So hat man z. B. aus der künstlichen Befruchtung der Einen Pflanzengattung mittelst des männlichen Staubes von einer andern, Samen gezogen, wel- cher fecundabele Bastardpflanzen gegeben; d. h. die sich zur Blühezeit abermahls mit männlichem Staub von jener andern Gattung befruchten lassen, und wie- derum fecundabele Bastarde der zweyten Gene- ration hervorgebracht. Jene Bastarde von der ersten Generation hielten gleichsam das Mittel zwischen bey- den verschiedenen Stammältern von väterlicher und mütterlicher Seite. Die von der zweyten hingegen ähnelten schon weit mehr der väterlichen, als der mütterlichen. Und nachdem die gleiche künstliche Be- fruchtung noch fernerweit durch zwey folgende Gene- rationen eben so wiederhohlt worden, so entstanden endlich Pflanzen, an welchen die ursprüngliche müt- terliche Gestaltung so zu sagen ganz verwischt, und in die väterliche umgewandelt worden. - (s. Köl- reuter's dritte Fortsetzung der Nachricht von einigen das Geschlecht der Pflanzen betreffenden Versuchen S 51. §. 24. mit der Überschrift: "Gänzlich voll- brachte Verwandlung einer natürlichen Pflanzengattung in die andere." -)
Da hat denn sogleich alle Präformation des seit Erschaffung der Welt conservirten mütterlichen Keims am Ende zu nichts geholfen, sondern hat der bilden- den Kraft des männlichen Stoffes (der eigentlich nach der Evolutionshypothese bloß durch seine erwecken- de Kraft auf denselben hätte wirken sollen,) gänzlich weichen müssen!
§. 8.
Und so bleibt es folglich im Ganzen unserem Er- kenntnißvermögen und selbst den Regeln aller philoso- phischen Naturforschung*) weit angemessener, wenn man die Entstehung der neuerzeugten organisirten Körper bloß durch allmähliche Ausbildung
*)"Causas rerum naturalium non plures admitti debere, quam quae et verae sint et earum phaenomenis explicandis suf- ficiant:" ist ja die erste von Newton's goldenen regulis philosophandi.
So hat man z. B. aus der künstlichen Befruchtung der Einen Pflanzengattung mittelst des männlichen Staubes von einer andern, Samen gezogen, wel- cher fecundabele Bastardpflanzen gegeben; d. h. die sich zur Blühezeit abermahls mit männlichem Staub von jener andern Gattung befruchten lassen, und wie- derum fecundabele Bastarde der zweyten Gene- ration hervorgebracht. Jene Bastarde von der ersten Generation hielten gleichsam das Mittel zwischen bey- den verschiedenen Stammältern von väterlicher und mütterlicher Seite. Die von der zweyten hingegen ähnelten schon weit mehr der väterlichen, als der mütterlichen. Und nachdem die gleiche künstliche Be- fruchtung noch fernerweit durch zwey folgende Gene- rationen eben so wiederhohlt worden, so entstanden endlich Pflanzen, an welchen die ursprüngliche müt- terliche Gestaltung so zu sagen ganz verwischt, und in die väterliche umgewandelt worden. – (s. Köl- reuter's dritte Fortsetzung der Nachricht von einigen das Geschlecht der Pflanzen betreffenden Versuchen S 51. §. 24. mit der Überschrift: „Gänzlich voll- brachte Verwandlung einer natürlichen Pflanzengattung in die andere.“ –)
Da hat denn sogleich alle Präformation des seit Erschaffung der Welt conservirten mütterlichen Keims am Ende zu nichts geholfen, sondern hat der bilden- den Kraft des männlichen Stoffes (der eigentlich nach der Evolutionshypothese bloß durch seine erwecken- de Kraft auf denselben hätte wirken sollen,) gänzlich weichen müssen!
§. 8.
Und so bleibt es folglich im Ganzen unserem Er- kenntnißvermögen und selbst den Regeln aller philoso- phischen Naturforschung*) weit angemessener, wenn man die Entstehung der neuerzeugten organisirten Körper bloß durch allmähliche Ausbildung
*)„Causas rerum naturalium non plures admitti debere, quam quae et verae sint et earum phaenomenis explicandis suf- ficiant:“ ist ja die erste von Newton's goldenen regulis philosophandi.
