Daß außer dem Menschen noch viele Thiere Thränen vergießen, ist etwas allbekanntes. Allein es fragt sich, ob sie auch aus Kummer weinen. Von einigen behaupten es zwar giltige Zeugen, als Stel- ler 38) von der Bärenrobbe (phoca ursina), und der berühmte Pallas 39) von den Kameelen. Ob aber die Thiere durch Lachen ihre Heiterkeit offenba- ren, scheint zweifelhafter, wiewohl Schriftsteller hin und wieder Beyspiele davon aufgezeichnet haben. Le Cat z. B. behauptet, den Troglodyten von An- gola lachen und weinen gesehen zu haben 40).
§. 20. V. Die merkwürdigsten dem Menschen eigenthümlichsten Krankheiten.
Obschon diese pathologischen Bemerkungen beym ersten Anblicke nicht mit zur Naturgeschichte des Men- schen zu gehören scheinen, so dürfte ich deshalb doch die ihm eigenen Hauptkrankheiten mit einigen Worten durchgehen, da auch diese widernatürlichen, bey ihm allerdings ausschließlich sich ereignenden Erscheinun- gen in der natürlichen Beschaffenheit, Haltung und animalischen Oekonomie seines Körpers ihren Grund haben: und also auch hier mit demselben Rechte be- merkt zu werden verdienen, als man auch die ge- wissen Thieren eigenen Krankheiten in ihrer Naturge-
schichte
38)Nov. Comment. acad. scient. Petropolit. Theil 2. S. 353.
39) S. dessen Nachricht über die mongolischen Völkerschaften. Theil 1. S. 177.
40) S. dessen Traite de l' existence du fluide des nerfes. S. 35.
Daß außer dem Menſchen noch viele Thiere Thraͤnen vergießen, iſt etwas allbekanntes. Allein es fragt ſich, ob ſie auch aus Kummer weinen. Von einigen behaupten es zwar giltige Zeugen, als Stel- ler 38) von der Baͤrenrobbe (phoca urſina), und der beruͤhmte Pallas 39) von den Kameelen. Ob aber die Thiere durch Lachen ihre Heiterkeit offenba- ren, ſcheint zweifelhafter, wiewohl Schriftſteller hin und wieder Beyſpiele davon aufgezeichnet haben. Le Cat z. B. behauptet, den Troglodyten von An- gola lachen und weinen geſehen zu haben 40).
§. 20. V. Die merkwuͤrdigſten dem Menſchen eigenthuͤmlichſten Krankheiten.
Obſchon dieſe pathologiſchen Bemerkungen beym erſten Anblicke nicht mit zur Naturgeſchichte des Men- ſchen zu gehoͤren ſcheinen, ſo duͤrfte ich deshalb doch die ihm eigenen Hauptkrankheiten mit einigen Worten durchgehen, da auch dieſe widernatuͤrlichen, bey ihm allerdings ausſchließlich ſich ereignenden Erſcheinun- gen in der natuͤrlichen Beſchaffenheit, Haltung und animaliſchen Oekonomie ſeines Koͤrpers ihren Grund haben: und alſo auch hier mit demſelben Rechte be- merkt zu werden verdienen, als man auch die ge- wiſſen Thieren eigenen Krankheiten in ihrer Naturge-
ſchichte
38)Nov. Comment. acad. ſcient. Petropolit. Theil 2. S. 353.
39) S. deſſen Nachricht uͤber die mongoliſchen Voͤlkerſchaften. Theil 1. S. 177.
40) S. deſſen Traité de l’ exiſtence du fluide des nerfes. S. 35.
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[53/0087]
Daß außer dem Menſchen noch viele Thiere
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aber die Thiere durch Lachen ihre Heiterkeit offenba-
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hin und wieder Beyſpiele davon aufgezeichnet haben.
Le Cat z. B. behauptet, den Troglodyten von An-
gola lachen und weinen geſehen zu haben 40).
§. 20.
V. Die merkwuͤrdigſten dem Menſchen eigenthuͤmlichſten
Krankheiten.
Obſchon dieſe pathologiſchen Bemerkungen beym
erſten Anblicke nicht mit zur Naturgeſchichte des Men-
ſchen zu gehoͤren ſcheinen, ſo duͤrfte ich deshalb doch
die ihm eigenen Hauptkrankheiten mit einigen Worten
durchgehen, da auch dieſe widernatuͤrlichen, bey ihm
allerdings ausſchließlich ſich ereignenden Erſcheinun-
gen in der natuͤrlichen Beſchaffenheit, Haltung und
animaliſchen Oekonomie ſeines Koͤrpers ihren Grund
haben: und alſo auch hier mit demſelben Rechte be-
merkt zu werden verdienen, als man auch die ge-
wiſſen Thieren eigenen Krankheiten in ihrer Naturge-
ſchichte
38) Nov. Comment. acad. ſcient. Petropolit. Theil 2.
S. 353.
39) S. deſſen Nachricht uͤber die mongoliſchen
Voͤlkerſchaften. Theil 1. S. 177.
40) S. deſſen Traité de l’ exiſtence du fluide des nerfes.
S. 35.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
"Über die natürlichen Verschiedenheiten im Mensch… [mehr]
"Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte" ist die überarbeitete Fassung von Blumenbachs Dissertationsschrift "De generis humani varietate nativa" (1. Aufl. 1775 bei Friedrich Andreas Rosenbusch in Göttingen). Die Dissertation erschien in lateinischer Sprache; für das DTA wurde Johann Gottfried Grubers Übersetzung der dritten Auflage von Blumenbachs Dissertation (1795 bei Vandenhoek & Ruprecht) digitalisiert, die 1798 in Leipzig bei Breitkopf & Härtel erschien. Erstmals lag hiermit Blumenbachs Werk "De generis humani varietate nativa" in deutscher Sprache vor.
Blumenbach, Johann Friedrich: Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Leipzig, 1798, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht_1798/87>, abgerufen am 22.02.2025.
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