Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 12. Aufl. Wien, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

außer seiner erweckenden, nun auch Nro. 2. in sofern eine bil-
dende Kraft zu, daß er den bei der Mutter präformirt gele-
genen Keim wohl in etwas zur väterlichen Gestaltung umzufor-
men vermöge.

Demnach wäre folglich zweyerlei Kraft im männlichen
Samen; 1) die erweckende und 2) doch auch eine bildende. -

Aber man kann ja mittelst einer, mehrere Generationen hin-
durch immer wiederholten, künstlichen Bastardzeugung endlich die
Eine Gattung von organisirten Körpern gänzlich in die andere
umwandeln. So hat man z. B. aus der künstlichen Befruchtung
der Einen Pflanzengattung mittelst des männlichen Staubes
von eine andern, Samen gezogen, welcher fecundable Ba-
stardpflanzen gegeben; d. h. die sich zur Blüthezeit abermahls
mit männlichen Staub von jener andern Gattung befruchten las-
sen, und wiederum fecundable Bastarde der zweyten Genera-
tion hervorgebracht. Jene Bastarde von der ersten Generation
hielten gleichsam das Mittel zwischen beiden verschiedenen Stamm-
Aeltern von väterlicher und mütterlicher Seite. Die von der zwey-
ten hingegen ähnelten schon weit mehr der väterlichen, als der
mütterlichen. Und nachdem die gleiche künstliche Befruchtung noch
fernerweit durch zwey folgende Generationen eben so wiederholt
worden, so entstanden endlich Pflanzen, an welchen die ursprüng-
liche mütterliche Gestaltung so zu sagen ganz verwischt, und
in die väterliche umgewandelt worden. (- s. Kölreu-
ter's
dritte Fortsetzung der Nachricht von einigen das Geschlecht
der Pflanzen betreffenden Versuchen S. 51. §. 24. mit der
Ueberschrift: "Gänzlich vollbrachte Verwandlung Ei-
ner natürlichen Pflanzengattung in die ande-
re
."
-)

Da hat denn folglich alle Präformation des seit Erschaffung
der Welt conservirten mütterlichen Keims am Ende zu nichts ge-
holfen, sondern hat der bildenden Kraft des männlichen Stof-
fes (der eigentlich nach der Evolutionshypothese bloß durch seine
erweckende Kraft auf denselben hätte wirken sollen,) gänzlich
weichen müssen.

§. 8.

Und so bleibt es folglich im Ganzen unserem Erkenntniß-
vermögen und selbst den Regeln aller philosophischen Naturfor-
schung*) weit angemessener, wenn man die Entstehung der
neuerzeugten organisirten Körper bloß durch allmähliche
Ausbildung
(Epigenesis) des an sich zwar ungeformten,
aber unter den dazu erforderlichen Umständen organisirbaren,
Zeugungsstoffes erklärt.

Nur kommt es bei der vielfachen Vorstellungsart, die man
sich von einer solchen allmählichen Bildung machen kann und ge-

*) "Causas rerum naturalium non plures admitti debere, quam
quae et verae sint et earum phaenomenis explicandis suffici-
ant
:"
ist ja die erste von Newton's goldenen regulis philoso-
phandi
.

außer seiner erweckenden, nun auch Nro. 2. in sofern eine bil-
dende Kraft zu, daß er den bei der Mutter präformirt gele-
genen Keim wohl in etwas zur väterlichen Gestaltung umzufor-
men vermöge.

Demnach wäre folglich zweyerlei Kraft im männlichen
Samen; 1) die erweckende und 2) doch auch eine bildende. –

Aber man kann ja mittelst einer, mehrere Generationen hin-
durch immer wiederholten, künstlichen Bastardzeugung endlich die
Eine Gattung von organisirten Körpern gänzlich in die andere
umwandeln. So hat man z. B. aus der künstlichen Befruchtung
der Einen Pflanzengattung mittelst des männlichen Staubes
von eine andern, Samen gezogen, welcher fecundable Ba-
stardpflanzen gegeben; d. h. die sich zur Blüthezeit abermahls
mit männlichen Staub von jener andern Gattung befruchten las-
sen, und wiederum fecundable Bastarde der zweyten Genera-
tion hervorgebracht. Jene Bastarde von der ersten Generation
hielten gleichsam das Mittel zwischen beiden verschiedenen Stamm-
Aeltern von väterlicher und mütterlicher Seite. Die von der zwey-
ten hingegen ähnelten schon weit mehr der väterlichen, als der
mütterlichen. Und nachdem die gleiche künstliche Befruchtung noch
fernerweit durch zwey folgende Generationen eben so wiederholt
worden, so entstanden endlich Pflanzen, an welchen die ursprüng-
liche mütterliche Gestaltung so zu sagen ganz verwischt, und
in die väterliche umgewandelt worden. (– s. Kölreu-
ter's
dritte Fortsetzung der Nachricht von einigen das Geschlecht
der Pflanzen betreffenden Versuchen S. 51. §. 24. mit der
Ueberschrift: Gänzlich vollbrachte Verwandlung Ei-
ner natürlichen Pflanzengattung in die ande-
re
.“
–)

Da hat denn folglich alle Präformation des seit Erschaffung
der Welt conservirten mütterlichen Keims am Ende zu nichts ge-
holfen, sondern hat der bildenden Kraft des männlichen Stof-
fes (der eigentlich nach der Evolutionshypothese bloß durch seine
erweckende Kraft auf denselben hätte wirken sollen,) gänzlich
weichen müssen.

