Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 9. Aufl. Göttingen, 1814.

Bild:
<< vorherige Seite
§. 142.

Allein während der Zeit, da das Geschöpf
so ganz fühllos und erstarrt in seiner Hülse
vergraben scheint, geht mit ihm selbst die
große Palingenesie vor, daß es aus sei-
nem Larvenstand zum vollkommenen Insect
(insectum declaratum, imago) umgebildet
wird, und nach bestimmter Zeit aus seinem
Kerker hervorbrechen kann. Manche Insecten
absolviren die letzte Rolle ihres Lebens in einer
sehr kurzen Zeit. Verschiedene bringen, wenn
sie aus ihrer Hülfe kriechen, nicht ein Mahl
einen Mund mit zur Welt, sie fressen nicht
mehr, sie wachsen nicht weiter; jene beyden Be-
stimmungen eines organisirten Körpers hatten
sie schon als Larven erfüllt; jetzt ist ihnen nur
noch die dritte übrig: sie sollen ihr Geschlecht
fortpflanzen, und dann der Nachkommen-
schaft Platz machen, und sterben.

§. 143.

Die unmittelbare Brauchbarkeit der In-
secten für den Menchen ist ziemlich einfach: dage-
gen aber ist der Antheil, den diese kleinen wenig
bemerkten Thiere an der großen Haushaltung der
Natur haben, desto mannigfaltiger und ganz
unermeßlich. Sie sind es, die unzählige Arten
von Unkraut theils im Keim ersticken, theils,
wenn es auch ausgewachsen ist, vertilgen, und
seinem fernern Wuchern vorbeugen. Einen an-

§. 142.

Allein während der Zeit, da das Geschöpf
so ganz fühllos und erstarrt in seiner Hülse
vergraben scheint, geht mit ihm selbst die
große Palingenesie vor, daß es aus sei-
nem Larvenstand zum vollkommenen Insect
(insectum declaratum, imago) umgebildet
wird, und nach bestimmter Zeit aus seinem
Kerker hervorbrechen kann. Manche Insecten
absolviren die letzte Rolle ihres Lebens in einer
sehr kurzen Zeit. Verschiedene bringen, wenn
sie aus ihrer Hülfe kriechen, nicht ein Mahl
einen Mund mit zur Welt, sie fressen nicht
mehr, sie wachsen nicht weiter; jene beyden Be-
stimmungen eines organisirten Körpers hatten
sie schon als Larven erfüllt; jetzt ist ihnen nur
noch die dritte übrig: sie sollen ihr Geschlecht
fortpflanzen, und dann der Nachkommen-
schaft Platz machen, und sterben.

§. 143.

Die unmittelbare Brauchbarkeit der In-
secten für den Menchen ist ziemlich einfach: dage-
gen aber ist der Antheil, den diese kleinen wenig
bemerkten Thiere an der großen Haushaltung der
Natur haben, desto mannigfaltiger und ganz
unermeßlich. Sie sind es, die unzählige Arten
von Unkraut theils im Keim ersticken, theils,
wenn es auch ausgewachsen ist, vertilgen, und
seinem fernern Wuchern vorbeugen. Einen an-

<TEI>
  <text xml:id="blume_hbnatur_000031">
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0338" xml:id="pb320_0001" n="320"/>
          <head rendition="#c">§. 142.</head><lb/>
          <p>Allein während der Zeit, da das Geschöpf<lb/>
so ganz fühllos und erstarrt in seiner Hülse<lb/>
vergraben scheint, geht mit ihm selbst die<lb/>
große Palingenesie vor, daß es aus sei-<lb/>
nem Larvenstand zum vollkommenen Insect<lb/>
(<hi rendition="#aq">insectum declaratum, imago</hi>) umgebildet<lb/>
wird, und nach bestimmter Zeit aus seinem<lb/>
Kerker hervorbrechen kann. Manche Insecten<lb/>
absolviren die letzte Rolle ihres Lebens in einer<lb/>
sehr kurzen Zeit. Verschiedene bringen, wenn<lb/>
sie aus ihrer Hülfe kriechen, nicht ein Mahl<lb/>
einen Mund mit zur Welt, sie fressen nicht<lb/>
mehr, sie wachsen nicht weiter; jene beyden Be-<lb/>
stimmungen eines organisirten Körpers hatten<lb/>
sie schon als Larven erfüllt; jetzt ist ihnen nur<lb/>
noch die dritte übrig: sie sollen ihr Geschlecht<lb/>
fortpflanzen, und dann der Nachkommen-<lb/>
schaft Platz machen, und sterben.</p>
        </div>
        <div n="2">
          <head rendition="#c">§. 143.</head><lb/>
          <p>Die unmittelbare Brauchbarkeit der In-<lb/>
secten für den Menchen ist ziemlich einfach: dage-<lb/>
gen aber ist der Antheil, den diese kleinen wenig<lb/>
bemerkten Thiere an der großen Haushaltung der<lb/>
Natur haben, desto mannigfaltiger und ganz<lb/>
unermeßlich. Sie sind es, die unzählige Arten<lb/>
von Unkraut theils im Keim ersticken, theils,<lb/>
wenn es auch ausgewachsen ist, vertilgen, und<lb/>
seinem fernern Wuchern vorbeugen. Einen an-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[320/0338] §. 142. Allein während der Zeit, da das Geschöpf so ganz fühllos und erstarrt in seiner Hülse vergraben scheint, geht mit ihm selbst die große Palingenesie vor, daß es aus sei- nem Larvenstand zum vollkommenen Insect (insectum declaratum, imago) umgebildet wird, und nach bestimmter Zeit aus seinem Kerker hervorbrechen kann. Manche Insecten absolviren die letzte Rolle ihres Lebens in einer sehr kurzen Zeit. Verschiedene bringen, wenn sie aus ihrer Hülfe kriechen, nicht ein Mahl einen Mund mit zur Welt, sie fressen nicht mehr, sie wachsen nicht weiter; jene beyden Be- stimmungen eines organisirten Körpers hatten sie schon als Larven erfüllt; jetzt ist ihnen nur noch die dritte übrig: sie sollen ihr Geschlecht fortpflanzen, und dann der Nachkommen- schaft Platz machen, und sterben. §. 143. Die unmittelbare Brauchbarkeit der In- secten für den Menchen ist ziemlich einfach: dage- gen aber ist der Antheil, den diese kleinen wenig bemerkten Thiere an der großen Haushaltung der Natur haben, desto mannigfaltiger und ganz unermeßlich. Sie sind es, die unzählige Arten von Unkraut theils im Keim ersticken, theils, wenn es auch ausgewachsen ist, vertilgen, und seinem fernern Wuchern vorbeugen. Einen an-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Editura GmbH & Co.KG, Berlin: Volltexterstellung und Basis-TEI-Auszeichung
Johann Friedrich Blumenbach – online: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-08-26T09:00:15Z)
Frank Wiegand: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2013-08-26T09:00:15Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Nicht erfasst: Bogensignaturen und Kustoden, Kolumnentitel.
  • Auf Titelblättern wurde auf die Auszeichnung der Schriftgrößenunterschiede zugunsten der Identifizierung von <titlePart>s verzichtet.
  • Keine Auszeichnung der Initialbuchstaben am Kapitelanfang.
  • Langes ſ: als s transkribiert.
  • Hochgestellte e über Vokalen: in moderner Schreibweise erfasst.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1814
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1814/338
Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 9. Aufl. Göttingen, 1814, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1814/338>, abgerufen am 30.12.2024.