Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 11. Aufl. Göttingen, 1825.

Bild:
<< vorherige Seite

**), darauf an,
sie so zu bestimmen, wie sie dem Begriff von orga-
nisirten Körpern, und dann den Phänomenen, die
uns die Beobachtung bey Entstehung derselben lehrt,
am ungezwungensten entspricht.

§. 9.

Und dieß geschieht, wenn man annimmt, daß
der reise, vorher zwar umgeformte, aber organisir-
bare Zeugungsstoff der Aeltern, wenn er zu seiner
Zeit, und unter den erforderlichen Umständen an
den Ort seiner Bestimmung gelangt, dann für eine
in demselben nun zweckmäßig wirkende Lebenskraft,
nähmlich den Bildungstrieb (nisus formativus)
zuerst empfänglich wird; - für einen Trieb, der
sich von aller bloß mechanischen bildenden Kraft [als
welche auch im unorganischen Reiche Krystallisatio-
nen*) und dergl. hervorbringt] dadurch auszeichnet,
daß er nach der endlos mannigfaltig verschiedenen
Bestimmung der organisirten Körper und ihrer
Theile, die vielartig organisirbaren Zeugungsstoffe
auf eben so mannichfaltig aber zweckmäßig modifi-
cirte Weise in bestimmte Gestalten zu formen ver-
mag - und so [- durch die Verbindung des me-

**) Aber das schlechterdings Unstatthafte aller solchen bloß me-
chanischen
Erklärungsarten der allmählichen Ausbildung or-
ganisirter
Körper durch eine so genannte vis plastica (wie
es unsere ehrlichen Alten nannten), als welche eben so gut im
Mineralreich Statt hat, ergibt sich von selbst aus dem Begriff
von organisirten Körpern, als weicher durchaus zugleich Zweck-
mäßigkeit
involvirt. - s. Kant a. a. O. S. 292.
*) Die Krystallisationen unterscheiden sich von den organisir-
ten Körpern selbst schon durch die geometrische Renularität ihrer
fast immer geradlinichten Umrisse, die auf wenige Fundamental-
formen reducirbar sind; da hingegen die Gestaltungen der Thiere
und Gewächse eben wegen ihrer unübersehbar vielartigen Zweck-
mäßigkeit zu bestimmten Verrichtungen auch in unübersehlich viel-
artige Formen (von endlos variirenden Umrissen) gebildet wer-
den mußten.

**), darauf an,
sie so zu bestimmen, wie sie dem Begriff von orga-
nisirten Körpern, und dann den Phänomenen, die
uns die Beobachtung bey Entstehung derselben lehrt,
am ungezwungensten entspricht.

§. 9.

Und dieß geschieht, wenn man annimmt, daß
der reise, vorher zwar umgeformte, aber organisir-
bare Zeugungsstoff der Aeltern, wenn er zu seiner
Zeit, und unter den erforderlichen Umständen an
den Ort seiner Bestimmung gelangt, dann für eine
in demselben nun zweckmäßig wirkende Lebenskraft,
nähmlich den Bildungstrieb (nisus formativus)
zuerst empfänglich wird; – für einen Trieb, der
sich von aller bloß mechanischen bildenden Kraft [als
welche auch im unorganischen Reiche Krystallisatio-
nen*) und dergl. hervorbringt] dadurch auszeichnet,
daß er nach der endlos mannigfaltig verschiedenen
Bestimmung der organisirten Körper und ihrer
Theile, die vielartig organisirbaren Zeugungsstoffe
auf eben so mannichfaltig aber zweckmäßig modifi-
cirte Weise in bestimmte Gestalten zu formen ver-
mag – und so [– durch die Verbindung des me-

