Der Biber lebt in der nördlichen Erde, am liebsten in einsamen Gegenden an Teichen und grössern Flüssen. Er geht zu Nachtzeit seinen Geschäften nach, und nährt sich von Baumrin- den, zu deren Verdauung sein Magen ganz be- sonders eingerichtet, und gleich beym Eingang mit grossen Schleimdrüsen besetzt ist. Der Biber wirb wegen seiner feinen Haare für die Handlung, und für die Arzneykunst wegen einer schmierichten Substanz wichtig, die sich bey bei- den Geschlechtern in besondern Behältern unterm Schwanze findet, und die unter dem unschickli- lichen Namen Bibergeil, als eins der wirksam- sten Heilmittel verbraucht wird. Was aber die, se Thiere, zumal für die Naturgeschichte, noch bey weitem merkwürdiger macht, sind die erstaun- lichen Kunsttriebe mit welchen sie, besonders in den grossen Strömen von Nordamerica, ihre Wohnungen anlegen. Unsere Europäischen Bi- ber bauen zwar auch, allein da sie meist isolirt, höchstens nur wenige beysammen leben, so sind ihre Gebäude kleiner, zerstreut, meist un- term Wasser, und nicht so ins Grosse gehend, als der Biber in Canada ihre, die sich im Früh- jahr zu hunderten an den Ufern der Seen und Flüsse versammlen, und dann mit vereinten Kräf- ten Wohnungen aufführen, die Menschenkunst be- schämen, und bey deren Besitz ein Californier oder Feuerländer glücklich seyn würde. Sie fäl- len Bäume, behauen sie zu Pfälen, schleppen Steine, Thon etc. zusammen, führen grosse Däm- me auf, und bauen dann erst ihre eigentlichen Wohnhütten dahinter, die von ovaler Form sind, und den Kralen der Hottentotten äneln. Sie sind,
La Hontan, Memoires de l'Amer. septentr. T. III.
Der Biber lebt in der nördlichen Erde, am liebsten in einsamen Gegenden an Teichen und grössern Flüssen. Er geht zu Nachtzeit seinen Geschäften nach, und nährt sich von Baumrin- den, zu deren Verdauung sein Magen ganz be- sonders eingerichtet, und gleich beym Eingang mit grossen Schleimdrüsen besetzt ist. Der Biber wirb wegen seiner feinen Haare für die Handlung, und für die Arzneykunst wegen einer schmierichten Substanz wichtig, die sich bey bei- den Geschlechtern in besondern Behältern unterm Schwanze findet, und die unter dem unschickli- lichen Namen Bibergeil, als eins der wirksam- sten Heilmittel verbraucht wird. Was aber die, se Thiere, zumal für die Naturgeschichte, noch bey weitem merkwürdiger macht, sind die erstaun- lichen Kunsttriebe mit welchen sie, besonders in den grossen Strömen von Nordamerica, ihre Wohnungen anlegen. Unsere Europäischen Bi- ber bauen zwar auch, allein da sie meist isolirt, höchstens nur wenige beysammen leben, so sind ihre Gebäude kleiner, zerstreut, meist un- term Wasser, und nicht so ins Grosse gehend, als der Biber in Canada ihre, die sich im Früh- jahr zu hunderten an den Ufern der Seen und Flüsse versammlen, und dann mit vereinten Kräf- ten Wohnungen aufführen, die Menschenkunst be- schämen, und bey deren Besitz ein Californier oder Feuerländer glücklich seyn würde. Sie fäl- len Bäume, behauen sie zu Pfälen, schleppen Steine, Thon ꝛc. zusammen, führen grosse Däm- me auf, und bauen dann erst ihre eigentlichen Wohnhütten dahinter, die von ovaler Form sind, und den Kralen der Hottentotten äneln. Sie sind,
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La Hontan, Memoires de l'Amer. septentr.
T. III.
Der Biber lebt in der nördlichen Erde, am
liebsten in einsamen Gegenden an Teichen und
grössern Flüssen. Er geht zu Nachtzeit seinen
Geschäften nach, und nährt sich von Baumrin-
den, zu deren Verdauung sein Magen ganz be-
sonders eingerichtet, und gleich beym Eingang
mit grossen Schleimdrüsen besetzt ist. Der
Biber wirb wegen seiner feinen Haare für die
Handlung, und für die Arzneykunst wegen einer
schmierichten Substanz wichtig, die sich bey bei-
den Geschlechtern in besondern Behältern unterm
Schwanze findet, und die unter dem unschickli-
lichen Namen Bibergeil, als eins der wirksam-
sten Heilmittel verbraucht wird. Was aber die,
se Thiere, zumal für die Naturgeschichte, noch
bey weitem merkwürdiger macht, sind die erstaun-
lichen Kunsttriebe mit welchen sie, besonders in
den grossen Strömen von Nordamerica, ihre
Wohnungen anlegen. Unsere Europäischen Bi-
ber bauen zwar auch, allein da sie meist isolirt,
höchstens nur wenige beysammen leben, so sind
ihre Gebäude kleiner, zerstreut, meist un-
term Wasser, und nicht so ins Grosse gehend,
als der Biber in Canada ihre, die sich im Früh-
jahr zu hunderten an den Ufern der Seen und
Flüsse versammlen, und dann mit vereinten Kräf-
ten Wohnungen aufführen, die Menschenkunst be-
schämen, und bey deren Besitz ein Californier
oder Feuerländer glücklich seyn würde. Sie fäl-
len Bäume, behauen sie zu Pfälen, schleppen
Steine, Thon ꝛc. zusammen, führen grosse Däm-
me auf, und bauen dann erst ihre eigentlichen
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Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. Bd. 1. Göttingen, 1779, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1779/159>, abgerufen am 21.11.2024.
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