große Männer frey und offenherzig gestanden, ja selbst Linne, dieser unsterbliche Mann, der in der That dazu geboren war, die unterscheidenden Merk- male an den Gegenständen der Natur zu erforschen, und um diese systematisch zu ordnen, nennt es in der Vorrede zu seiner schwedischen Fauna, eine der schwierigsten Untersuchungen, den eigentlichen spezisischen Unterschied des Menschen anzugeben; ja bekennt, daß er kein Merkmal habe ausfindig machen können, wodurch man den Menschen von dem Affen unterscheiden könne; und hat es in dem System der Natur für wunderbar gehalten, daß der dümmste Affe von dem klügsten Menschen so wenig abweiche, daß der Marschbestimmer der Natur noch zu suchen sey, welcher diese Grenz- scheidungen festsetze; und endlich hat er wirklich dem Menschen weder ein generisches noch spezifisches Merkmal beygelegt, sondern ihn im Gegentheil mit dem langhändigen Affen (Linnes Homo Lar, Gib- bon) zu einer Gattung gerechnet.
§. 2. Die gehörige Behandlungsart dieser Materie.
So will ich denn einstweilen das aufzählen, wo- durch sich der Mensch, wenn ich irgends richtig be- obachtet habe, von den übrigen Thieren zu unter- scheiden scheint, wobey ich folgendermaßen verfahren will, daß ich
1) das aufzähle, was zur äußern Bildung des menschlichen Körpers;
2) zur innern Einrichtung,
3) zu den Geschäften seiner animalischen Oekonomie, gehört;
4) was
große Maͤnner frey und offenherzig geſtanden, ja ſelbſt Linné, dieſer unſterbliche Mann, der in der That dazu geboren war, die unterſcheidenden Merk- male an den Gegenſtaͤnden der Natur zu erforſchen, und um dieſe ſyſtematiſch zu ordnen, nennt es in der Vorrede zu ſeiner ſchwediſchen Fauna, eine der ſchwierigſten Unterſuchungen, den eigentlichen ſpeziſiſchen Unterſchied des Menſchen anzugeben; ja bekennt, daß er kein Merkmal habe ausfindig machen koͤnnen, wodurch man den Menſchen von dem Affen unterſcheiden koͤnne; und hat es in dem Syſtem der Natur fuͤr wunderbar gehalten, daß der duͤmmſte Affe von dem kluͤgſten Menſchen ſo wenig abweiche, daß der Marſchbeſtimmer der Natur noch zu ſuchen ſey, welcher dieſe Grenz- ſcheidungen feſtſetze; und endlich hat er wirklich dem Menſchen weder ein generiſches noch ſpezifiſches Merkmal beygelegt, ſondern ihn im Gegentheil mit dem langhaͤndigen Affen (Linnés Homo Lar, Gib- bon) zu einer Gattung gerechnet.
§. 2. Die gehoͤrige Behandlungsart dieſer Materie.
So will ich denn einſtweilen das aufzaͤhlen, wo- durch ſich der Menſch, wenn ich irgends richtig be- obachtet habe, von den uͤbrigen Thieren zu unter- ſcheiden ſcheint, wobey ich folgendermaßen verfahren will, daß ich
1) das aufzaͤhle, was zur aͤußern Bildung des menſchlichen Koͤrpers;
2) zur innern Einrichtung,
3) zu den Geſchaͤften ſeiner animaliſchen Oekonomie, gehoͤrt;
4) was
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große Maͤnner frey und offenherzig geſtanden, ja
ſelbſt Linné, dieſer unſterbliche Mann, der in der
That dazu geboren war, die unterſcheidenden Merk-
male an den Gegenſtaͤnden der Natur zu erforſchen,
und um dieſe ſyſtematiſch zu ordnen, nennt es in
der Vorrede zu ſeiner ſchwediſchen Fauna, eine der
ſchwierigſten Unterſuchungen, den eigentlichen
ſpeziſiſchen Unterſchied des Menſchen anzugeben;
ja bekennt, daß er kein Merkmal habe ausfindig
machen koͤnnen, wodurch man den Menſchen von
dem Affen unterſcheiden koͤnne; und hat es in dem
Syſtem der Natur fuͤr wunderbar gehalten, daß
der duͤmmſte Affe von dem kluͤgſten Menſchen ſo
wenig abweiche, daß der Marſchbeſtimmer der
Natur noch zu ſuchen ſey, welcher dieſe Grenz-
ſcheidungen feſtſetze; und endlich hat er wirklich
dem Menſchen weder ein generiſches noch ſpezifiſches
Merkmal beygelegt, ſondern ihn im Gegentheil mit
dem langhaͤndigen Affen (Linnés Homo Lar, Gib-
bon) zu einer Gattung gerechnet.
§. 2.
Die gehoͤrige Behandlungsart dieſer Materie.
So will ich denn einſtweilen das aufzaͤhlen, wo-
durch ſich der Menſch, wenn ich irgends richtig be-
obachtet habe, von den uͤbrigen Thieren zu unter-
ſcheiden ſcheint, wobey ich folgendermaßen verfahren
will, daß ich
1) das aufzaͤhle, was zur aͤußern Bildung
des menſchlichen Koͤrpers;
2) zur innern Einrichtung,
3) zu den Geſchaͤften ſeiner animaliſchen
Oekonomie, gehoͤrt;
4) was
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
"Über die natürlichen Verschiedenheiten im Mensch… [mehr]
"Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte" ist die überarbeitete Fassung von Blumenbachs Dissertationsschrift "De generis humani varietate nativa" (1. Aufl. 1775 bei Friedrich Andreas Rosenbusch in Göttingen). Die Dissertation erschien in lateinischer Sprache; für das DTA wurde Johann Gottfried Grubers Übersetzung der dritten Auflage von Blumenbachs Dissertation (1795 bei Vandenhoek & Ruprecht) digitalisiert, die 1798 in Leipzig bei Breitkopf & Härtel erschien. Erstmals lag hiermit Blumenbachs Werk "De generis humani varietate nativa" in deutscher Sprache vor.
Blumenbach, Johann Friedrich: Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Leipzig, 1798, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht_1798/52>, abgerufen am 22.02.2025.
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