**) Aber das schlechterdings Unstatthafte aller solchen bloß me-
chanischen
Erklärungsarten der allmählichen Ausbildung or-
ganisirter
Körper durch eine so genannte vis plastica (wie
es unsere ehrlichen Alten nannten), als welche eben so gut im
Mineralreich Statt hat, ergibt sich von selbst aus dem Begriff
von organisirten Körpern, als weicher durchaus zugleich Zweck-
mäßigkeit
involvirt. – s. Kant a. a. O. S. 292.
*) Die Krystallisationen unterscheiden sich von den organisir-
ten Körpern selbst schon durch die geometrische Renularität ihrer
fast immer geradlinichten Umrisse, die auf wenige Fundamental-
formen reducirbar sind; da hingegen die Gestaltungen der Thiere
und Gewächse eben wegen ihrer unübersehbar vielartigen Zweck-
mäßigkeit zu bestimmten Verrichtungen auch in unübersehlich viel-
artige Formen (von endlos variirenden Umrissen) gebildet wer-
den mußten.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><note anchored="true" place="foot" n="**)"><p><pb facs="#f0037" xml:id="pb015_0002" n="15"/></p><p>Aber das schlechterdings Unstatthafte aller solchen <hi rendition="#g">bloß me-<lb/>
chanischen</hi> Erklärungsarten der allmählichen Ausbildung <hi rendition="#g">or-<lb/>
ganisirter</hi> Körper durch eine so genannte <hi rendition="#aq">vis plastica</hi> (wie<lb/>
es unsere ehrlichen Alten nannten), als welche eben so gut im<lb/>
Mineralreich Statt hat, ergibt sich von selbst aus dem Begriff<lb/>
von organisirten Körpern, als weicher durchaus zugleich <hi rendition="#g">Zweck-<lb/>
mäßigkeit</hi> involvirt. &#x2013; s. <hi rendition="#g">Kant</hi> a. a. O. S. 292.</p></note>, darauf an,<lb/>
sie so zu bestimmen, wie sie dem Begriff von orga-<lb/>
nisirten Körpern, und dann den Phänomenen, die<lb/>
uns die Beobachtung bey Entstehung derselben lehrt,<lb/>
am ungezwungensten entspricht.</p>
        </div>
        <div n="2">
          <head rendition="#c">§. 9.</head><lb/>
          <p>Und dieß geschieht, wenn man annimmt, daß<lb/>
der reise, vorher zwar umgeformte, aber organisir-<lb/>
bare Zeugungsstoff der Aeltern, wenn er zu seiner<lb/>
Zeit, und unter den erforderlichen Umständen an<lb/>
den Ort seiner Bestimmung gelangt, dann für eine<lb/>
in demselben nun zweckmäßig wirkende Lebenskraft,<lb/>
nähmlich den <hi rendition="#g">Bildungstrieb</hi> (<hi rendition="#aq">nisus formativus</hi>)<lb/>
zuerst empfänglich wird; &#x2013; für einen Trieb, der<lb/>
sich von aller bloß mechanischen bildenden Kraft [als<lb/>
welche auch im unorganischen Reiche Krystallisatio-<lb/>
nen<note anchored="true" place="foot" n="*)"><p>Die Krystallisationen unterscheiden sich von den organisir-<lb/>
ten Körpern selbst schon durch die geometrische Renularität ihrer<lb/>
fast immer geradlinichten Umrisse, die auf wenige Fundamental-<lb/>
formen reducirbar sind; da hingegen die Gestaltungen der Thiere<lb/>
und Gewächse eben wegen ihrer unübersehbar vielartigen Zweck-<lb/>
mäßigkeit zu bestimmten Verrichtungen auch in unübersehlich viel-<lb/>
artige Formen (von endlos variirenden Umrissen) gebildet wer-<lb/>
den mußten.</p></note> und dergl. hervorbringt] dadurch auszeichnet,<lb/>
daß er nach der endlos mannigfaltig verschiedenen<lb/>
Bestimmung der organisirten Körper und ihrer<lb/>
Theile, die vielartig organisirbaren Zeugungsstoffe<lb/>
auf eben so mannichfaltig aber zweckmäßig modifi-<lb/>
cirte Weise in bestimmte Gestalten zu formen ver-<lb/>
mag &#x2013; und so [&#x2013; durch die Verbindung des me-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[15/0037] **), darauf an, sie so zu bestimmen, wie sie dem Begriff von orga- nisirten Körpern, und dann den Phänomenen, die uns die Beobachtung bey Entstehung derselben lehrt, am ungezwungensten entspricht. §. 9. Und dieß geschieht, wenn man annimmt, daß der reise, vorher zwar umgeformte, aber organisir- bare Zeugungsstoff der Aeltern, wenn er zu seiner Zeit, und unter den erforderlichen Umständen an den Ort seiner Bestimmung gelangt, dann für eine in demselben nun zweckmäßig wirkende Lebenskraft, nähmlich den Bildungstrieb (nisus formativus) zuerst empfänglich wird; – für einen Trieb, der sich von aller bloß mechanischen bildenden Kraft [als welche auch im unorganischen Reiche Krystallisatio- nen *) und dergl. hervorbringt] dadurch auszeichnet, daß er nach der endlos mannigfaltig verschiedenen Bestimmung der organisirten Körper und ihrer Theile, die vielartig organisirbaren Zeugungsstoffe auf eben so mannichfaltig aber zweckmäßig modifi- cirte Weise in bestimmte Gestalten zu formen ver- mag – und so [– durch die Verbindung des me- **) Aber das schlechterdings Unstatthafte aller solchen bloß me- chanischen Erklärungsarten der allmählichen Ausbildung or- ganisirter Körper durch eine so genannte vis plastica (wie es unsere ehrlichen Alten nannten), als welche eben so gut im Mineralreich Statt hat, ergibt sich von selbst aus dem Begriff von organisirten Körpern, als weicher durchaus zugleich Zweck- mäßigkeit involvirt. – s. Kant a. a. O. S. 292. *) Die Krystallisationen unterscheiden sich von den organisir- ten Körpern selbst schon durch die geometrische Renularität ihrer fast immer geradlinichten Umrisse, die auf wenige Fundamental- formen reducirbar sind; da hingegen die Gestaltungen der Thiere und Gewächse eben wegen ihrer unübersehbar vielartigen Zweck- mäßigkeit zu bestimmten Verrichtungen auch in unübersehlich viel- artige Formen (von endlos variirenden Umrissen) gebildet wer- den mußten.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Editura GmbH & Co.KG, Berlin: Volltexterstellung und Basis-TEI-Auszeichung
Johann Friedrich Blumenbach – online: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-08-26T09:00:15Z)
Frank Wiegand: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2013-08-26T09:00:15Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Nicht erfasst: Bogensignaturen und Kustoden, Kolumnentitel.
  • Auf Titelblättern wurde auf die Auszeichnung der Schriftgrößenunterschiede zugunsten der Identifizierung von <titlePart>s verzichtet.
  • Keine Auszeichnung der Initialbuchstaben am Kapitelanfang.
  • Langes ſ: als s transkribiert.
  • Hochgestellte e über Vokalen: in moderner Schreibweise erfasst.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1825
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1825/37
Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 11. Aufl. Göttingen, 1825, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1825/37>, abgerufen am 21.12.2024.