Die Hauskatze ist kleiner als die Wilde, und variirt in der Farbe wie andre Hausthiere. Sie lebt zwar auch wie der Hund in Gesellschaft des Menschen; allein sie hat bey weitem nicht das at- tachante, treuherzige jenes Thiels. Ihr Cha- rakter behält bey aller Cultur widrige Seiten; sie ist falsch, tückisch, näschig; und ihre hübsche Gestalt, ihre Reinlichkeit und ihre Schmeiche- leyen und das einzige, weswegen sie der Mensch zuweilen zu seinem Zeitvertreib und nähern Um- stanz erhebt. Doch hat man einzelne Beyspiele von Katzen, die mit aller Treue eines Hundes ihrem Herrn ergeben gewesen, nach seinem Tode die Leiche begleitet, und lange Zeit hindurch täg- lich sein Grab besucht haben.*) Die Katzen sind ungemein elektrisch, ein Phänomen, das, so wie der unüberwindliche ängstliche Abscheu vieler Menschen vor diesen Thieren, weitere Untersuchung verdient. Es scheint, daß sich ihr Naturell schwer abändern lasse; die zahme Katze ist nicht sehr von der wilden verschie- den; sie hat noch nicht die hängenden Ohren an- derer unterjochten Thierarten; sie begattet sich nicht, wie andere Thiere, unter den Augen des Menschen, und verwildert geschwinde wieder, wenn sie zufällig in ihre natürliche Freyheit ge- rätht. Wir begreifen nicht, wie man dem R. Linne hat nachschreiben können, das die Katzen keine Flöhe hätten.
VIII. SOLIDUNGULA.
Thiere mit Hufen. Ein einziges Geschlecht von wenigen Gattungen.
*)Roux, Journ. de medecine, Decembr. 1771.
Die Hauskatze ist kleiner als die Wilde, und variirt in der Farbe wie andre Hausthiere. Sie lebt zwar auch wie der Hund in Gesellschaft des Menschen; allein sie hat bey weitem nicht das at- tachante, treuherzige jenes Thiels. Ihr Cha- rakter behält bey aller Cultur widrige Seiten; sie ist falsch, tückisch, näschig; und ihre hübsche Gestalt, ihre Reinlichkeit und ihre Schmeiche- leyen und das einzige, weswegen sie der Mensch zuweilen zu seinem Zeitvertreib und nähern Um- stanz erhebt. Doch hat man einzelne Beyspiele von Katzen, die mit aller Treue eines Hundes ihrem Herrn ergeben gewesen, nach seinem Tode die Leiche begleitet, und lange Zeit hindurch täg- lich sein Grab besucht haben.*) Die Katzen sind ungemein elektrisch, ein Phänomen, das, so wie der unüberwindliche ängstliche Abscheu vieler Menschen vor diesen Thieren, weitere Untersuchung verdient. Es scheint, daß sich ihr Naturell schwer abändern lasse; die zahme Katze ist nicht sehr von der wilden verschie- den; sie hat noch nicht die hängenden Ohren an- derer unterjochten Thierarten; sie begattet sich nicht, wie andere Thiere, unter den Augen des Menschen, und verwildert geschwinde wieder, wenn sie zufällig in ihre natürliche Freyheit ge- rätht. Wir begreifen nicht, wie man dem R. Linne hat nachschreiben können, das die Katzen keine Flöhe hätten.
VIII. SOLIDUNGULA.
Thiere mit Hufen. Ein einziges Geschlecht von wenigen Gattungen.
*)Roux, Journ. de medecine, Decembr. 1771.
