Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Blumenbach, Johann Friedrich: Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

große Männer frey und offenherzig gestanden, ja
selbst Linne, dieser unsterbliche Mann, der in der
That dazu geboren war, die unterscheidenden Merk-
male an den Gegenständen der Natur zu erforschen,
und um diese systematisch zu ordnen, nennt es in
der Vorrede zu seiner schwedischen Fauna, eine der
schwierigsten Untersuchungen, den eigentlichen
spezisischen Unterschied des Menschen anzugeben;
ja bekennt, daß er kein Merkmal habe ausfindig
machen können, wodurch man den Menschen von
dem Affen unterscheiden könne; und hat es in dem
System der Natur für wunderbar gehalten, daß
der dümmste Affe von dem klügsten Menschen so
wenig abweiche, daß der Marschbestimmer der
Natur noch zu suchen sey, welcher diese Grenz-
scheidungen festsetze; und endlich hat er wirklich
dem Menschen weder ein generisches noch spezifisches
Merkmal beygelegt, sondern ihn im Gegentheil mit
dem langhändigen Affen (Linnes Homo Lar, Gib-
bon) zu einer Gattung gerechnet.

§. 2.
Die gehörige Behandlungsart dieser Materie.

So will ich denn einstweilen das aufzählen, wo-
durch sich der Mensch, wenn ich irgends richtig be-
obachtet habe, von den übrigen Thieren zu unter-
scheiden scheint, wobey ich folgendermaßen verfahren
will, daß ich

1) das aufzähle, was zur äußern Bildung
des menschlichen Körpers;
2) zur innern Einrichtung,
3) zu den Geschäften seiner animalischen
Oekonomie
, gehört;

4) was

große Maͤnner frey und offenherzig geſtanden, ja
ſelbſt Linné, dieſer unſterbliche Mann, der in der
That dazu geboren war, die unterſcheidenden Merk-
male an den Gegenſtaͤnden der Natur zu erforſchen,
und um dieſe ſyſtematiſch zu ordnen, nennt es in
der Vorrede zu ſeiner ſchwediſchen Fauna, eine der
ſchwierigſten Unterſuchungen, den eigentlichen
ſpeziſiſchen Unterſchied des Menſchen anzugeben;
ja bekennt, daß er kein Merkmal habe ausfindig
machen koͤnnen, wodurch man den Menſchen von
dem Affen unterſcheiden koͤnne; und hat es in dem
Syſtem der Natur fuͤr wunderbar gehalten, daß
der duͤmmſte Affe von dem kluͤgſten Menſchen ſo
wenig abweiche, daß der Marſchbeſtimmer der
Natur noch zu ſuchen ſey, welcher dieſe Grenz-
ſcheidungen feſtſetze; und endlich hat er wirklich
dem Menſchen weder ein generiſches noch ſpezifiſches
Merkmal beygelegt, ſondern ihn im Gegentheil mit
dem langhaͤndigen Affen (Linnés Homo Lar, Gib-
bon) zu einer Gattung gerechnet.

§. 2.
Die gehoͤrige Behandlungsart dieſer Materie.

So will ich denn einſtweilen das aufzaͤhlen, wo-
durch ſich der Menſch, wenn ich irgends richtig be-
obachtet habe, von den uͤbrigen Thieren zu unter-
ſcheiden ſcheint, wobey ich folgendermaßen verfahren
will, daß ich

1) das aufzaͤhle, was zur aͤußern Bildung
des menſchlichen Koͤrpers;
2) zur innern Einrichtung,
3) zu den Geſchaͤften ſeiner animaliſchen
Oekonomie
, gehoͤrt;