§. 8.

Und so bleibt es folglich im Ganzen unserem Erkenntniß-
vermögen und selbst den Regeln aller philosophischen Naturfor-
schung*) weit angemessener, wenn man die Entstehung der
neuerzeugten organisirten Körper bloß durch allmähliche
Ausbildung
(Epigenesis) des an sich zwar ungeformten,
aber unter den dazu erforderlichen Umständen organisirbaren,
Zeugungsstoffes erklärt.

Nur kommt es bei der vielfachen Vorstellungsart, die man
sich von einer solchen allmählichen Bildung machen kann und ge-

*) Causas rerum naturalium non plures admitti debere, quam
quae et verae sint et earum phaenomenis explicandis suffici-
ant
:"
ist ja die erste von Newton's goldenen regulis philoso-
phandi
.
<TEI xml:lang="de-DE">
  <text xmlns:xsi="http://www.w3.org/2001/XMLSchema-instance" xml:id="blume_hbnatur_000042">
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p rendition="#l1em #small"><pb facs="#f0020" xml:id="pb010_0001" n="10"/>
außer seiner erweckenden, nun auch <hi rendition="#aq">Nro</hi>. 2. in sofern eine <hi rendition="#g">bil</hi>-<lb/><hi rendition="#g">dende Kraft</hi> zu, daß er den bei der Mutter präformirt gele-<lb/>
genen Keim wohl in etwas zur väterlichen Gestaltung umzufor-<lb/>
men vermöge.</p>
          <p rendition="#l1em #small">Demnach wäre folglich <hi rendition="#g">zweyerlei Kraft</hi> im männlichen<lb/>
Samen; 1) die erweckende und 2) doch auch eine bildende. &#x2013;</p>
          <p rendition="#l1em #small">Aber man kann ja mittelst einer, mehrere Generationen hin-<lb/>
durch immer wiederholten, künstlichen Bastardzeugung endlich die<lb/><hi rendition="#g">Eine</hi> Gattung von organisirten Körpern gänzlich in die andere<lb/>
umwandeln. So hat man z. B. aus der künstlichen Befruchtung<lb/>
der <hi rendition="#g">Einen</hi> Pflanzengattung mittelst des männlichen Staubes<lb/>
von eine <hi rendition="#g">andern</hi>, Samen gezogen, welcher <hi rendition="#g">fecundable</hi> Ba-<lb/>
stardpflanzen gegeben; d. h. die sich zur Blüthezeit abermahls<lb/>
mit männlichen Staub von jener andern Gattung befruchten las-<lb/>
sen, und wiederum <hi rendition="#g">fecundable</hi> Bastarde der zweyten Genera-<lb/>
tion hervorgebracht. Jene Bastarde von der ersten Generation<lb/>
hielten gleichsam das Mittel zwischen beiden verschiedenen Stamm-<lb/>
Aeltern von väterlicher und mütterlicher Seite. Die von der zwey-<lb/>
ten hingegen ähnelten schon weit mehr der väterlichen, als der<lb/>
mütterlichen. Und nachdem die gleiche künstliche Befruchtung noch<lb/>
fernerweit durch zwey folgende Generationen eben so wiederholt<lb/>
worden, so entstanden endlich Pflanzen, an welchen die ursprüng-<lb/>
liche <hi rendition="#g">mütterliche</hi> Gestaltung so zu sagen ganz verwischt, und<lb/>
in die <hi rendition="#g">väterliche</hi> umgewandelt worden. (&#x2013; s. <hi rendition="#g">Kölreu-<lb/>
ter's</hi> dritte Fortsetzung der Nachricht von einigen das Geschlecht<lb/>
der Pflanzen betreffenden Versuchen S. 51. §. 24. mit der<lb/>
Ueberschrift: <q type="preline">&#x201E;<hi rendition="#g">Gänzlich vollbrachte Verwandlung Ei-<lb/>
ner natürlichen Pflanzengattung in die ande-<lb/>
re</hi>.&#x201C;</q> &#x2013;)</p>
          <p rendition="#l1em #small">Da hat denn folglich alle Präformation des seit Erschaffung<lb/>
der Welt conservirten mütterlichen Keims am Ende zu nichts ge-<lb/>
holfen, sondern hat der <hi rendition="#g">bildenden</hi> Kraft des männlichen Stof-<lb/>
fes (der eigentlich nach der Evolutionshypothese bloß durch seine<lb/><hi rendition="#g">erweckende</hi> Kraft auf denselben hätte wirken sollen,) gänzlich<lb/>
weichen müssen.</p>
        </div>
        <div n="2">
          <head rendition="#c">§. 8.</head><lb/>
          <p>Und so bleibt es folglich im Ganzen unserem Erkenntniß-<lb/>
vermögen und selbst den Regeln aller philosophischen Naturfor-<lb/>
schung<note anchored="true" place="foot" n="*)"><p><q type="preline">&#x201E;<hi rendition="#aq">Causas rerum naturalium non plures admitti debere, quam<lb/>
quae et verae sint et earum phaenomenis explicandis suffici-<lb/>
ant</hi>:"</q> ist ja die erste von <hi rendition="#g">Newton's</hi> goldenen <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">regulis philoso-<lb/>
