ihrer Unterjochung
und die cultivirten Gartenpflanzen denselben weit mehr als in
ihrem wilden Zustande unterworfen sind (daß z. B. Mißgeburten
unter den Hausschweinen so häufig, unter den wilden Schweinen
hingegen fast unerhört sind), auch daß sie in manchen Jahren
ungewöhnlich häufig fallen, sich mit der Lehre der Evolutionisten,
daß die Keime dieser Mißgeburten ebenfalls seit der ersten
Schöpfung schon monströs präformirt eingeschachtelt ge-
legen, wohl schwerlich zusammen reimen läßt.
§. 13.
Zwitter nennt man zwar im engern Sinne bloß solche
einzelne Individua von organisirten Körpern, bei welchem wi-
dernatürlicher Weise die Spuren der zweyfachen eigentlichen
Sexual-Organe mehr oder weniger verbunden sind, die sonst,
in den männlichen und weiblichen Geschöpfen derselben Art, ge-
trennt seyn sollten. Dergleichen finden sich selbst zuweilen
unter den warmblütigen Thieren; zumahl unter dem Rindvieh,
Schafen und Ziegen, aber im Menschengeschlechte sind sie noch
unerwiesen.
Nächstdem aber verdient auch diejenige Abweichung des
Bildungstriebes hier einer Erwähnung, wenn andere körper-
liche Functionen oder Charaktere, die dem einen Geschlechte
eigen seyn sollten, sich bei Individuis des andern äußern.
Wenn z. B. Hirschkühe und Reh-Geißen Geweihe aufsetzen;
oder Fasan- und Pfau-Hennen mit zunehmenden Jahren
männliches Gefieder kriegen; oder Mannspersonen oder andere
männliche Säugethiere Milch geben *) u. s. w.
Endlich aber zeigt sich auch zuweilen im ganzen Verhältniß
des Körperbaues einzelner, übrigens noch so regelmäßig und
schön gebildeter Geschöpfe des einen Geschlechts doch mehr oder
*) Von dieser Anomalie habe ich im Hannoverschen Ma-
gazin v. 1787. S. 753 u. f. gehandelt.
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Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 12. Aufl. Wien, 1832, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1832/24>, abgerufen am 21.11.2024.
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