stehung, als ihr Wachsthum (wenn man es gar nur Wachs- thum nennen darf), wird keinesweges durch Ernährung, son- dern lediglich nach eigentlich so genannten bloß physischen (me- chanischen und chemischen), Gesetzen durch Anhäufung oder An- satz homogener Theile von außen (aggregatio, juxta po- sitio) bewirkt; folglich ist bei ihnen weder ursprüngliche Orga- nisation noch Lebenskraft zu erwarten*).
Und eben deßhalb heißen sie unorganisirte, und jene hingegen organisirte Körper.
§. 3.
Endlich sind nun aber auch jene organisirten Körper selbst, besonders in der Art, wie sie ihre Nahrungsmittel zu sich nehmen, von einer doppelten Verschiedenheit.
Die einen nähmlich saugen einen sehr einfachen Nahrungs- saft, vorzüglich mittelst zahlreicher Fasern, die sich am untern Ende ihres Körpers befinden, ohne merkliche willkührliche Be- wegung in sich.
Da hingegen die andern eine meist einfache Hauptöffnung am obern oder vordern Ende ihres Körpers haben, die zu einem geräumigen Schlauche führt, wohin sie, vom innern Gefühle des Hungers getrieben, ihre Alimente, die von sehr verschiede- ner Art sind, mittelst willkürlicher Bewegung bringen.
Jenes sind die Pflanzen, dieses die Thiere.
Anm. Hingegen gibt die Fähigkeit den Standort zu verändern (locomotivitas) kein hinreichendes Unterscheidungszeichen der Thiere von den Pflanzen, ab. Denn viele Pflanzen, wie z. B. die gemeinen Wasserlinsen, sind nicht festgewurzelt, sondern kön- nen zu gewissen Jahrszeiten etc. ihren Aufenthalt verändern, bald zu Boden sinken, bald wieder auf die Oberfläche des Wassers steigen u. s. w. Und anderseits gibt es ganze Geschlechter von Wasserthieren, zumahl unter den Conchylien, Corallen etc. die ihren einmahl eingenommenen Platz nie von selbst wieder ver- lassen können.
§. 4.
Diese sehr faßliche Eintheilung der natürlichen Körper in organisirte und unorganisirte (§. 2.), und der organisirten wieder unter einander (§. 3.), ist nun der Grund der bekannten drey Reiche, worunter man die Naturalien sehr schicklich ge- bracht hat, und wovon das erste die Thiere, das zweyte die Pflanzen, das dritte die Mineralien begreift.
Die Thiere sind demnach belebte und beseelte organisirte
*) Vergl. Hausmann's Untersuchungen über die Formen der leblosen Natur. I B. S. 20. u. f.
stehung, als ihr Wachsthum (wenn man es gar nur Wachs- thum nennen darf), wird keinesweges durch Ernährung, son- dern lediglich nach eigentlich so genannten bloß physischen (me- chanischen und chemischen), Gesetzen durch Anhäufung oder An- satz homogener Theile von außen (aggregatio, juxta po- sitio) bewirkt; folglich ist bei ihnen weder ursprüngliche Orga- nisation noch Lebenskraft zu erwarten*).
Und eben deßhalb heißen sie unorganisirte, und jene hingegen organisirte Körper.
§. 3.
Endlich sind nun aber auch jene organisirten Körper selbst, besonders in der Art, wie sie ihre Nahrungsmittel zu sich nehmen, von einer doppelten Verschiedenheit.
Die einen nähmlich saugen einen sehr einfachen Nahrungs- saft, vorzüglich mittelst zahlreicher Fasern, die sich am untern Ende ihres Körpers befinden, ohne merkliche willkührliche Be- wegung in sich.
Da hingegen die andern eine meist einfache Hauptöffnung am obern oder vordern Ende ihres Körpers haben, die zu einem geräumigen Schlauche führt, wohin sie, vom innern Gefühle des Hungers getrieben, ihre Alimente, die von sehr verschiede- ner Art sind, mittelst willkürlicher Bewegung bringen.
Jenes sind die Pflanzen, dieses die Thiere.