4) was
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0052" n="18"/>
große Ma&#x0364;nner frey und offenherzig ge&#x017F;tanden, ja<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t Linn<hi rendition="#aq">é</hi>, die&#x017F;er un&#x017F;terbliche Mann, der in der<lb/>
That dazu geboren war, die unter&#x017F;cheidenden Merk-<lb/>
male an den Gegen&#x017F;ta&#x0364;nden der Natur zu erfor&#x017F;chen,<lb/>
und um die&#x017F;e &#x017F;y&#x017F;temati&#x017F;ch zu ordnen, nennt es in<lb/>
der Vorrede zu &#x017F;einer &#x017F;chwedi&#x017F;chen Fauna, eine der<lb/>
&#x017F;chwierig&#x017F;ten Unter&#x017F;uchungen, den eigentlichen<lb/>
&#x017F;pezi&#x017F;i&#x017F;chen Unter&#x017F;chied des Men&#x017F;chen anzugeben;<lb/>
ja bekennt, daß er kein Merkmal habe ausfindig<lb/>
machen ko&#x0364;nnen, wodurch man den Men&#x017F;chen von<lb/>
dem Affen unter&#x017F;cheiden ko&#x0364;nne; und hat es in dem<lb/>
Sy&#x017F;tem der Natur fu&#x0364;r wunderbar gehalten, daß<lb/>
der du&#x0364;mm&#x017F;te Affe von dem klu&#x0364;g&#x017F;ten Men&#x017F;chen &#x017F;o<lb/>
wenig abweiche, daß der Mar&#x017F;chbe&#x017F;timmer der<lb/>
Natur noch zu &#x017F;uchen &#x017F;ey, welcher die&#x017F;e Grenz-<lb/>
&#x017F;cheidungen fe&#x017F;t&#x017F;etze; und endlich hat er wirklich<lb/>
dem Men&#x017F;chen weder ein generi&#x017F;ches noch &#x017F;pezifi&#x017F;ches<lb/>
Merkmal beygelegt, &#x017F;ondern ihn im Gegentheil mit<lb/>
dem langha&#x0364;ndigen Affen (Linn<hi rendition="#aq">é</hi>s <hi rendition="#aq">Homo Lar,</hi> Gib-<lb/>
bon) zu einer Gattung gerechnet.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 2.<lb/>
Die geho&#x0364;rige Behandlungsart die&#x017F;er Materie.</head><lb/>
          <p>So will ich denn ein&#x017F;tweilen das aufza&#x0364;hlen, wo-<lb/>
durch &#x017F;ich der Men&#x017F;ch, wenn ich irgends richtig be-<lb/>
obachtet habe, von den u&#x0364;brigen Thieren zu unter-<lb/>
&#x017F;cheiden &#x017F;cheint, wobey ich folgendermaßen verfahren<lb/>
will, daß ich</p><lb/>
          <list>
            <item>1) das aufza&#x0364;hle, was zur <hi rendition="#fr">a&#x0364;ußern Bildung</hi><lb/>
des men&#x017F;chlichen Ko&#x0364;rpers;</item><lb/>
            <item>2) zur innern Einrichtung,</item><lb/>
            <item>3) zu den Ge&#x017F;cha&#x0364;ften &#x017F;einer <hi rendition="#fr">animali&#x017F;chen<lb/>
Oekonomie</hi>, geho&#x0364;rt;</item>
          </list><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">4) was</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[18/0052] große Maͤnner frey und offenherzig geſtanden, ja ſelbſt Linné, dieſer unſterbliche Mann, der in der That dazu geboren war, die unterſcheidenden Merk- male an den Gegenſtaͤnden der Natur zu erforſchen, und um dieſe ſyſtematiſch zu ordnen, nennt es in der Vorrede zu ſeiner ſchwediſchen Fauna, eine der ſchwierigſten Unterſuchungen, den eigentlichen ſpeziſiſchen Unterſchied des Menſchen anzugeben; ja bekennt, daß er kein Merkmal habe ausfindig machen koͤnnen, wodurch man den Menſchen von dem Affen unterſcheiden koͤnne; und hat es in dem Syſtem der Natur fuͤr wunderbar gehalten, daß der duͤmmſte Affe von dem kluͤgſten Menſchen ſo wenig abweiche, daß der Marſchbeſtimmer der Natur noch zu ſuchen ſey, welcher dieſe Grenz- ſcheidungen feſtſetze; und endlich hat er wirklich dem Menſchen weder ein generiſches noch ſpezifiſches Merkmal beygelegt, ſondern ihn im Gegentheil mit dem langhaͤndigen Affen (Linnés Homo Lar, Gib- bon) zu einer Gattung gerechnet. §. 2. Die gehoͤrige Behandlungsart dieſer Materie. So will ich denn einſtweilen das aufzaͤhlen, wo- durch ſich der Menſch, wenn ich irgends richtig be- obachtet habe, von den uͤbrigen Thieren zu unter- ſcheiden ſcheint, wobey ich folgendermaßen verfahren will, daß ich 1) das aufzaͤhle, was zur aͤußern Bildung des menſchlichen Koͤrpers; 2) zur innern Einrichtung, 3) zu den Geſchaͤften ſeiner animaliſchen Oekonomie, gehoͤrt; 4) was

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

"Über die natürlichen Verschiedenheiten im Mensch… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht_1798/52
Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Leipzig, 1798, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht_1798/52>, abgerufen am 21.12.2024.