<TEIxml:lang="de-DE"><textxml:id="blume_hbnatur_000041"><group><textxml:id="blume_hbnatur_000041_1"n="1"><body><divn="1"><divn="2"><prendition="#l1em #small"><pbfacs="#f0033"xml:id="pb014_01_0001"n="14"/>
So hat man z. B. aus der künstlichen Befruchtung<lb/>
der <hirendition="#g">Einen</hi> Pflanzengattung mittelst des männlichen<lb/>
Staubes von einer <hirendition="#g">andern</hi>, Samen gezogen, wel-<lb/>
cher <hirendition="#g">fecundabele</hi> Bastardpflanzen gegeben; d. h.<lb/>
die sich zur Blühezeit abermahls mit männlichem Staub<lb/>
von jener andern Gattung befruchten lassen, und wie-<lb/>
derum <hirendition="#g">fecundabele</hi> Bastarde der zweyten Gene-<lb/>
ration hervorgebracht. Jene Bastarde von der ersten<lb/>
Generation hielten gleichsam das Mittel zwischen bey-<lb/>
den verschiedenen Stammältern von väterlicher und<lb/>
mütterlicher Seite. Die von der zweyten hingegen<lb/>
ähnelten schon weit mehr der väterlichen, als der<lb/>
mütterlichen. Und nachdem die gleiche künstliche Be-<lb/>
fruchtung noch fernerweit durch zwey folgende Gene-<lb/>
rationen eben so wiederhohlt worden, so entstanden<lb/>
endlich Pflanzen, an welchen die ursprüngliche <hirendition="#g">müt-<lb/>
terliche</hi> Gestaltung so zu sagen ganz verwischt, und<lb/>
in die <hirendition="#g">väterliche</hi> umgewandelt worden. – (s. <hirendition="#g">Köl-<lb/>
reuter's</hi> dritte Fortsetzung der Nachricht von einigen<lb/>
das Geschlecht der Pflanzen betreffenden Versuchen<lb/>
S 51. §. 24. mit der Überschrift: <q>„<hirendition="#g">Gänzlich voll-<lb/>
brachte Verwandlung einer natürlichen<lb/>
Pflanzengattung in die andere</hi>.“</q>–)</p><prendition="#l1em #small">Da hat denn sogleich alle Präformation des seit<lb/>
Erschaffung der Welt conservirten mütterlichen Keims<lb/>
am Ende zu nichts geholfen, sondern hat der <hirendition="#g">bilden-<lb/>
den</hi> Kraft des männlichen Stoffes (der eigentlich nach<lb/>
der Evolutionshypothese bloß durch seine <hirendition="#g">erwecken-<lb/>
de</hi> Kraft auf denselben hätte wirken sollen,) gänzlich<lb/>
weichen müssen!</p></div><divn="2"><headrendition="#c">§. 8.</head><lb/><p>Und so bleibt es folglich im Ganzen unserem Er-<lb/>
kenntnißvermögen und selbst den Regeln aller philoso-<lb/>
phischen Naturforschung<noteanchored="true"place="foot"n="*)"><p><qtype="preline">„<hirendition="#aq">Causas rerum naturalium non plures admitti debere, quam<lb/>
quae et verae sint et earum phaenomenis explicandis suf-<lb/>
ficiant</hi>:“</q> ist ja die erste von <hirendition="#g">Newton's</hi> goldenen <hirendition="#i"><hirendition="#aq">regulis<lb/>
philosophandi</hi></hi>.</p></note> weit angemessener, wenn<lb/>
man die Entstehung der neuerzeugten organisirten<lb/>
Körper bloß durch <hirendition="#g">allmähliche Ausbildung</hi><lb/></p></div></div></body></text></group></text></TEI>
[14/0033]
So hat man z. B. aus der künstlichen Befruchtung
der Einen Pflanzengattung mittelst des männlichen
Staubes von einer andern, Samen gezogen, wel-
cher fecundabele Bastardpflanzen gegeben; d. h.
die sich zur Blühezeit abermahls mit männlichem Staub
von jener andern Gattung befruchten lassen, und wie-
derum fecundabele Bastarde der zweyten Gene-
ration hervorgebracht. Jene Bastarde von der ersten
Generation hielten gleichsam das Mittel zwischen bey-
den verschiedenen Stammältern von väterlicher und
mütterlicher Seite. Die von der zweyten hingegen
ähnelten schon weit mehr der väterlichen, als der
mütterlichen. Und nachdem die gleiche künstliche Be-
fruchtung noch fernerweit durch zwey folgende Gene-
rationen eben so wiederhohlt worden, so entstanden
endlich Pflanzen, an welchen die ursprüngliche müt-
terliche Gestaltung so zu sagen ganz verwischt, und
in die väterliche umgewandelt worden. – (s. Köl-
reuter's dritte Fortsetzung der Nachricht von einigen
das Geschlecht der Pflanzen betreffenden Versuchen
S 51. §. 24. mit der Überschrift: „Gänzlich voll-
brachte Verwandlung einer natürlichen
Pflanzengattung in die andere.“ –)
Da hat denn sogleich alle Präformation des seit
Erschaffung der Welt conservirten mütterlichen Keims
am Ende zu nichts geholfen, sondern hat der bilden-
den Kraft des männlichen Stoffes (der eigentlich nach
der Evolutionshypothese bloß durch seine erwecken-
de Kraft auf denselben hätte wirken sollen,) gänzlich
weichen müssen!
§. 8.
Und so bleibt es folglich im Ganzen unserem Er-
kenntnißvermögen und selbst den Regeln aller philoso-
phischen Naturforschung *) weit angemessener, wenn
man die Entstehung der neuerzeugten organisirten
Körper bloß durch allmähliche Ausbildung
*) „Causas rerum naturalium non plures admitti debere, quam
quae et verae sint et earum phaenomenis explicandis suf-
ficiant:“ ist ja die erste von Newton's goldenen regulis
philosophandi.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 9. Aufl. Wien, 1816, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1816/33>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.