Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 2. Aufl. Göttingen, 1782.

Bild:
<< vorherige Seite

nur in einem bestimmten Alter ihres Lebens
vollzogen, dahingegen Ernährung und Wachs-
thum (letzteres nemlich im weitläuftigen Sinn
genommen) lebenswierig dauern. Die also
vor dem bestimmten Alter absterben, können
diese Bestimmung gar nie erfüllen, und die es
überleben, sind auch nachher unvermögend dazu.

§. 10.

Sich die Entstehung der organisirten
Körper zu erklären, hat man neuerlich die frey-
lich ganz commode Lehre der Evolution ange-
nommen, und gemeynt, die Thiere und Ge-
wächse würden bey der Empfängnis gar nicht
erst erzeugt, sondern lägen schon seit der ersten
Schöpfung als völlig gebildete Reime bey ih-
ren Eltern und Vorfahren längstens vorräthig;
steckten gleichsam wie eingepackte Schachteln
in einander, und würden nur nach und nach
durch die Befruchtung entwickelt und ans Licht
gebracht. Manche Gelehrte haben diese Reime
beym Vater, andere hingegen haben sie bey
der Mutter gesucht. Jene glaubten sie in den
sogenannten Saamenthiergen, diese aber im
weidlichen Eyerstock gesunden zu haben. Al-
lein der zahllosen und unauflöslichen Schwie-
rigkeiten zu geschweigen, die sich bey einer prä-
judizlosen Beleuchtung gegen eine solche Lehre
empören, so braucht man blos zu erwägen, daß
es nicht genug ist sich nur die erste Entstehung

nur in einem bestimmten Alter ihres Lebens
vollzogen, dahingegen Ernährung und Wachs-
thum (letzteres nemlich im weitläuftigen Sinn
genommen) lebenswierig dauern. Die also
vor dem bestimmten Alter absterben, können
diese Bestimmung gar nie erfüllen, und die es
überleben, sind auch nachher unvermögend dazu.

§. 10.

Sich die Entstehung der organisirten
Körper zu erklären, hat man neuerlich die frey-
lich ganz commode Lehre der Evolution ange-
nommen, und gemeynt, die Thiere und Ge-
wächse würden bey der Empfängnis gar nicht
erst erzeugt, sondern lägen schon seit der ersten
Schöpfung als völlig gebildete Reime bey ih-
ren Eltern und Vorfahren längstens vorräthig;
steckten gleichsam wie eingepackte Schachteln
in einander, und würden nur nach und nach
durch die Befruchtung entwickelt und ans Licht
gebracht. Manche Gelehrte haben diese Reime
beym Vater, andere hingegen haben sie bey
der Mutter gesucht. Jene glaubten sie in den
sogenannten Saamenthiergen, diese aber im
weidlichen Eyerstock gesunden zu haben. Al-
lein der zahllosen und unauflöslichen Schwie-
rigkeiten zu geschweigen, die sich bey einer prä-
judizlosen Beleuchtung gegen eine solche Lehre
empören, so braucht man blos zu erwägen, daß
es nicht genug ist sich nur die erste Entstehung

<TEI>
  <text xml:id="blume_hbnatur_000023">
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0026" xml:id="pb014_0001" n="14"/>
nur in einem bestimmten Alter ihres Lebens<lb/>
vollzogen, dahingegen Ernährung und Wachs-<lb/>
thum (letzteres nemlich im weitläuftigen Sinn<lb/>
genommen) lebenswierig dauern. Die also<lb/>
vor dem bestimmten Alter absterben, können<lb/>
diese Bestimmung gar nie erfüllen, und die es<lb/>
überleben, sind auch nachher unvermögend dazu.</p>
        </div>
        <div n="2">
          <head rendition="#c">§. 10.</head><lb/>
          <p>Sich die Entstehung der organisirten<lb/>
Körper zu erklären, hat man neuerlich die frey-<lb/>
lich ganz commode Lehre der Evolution ange-<lb/>
nommen, und gemeynt, die Thiere und Ge-<lb/>
wächse würden bey der Empfängnis gar nicht<lb/>
erst erzeugt, sondern lägen schon seit der ersten<lb/>
Schöpfung als völlig gebildete Reime bey ih-<lb/>
ren Eltern und Vorfahren längstens vorräthig;<lb/>
steckten gleichsam wie eingepackte Schachteln<lb/>
in einander, und würden nur nach und nach<lb/>
durch die Befruchtung entwickelt und ans Licht<lb/>
gebracht. Manche Gelehrte haben diese Reime<lb/>
beym Vater, andere hingegen haben sie bey<lb/>
der Mutter gesucht. Jene glaubten sie in den<lb/>
sogenannten Saamenthiergen, diese aber im<lb/>
weidlichen Eyerstock gesunden zu haben. Al-<lb/>
lein der zahllosen und unauflöslichen Schwie-<lb/>
rigkeiten zu geschweigen, die sich bey einer prä-<lb/>
judizlosen Beleuchtung gegen eine solche Lehre<lb/>
empören, so braucht man blos zu erwägen, daß<lb/>
es nicht genug ist sich nur die erste Entstehung<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[14/0026] nur in einem bestimmten Alter ihres Lebens vollzogen, dahingegen Ernährung und Wachs- thum (letzteres nemlich im weitläuftigen Sinn genommen) lebenswierig dauern. Die also vor dem bestimmten Alter absterben, können diese Bestimmung gar nie erfüllen, und die es überleben, sind auch nachher unvermögend dazu. §. 10. Sich die Entstehung der organisirten Körper zu erklären, hat man neuerlich die frey- lich ganz commode Lehre der Evolution ange- nommen, und gemeynt, die Thiere und Ge- wächse würden bey der Empfängnis gar nicht erst erzeugt, sondern lägen schon seit der ersten Schöpfung als völlig gebildete Reime bey ih- ren Eltern und Vorfahren längstens vorräthig; steckten gleichsam wie eingepackte Schachteln in einander, und würden nur nach und nach durch die Befruchtung entwickelt und ans Licht gebracht. Manche Gelehrte haben diese Reime beym Vater, andere hingegen haben sie bey der Mutter gesucht. Jene glaubten sie in den sogenannten Saamenthiergen, diese aber im weidlichen Eyerstock gesunden zu haben. Al- lein der zahllosen und unauflöslichen Schwie- rigkeiten zu geschweigen, die sich bey einer prä- judizlosen Beleuchtung gegen eine solche Lehre empören, so braucht man blos zu erwägen, daß es nicht genug ist sich nur die erste Entstehung

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Editura GmbH & Co.KG, Berlin: Volltexterstellung und Basis-TEI-Auszeichung
Johann Friedrich Blumenbach – online: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-08-26T09:00:15Z)
Frank Wiegand: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2013-08-26T09:00:15Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Nicht erfasst: Bogensignaturen und Kustoden, Kolumnentitel.
  • Auf Titelblättern wurde auf die Auszeichnung der Schriftgrößenunterschiede zugunsten der Identifizierung von <titlePart>s verzichtet.
  • Keine Auszeichnung der Initialbuchstaben am Kapitelanfang.
  • Langes ſ: als s transkribiert.
  • Hochgestellte e über Vokalen: in moderner Schreibweise erfasst.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1782
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1782/26
Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 2. Aufl. Göttingen, 1782, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1782/26>, abgerufen am 21.11.2024.