phandi</hi></hi>.</p></note> weit angemessener, wenn man die Entstehung der<lb/>
neuerzeugten organisirten Körper bloß durch <hi rendition="#g">allmähliche<lb/>
Ausbildung</hi> (<hi rendition="#aq">Epigenesis</hi>) des an sich zwar ungeformten,<lb/>
aber unter den dazu erforderlichen Umständen organisirbaren,<lb/>
Zeugungsstoffes erklärt.</p>
          <p>Nur kommt es bei der vielfachen Vorstellungsart, die man<lb/>
sich von einer solchen allmählichen Bildung machen kann und ge-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[10/0020] außer seiner erweckenden, nun auch Nro. 2. in sofern eine bil- dende Kraft zu, daß er den bei der Mutter präformirt gele- genen Keim wohl in etwas zur väterlichen Gestaltung umzufor- men vermöge. Demnach wäre folglich zweyerlei Kraft im männlichen Samen; 1) die erweckende und 2) doch auch eine bildende. – Aber man kann ja mittelst einer, mehrere Generationen hin- durch immer wiederholten, künstlichen Bastardzeugung endlich die Eine Gattung von organisirten Körpern gänzlich in die andere umwandeln. So hat man z. B. aus der künstlichen Befruchtung der Einen Pflanzengattung mittelst des männlichen Staubes von eine andern, Samen gezogen, welcher fecundable Ba- stardpflanzen gegeben; d. h. die sich zur Blüthezeit abermahls mit männlichen Staub von jener andern Gattung befruchten las- sen, und wiederum fecundable Bastarde der zweyten Genera- tion hervorgebracht. Jene Bastarde von der ersten Generation hielten gleichsam das Mittel zwischen beiden verschiedenen Stamm- Aeltern von väterlicher und mütterlicher Seite. Die von der zwey- ten hingegen ähnelten schon weit mehr der väterlichen, als der mütterlichen. Und nachdem die gleiche künstliche Befruchtung noch fernerweit durch zwey folgende Generationen eben so wiederholt worden, so entstanden endlich Pflanzen, an welchen die ursprüng- liche mütterliche Gestaltung so zu sagen ganz verwischt, und in die väterliche umgewandelt worden. (– s. Kölreu- ter's dritte Fortsetzung der Nachricht von einigen das Geschlecht der Pflanzen betreffenden Versuchen S. 51. §. 24. mit der Ueberschrift: „Gänzlich vollbrachte Verwandlung Ei- ner natürlichen Pflanzengattung in die ande- re.“ –) Da hat denn folglich alle Präformation des seit Erschaffung der Welt conservirten mütterlichen Keims am Ende zu nichts ge- holfen, sondern hat der bildenden Kraft des männlichen Stof- fes (der eigentlich nach der Evolutionshypothese bloß durch seine erweckende Kraft auf denselben hätte wirken sollen,) gänzlich weichen müssen. §. 8. Und so bleibt es folglich im Ganzen unserem Erkenntniß- vermögen und selbst den Regeln aller philosophischen Naturfor- schung *) weit angemessener, wenn man die Entstehung der neuerzeugten organisirten Körper bloß durch allmähliche Ausbildung (Epigenesis) des an sich zwar ungeformten, aber unter den dazu erforderlichen Umständen organisirbaren, Zeugungsstoffes erklärt. Nur kommt es bei der vielfachen Vorstellungsart, die man sich von einer solchen allmählichen Bildung machen kann und ge- *) „Causas rerum naturalium non plures admitti debere, quam quae et verae sint et earum phaenomenis explicandis suffici- ant:" ist ja die erste von Newton's goldenen regulis philoso- phandi.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Editura GmbH & Co.KG, Berlin: Volltexterstellung und Basis-TEI-Auszeichung
Johann Friedrich Blumenbach – online: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-08-26T09:00:15Z)
Frank Wiegand: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2013-08-26T09:00:15Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Nicht erfasst: Bogensignaturen und Kustoden, Kolumnentitel.
  • Auf Titelblättern wurde auf die Auszeichnung der Schriftgrößenunterschiede zugunsten der Identifizierung von <titlePart>s verzichtet.
  • Keine Auszeichnung der Initialbuchstaben am Kapitelanfang.
  • Langes ſ: als s transkribiert.
  • Hochgestellte e über Vokalen: in moderner Schreibweise erfasst.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1832/20
Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 12. Aufl. Wien, 1832, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1832/20>, abgerufen am 03.12.2024.