Anm. Hingegen gibt die Fähigkeit den Standort zu verändern (locomotivitas) kein hinreichendes Unterscheidungszeichen der Thiere von den Pflanzen, ab. Denn viele Pflanzen, wie z. B. die gemeinen Wasserlinsen, sind nicht festgewurzelt, sondern kön- nen zu gewissen Jahrszeiten ꝛc. ihren Aufenthalt verändern, bald zu Boden sinken, bald wieder auf die Oberfläche des Wassers steigen u. s. w. Und anderseits gibt es ganze Geschlechter von Wasserthieren, zumahl unter den Conchylien, Corallen ꝛc. die ihren einmahl eingenommenen Platz nie von selbst wieder ver- lassen können.
§. 4.
Diese sehr faßliche Eintheilung der natürlichen Körper in organisirte und unorganisirte (§. 2.), und der organisirten wieder unter einander (§. 3.), ist nun der Grund der bekannten drey Reiche, worunter man die Naturalien sehr schicklich ge- bracht hat, und wovon das erste die Thiere, das zweyte die Pflanzen, das dritte die Mineralien begreift.
Die Thiere sind demnach belebte und beseelte organisirte
*) Vergl. Hausmann's Untersuchungen über die Formen der leblosen Natur. I B. S. 20. u. f.
<TEIxml:lang="de-DE"><textxmlns:xsi="http://www.w3.org/2001/XMLSchema-instance"xml:id="blume_hbnatur_000042"><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0013"xml:id="pb003_0001"n="3"/>
stehung, als ihr Wachsthum (wenn man es gar nur Wachs-<lb/>
thum nennen darf), wird keinesweges durch Ernährung, son-<lb/>
dern lediglich nach eigentlich so genannten bloß physischen (me-<lb/>
chanischen und chemischen), Gesetzen durch Anhäufung oder An-<lb/>
satz homogener Theile <hirendition="#g">von außen</hi> (<hirendition="#aq">aggregatio, juxta po-<lb/>
sitio</hi>) bewirkt; folglich ist bei ihnen weder ursprüngliche Orga-<lb/>
nisation noch Lebenskraft zu erwarten<noteanchored="true"place="foot"n="*)"><p>Vergl. <hirendition="#g">Hausmann's</hi> Untersuchungen über die Formen der<lb/>
leblosen Natur. I B. S. 20. u. f.</p></note>.</p><p>Und eben deßhalb heißen sie <hirendition="#g">unorganisirte</hi>, und jene<lb/>
hingegen <hirendition="#g">organisirte Körper</hi>.</p></div><divn="2"><headrendition="#c">§. 3.</head><lb/><p>Endlich sind nun aber auch jene <hirendition="#g">organisirten</hi> Körper<lb/>
selbst, besonders in der Art, wie sie ihre Nahrungsmittel zu<lb/>
sich nehmen, von einer doppelten Verschiedenheit.</p><p>Die einen nähmlich saugen einen sehr einfachen Nahrungs-<lb/>
saft, vorzüglich mittelst zahlreicher Fasern, die sich am untern<lb/>
Ende ihres Körpers befinden, ohne merkliche willkührliche Be-<lb/>
wegung in sich.</p><p>Da hingegen die andern eine meist einfache Hauptöffnung<lb/>
am obern oder vordern Ende ihres Körpers haben, die zu einem<lb/>
geräumigen Schlauche führt, wohin sie, vom innern Gefühle<lb/>
des Hungers getrieben, ihre Alimente, die von sehr verschiede-<lb/>
ner Art sind, mittelst willkürlicher Bewegung bringen.</p><p>Jenes sind die <hirendition="#g">Pflanzen</hi>, dieses die <hirendition="#g">Thiere</hi>.</p><prendition="#indent-1 #small"><hirendition="#g">Anm</hi>. Hingegen gibt die Fähigkeit den Standort zu verändern<lb/>
(<hirendition="#aq">locomotivitas</hi>) kein hinreichendes Unterscheidungszeichen der<lb/>
Thiere von den Pflanzen, ab. Denn viele Pflanzen, wie z. B.<lb/>
die gemeinen Wasserlinsen, sind nicht festgewurzelt, sondern kön-<lb/>
nen zu gewissen Jahrszeiten ꝛc. ihren Aufenthalt verändern, bald<lb/>