<TEI><textxml:id="blume_hbnatur_000021"><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0131"xml:id="pb109_0001"n="109"/><prendition="#l1em">Die Hauskatze ist kleiner als die Wilde, und<lb/>
variirt in der Farbe wie andre Hausthiere. Sie<lb/>
lebt zwar auch wie der Hund in Gesellschaft des<lb/>
Menschen; allein sie hat bey weitem nicht das at-<lb/>
tachante, treuherzige jenes Thiels. Ihr Cha-<lb/>
rakter behält bey aller Cultur widrige Seiten;<lb/>
sie ist falsch, tückisch, näschig; und ihre hübsche<lb/>
Gestalt, ihre Reinlichkeit und ihre Schmeiche-<lb/>
leyen und das einzige, weswegen sie der Mensch<lb/>
zuweilen zu seinem Zeitvertreib und nähern Um-<lb/>
stanz erhebt. Doch hat man einzelne Beyspiele<lb/>
von Katzen, die mit aller Treue eines Hundes<lb/>
ihrem Herrn ergeben gewesen, nach seinem Tode<lb/>
die Leiche begleitet, und lange Zeit hindurch täg-<lb/>
lich sein Grab besucht haben.<noteanchored="true"place="foot"n="*)"><p><hirendition="#aq">Roux, Journ. de medecine, Decembr.</hi> 1771.</p></note> Die Katzen<lb/>
sind ungemein elektrisch, ein Phänomen, das,<lb/>
so wie der unüberwindliche ängstliche Abscheu<lb/>
vieler Menschen vor diesen Thieren, weitere<lb/>
Untersuchung verdient. Es scheint, daß sich<lb/>
ihr Naturell schwer abändern lasse; die zahme<lb/>
Katze ist nicht sehr von der wilden verschie-<lb/>
den; sie hat noch nicht die hängenden Ohren an-<lb/>
derer unterjochten Thierarten; sie begattet sich<lb/>
nicht, wie andere Thiere, unter den Augen des<lb/>
Menschen, und verwildert geschwinde wieder,<lb/>
wenn sie zufällig in ihre natürliche Freyheit ge-<lb/>
rätht. Wir begreifen nicht, wie man dem R.<lb/>
Linne hat nachschreiben können, das die Katzen<lb/>
keine Flöhe hätten.</p><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/></div><divn="3"><headrendition="#c">VIII. <hirendition="#aq"><hirendition="#g">SOLIDUNGULA</hi></hi>.</head><lb/><p>Thiere mit Hufen. Ein einziges Geschlecht<lb/>
von wenigen Gattungen.</p></div></div></div></body></text></TEI>
[109/0131]
Die Hauskatze ist kleiner als die Wilde, und
variirt in der Farbe wie andre Hausthiere. Sie
lebt zwar auch wie der Hund in Gesellschaft des
Menschen; allein sie hat bey weitem nicht das at-
tachante, treuherzige jenes Thiels. Ihr Cha-
rakter behält bey aller Cultur widrige Seiten;
sie ist falsch, tückisch, näschig; und ihre hübsche
Gestalt, ihre Reinlichkeit und ihre Schmeiche-
leyen und das einzige, weswegen sie der Mensch
zuweilen zu seinem Zeitvertreib und nähern Um-
stanz erhebt. Doch hat man einzelne Beyspiele
von Katzen, die mit aller Treue eines Hundes
ihrem Herrn ergeben gewesen, nach seinem Tode
die Leiche begleitet, und lange Zeit hindurch täg-
lich sein Grab besucht haben. *) Die Katzen
sind ungemein elektrisch, ein Phänomen, das,
so wie der unüberwindliche ängstliche Abscheu
vieler Menschen vor diesen Thieren, weitere
Untersuchung verdient. Es scheint, daß sich
ihr Naturell schwer abändern lasse; die zahme
Katze ist nicht sehr von der wilden verschie-
den; sie hat noch nicht die hängenden Ohren an-
derer unterjochten Thierarten; sie begattet sich
nicht, wie andere Thiere, unter den Augen des
Menschen, und verwildert geschwinde wieder,
wenn sie zufällig in ihre natürliche Freyheit ge-
rätht. Wir begreifen nicht, wie man dem R.
Linne hat nachschreiben können, das die Katzen
keine Flöhe hätten.
VIII. SOLIDUNGULA.
Thiere mit Hufen. Ein einziges Geschlecht
von wenigen Gattungen.
*) Roux, Journ. de medecine, Decembr. 1771.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. Bd. 1. Göttingen, 1779, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1779/131>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.