Thiere werden zu einer und derselben Spezies (Gattung) gehörig genannt, in wiefern sie an Ge- stalt und Verhaltungsweise so zusammenfassen, daß ihre Verschiedenheit von einander bloß durch Abar- tung hat entstehen können.
Diejenigen Gattungen hingegen nennen wir ver- schieden, deren Unterscheidendes so wesentlich ist, daß es aus den bekannten Quellen der Abartung sich nicht erläutern läßt.
Als abgezogener Begriff wäre dies gut.
Nun aber die Kennzeichen darzustellen, wodurch wir in der Natur selbst die bloßen Verschiedenheiten und ächten Spezies von einander unterscheiden kön- nen - das ist eben das Schwierige.
Ray, der unsterbliche Mann, hat schon im vo- rigen Jahrhunderte, also lange vor Büffon, dieje- nigen Thiere zu einer Gattung zählen zu müssen ge- glaubt, welche sich mit einander vermischen, und fruchtbare Junge erzeugen.
Da aber dieses Merkzeichen bey den, von dem Menschen unterjochten Hausthieren, der gezwunge- nen Lebensweise halber, zweydeutig und unsicher scheint, so hat es der scharfsinnige Frisch schon zu Anfang des gegenwärtigen Jahrhunderts blos auf die wilden Thiere eingeschränkt, und diejenigen zu einer Gattung gehörig erklärt, welche von Natur sich mit einander paaren1)
1)"Wenn sich Thiere von Natur mit einander gat- ten, so ist solches ein unfehlbares Kennzeichen, daß sie von einerley Spezie sind." -
§. 23. I. Was heißt eine Spezies.
Thiere werden zu einer und derselben Spezies (Gattung) gehörig genannt, in wiefern sie an Ge- stalt und Verhaltungsweise so zusammenfassen, daß ihre Verschiedenheit von einander bloß durch Abar- tung hat entstehen können.
Diejenigen Gattungen hingegen nennen wir ver- schieden, deren Unterscheidendes so wesentlich ist, daß es aus den bekannten Quellen der Abartung sich nicht erläutern läßt.
Als abgezogener Begriff wäre dies gut.
Nun aber die Kennzeichen darzustellen, wodurch wir in der Natur selbst die bloßen Verschiedenheiten und ächten Spezies von einander unterscheiden kön- nen – das ist eben das Schwierige.
Ray, der unsterbliche Mann, hat schon im vo- rigen Jahrhunderte, also lange vor Büffon, dieje- nigen Thiere zu einer Gattung zählen zu müssen ge- glaubt, welche sich mit einander vermischen, und fruchtbare Junge erzeugen.
Da aber dieses Merkzeichen bey den, von dem Menschen unterjochten Hausthieren, der gezwunge- nen Lebensweise halber, zweydeutig und unsicher scheint, so hat es der scharfsinnige Frisch schon zu Anfang des gegenwärtigen Jahrhunderts blos auf die wilden Thiere eingeschränkt, und diejenigen zu einer Gattung gehörig erklärt, welche von Natur sich mit einander paaren1)
1)„Wenn sich Thiere von Natur mit einander gat- ten, so ist solches ein unfehlbares Kennzeichen, daß sie von einerley Spezie sind.“ –
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§. 23.
I. Was heißt eine Spezies.
Thiere werden zu einer und derselben Spezies
(Gattung) gehörig genannt, in wiefern sie an Ge-
stalt und Verhaltungsweise so zusammenfassen, daß
ihre Verschiedenheit von einander bloß durch Abar-
tung hat entstehen können.
Diejenigen Gattungen hingegen nennen wir ver-
schieden, deren Unterscheidendes so wesentlich ist,
daß es aus den bekannten Quellen der Abartung sich
nicht erläutern läßt.
Als abgezogener Begriff wäre dies gut.
Nun aber die Kennzeichen darzustellen, wodurch
wir in der Natur selbst die bloßen Verschiedenheiten
und ächten Spezies von einander unterscheiden kön-
nen – das ist eben das Schwierige.
Ray, der unsterbliche Mann, hat schon im vo-
rigen Jahrhunderte, also lange vor Büffon, dieje-
nigen Thiere zu einer Gattung zählen zu müssen ge-
glaubt, welche sich mit einander vermischen, und
fruchtbare Junge erzeugen.
Da aber dieses Merkzeichen bey den, von dem
Menschen unterjochten Hausthieren, der gezwunge-
nen Lebensweise halber, zweydeutig und unsicher
scheint, so hat es der scharfsinnige Frisch schon zu
Anfang des gegenwärtigen Jahrhunderts blos auf
die wilden Thiere eingeschränkt, und diejenigen zu
einer Gattung gehörig erklärt, welche von Natur
sich mit einander paaren 1)
1) „Wenn sich Thiere von Natur mit einander gat-
ten, so ist solches ein unfehlbares Kennzeichen, daß
sie von einerley Spezie sind.“ –
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Blumenbach, Johann Friedrich: Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Leipzig, 1798, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht2_1798/93>, abgerufen am 22.02.2025.
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