zu Boden sinken, bald wieder auf die Oberfläche des Wassers<lb/>
steigen u. s. w. Und anderseits gibt es ganze Geschlechter von<lb/>
Wasserthieren, zumahl unter den Conchylien, Corallen ꝛc. die<lb/>
ihren einmahl eingenommenen Platz nie von selbst wieder ver-<lb/>
lassen können.</p></div><divn="2"><headrendition="#c">§. 4.</head><lb/><p>Diese sehr faßliche Eintheilung der natürlichen Körper in<lb/>
organisirte und unorganisirte (§. 2.), und der organisirten<lb/>
wieder unter einander (§. 3.), ist nun der Grund der bekannten<lb/><hirendition="#g">drey Reiche</hi>, worunter man die Naturalien sehr schicklich ge-<lb/>
bracht hat, und wovon das erste die Thiere, das zweyte die<lb/>
Pflanzen, das dritte die Mineralien begreift.</p><p>Die <hirendition="#g">Thiere</hi> sind demnach belebte und beseelte organisirte<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[3/0013]
stehung, als ihr Wachsthum (wenn man es gar nur Wachs-
thum nennen darf), wird keinesweges durch Ernährung, son-
dern lediglich nach eigentlich so genannten bloß physischen (me-
chanischen und chemischen), Gesetzen durch Anhäufung oder An-
satz homogener Theile von außen (aggregatio, juxta po-
sitio) bewirkt; folglich ist bei ihnen weder ursprüngliche Orga-
nisation noch Lebenskraft zu erwarten *).
Und eben deßhalb heißen sie unorganisirte, und jene
hingegen organisirte Körper.
§. 3.
Endlich sind nun aber auch jene organisirten Körper
selbst, besonders in der Art, wie sie ihre Nahrungsmittel zu
sich nehmen, von einer doppelten Verschiedenheit.
Die einen nähmlich saugen einen sehr einfachen Nahrungs-
saft, vorzüglich mittelst zahlreicher Fasern, die sich am untern
Ende ihres Körpers befinden, ohne merkliche willkührliche Be-
wegung in sich.
Da hingegen die andern eine meist einfache Hauptöffnung
am obern oder vordern Ende ihres Körpers haben, die zu einem
geräumigen Schlauche führt, wohin sie, vom innern Gefühle
des Hungers getrieben, ihre Alimente, die von sehr verschiede-
ner Art sind, mittelst willkürlicher Bewegung bringen.
Jenes sind die Pflanzen, dieses die Thiere.
Anm. Hingegen gibt die Fähigkeit den Standort zu verändern
(locomotivitas) kein hinreichendes Unterscheidungszeichen der
Thiere von den Pflanzen, ab. Denn viele Pflanzen, wie z. B.
die gemeinen Wasserlinsen, sind nicht festgewurzelt, sondern kön-
nen zu gewissen Jahrszeiten ꝛc. ihren Aufenthalt verändern, bald
zu Boden sinken, bald wieder auf die Oberfläche des Wassers
steigen u. s. w. Und anderseits gibt es ganze Geschlechter von
Wasserthieren, zumahl unter den Conchylien, Corallen ꝛc. die
ihren einmahl eingenommenen Platz nie von selbst wieder ver-
lassen können.
§. 4.
Diese sehr faßliche Eintheilung der natürlichen Körper in
organisirte und unorganisirte (§. 2.), und der organisirten
wieder unter einander (§. 3.), ist nun der Grund der bekannten
drey Reiche, worunter man die Naturalien sehr schicklich ge-
bracht hat, und wovon das erste die Thiere, das zweyte die
Pflanzen, das dritte die Mineralien begreift.
Die Thiere sind demnach belebte und beseelte organisirte
*) Vergl. Hausmann's Untersuchungen über die Formen der
leblosen Natur. I B. S. 20. u. f.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 12. Aufl. Wien, 1832, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1832/13>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.