Blumenbach, Johann Friedrich: Über den Bildungstrieb und das Zeugungsgeschäfte. Göttingen, 1781.§. 10. Die Zeugung ohne Saamen (Generatio aequivoca.) Zwar hat es ehedem eine Zeit gegeben wo §. 10. Die Zeugung ohne Saamen (Generatio aequivoca.) Zwar hat es ehedem eine Zeit gegeben wo <TEI> <text xml:id="blume_hbnatur_000053"> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0027" xml:id="pb021_0001" n="21"/> <head rendition="#c">§. 10.<lb/> Die Zeugung ohne Saamen (<hi rendition="#aq">Generatio<lb/> aequivoca</hi>.)</head><lb/> <p>Zwar hat es ehedem eine Zeit gegeben wo<lb/> man diese Fortpflanzungsart für nicht so schlech-<lb/> terdings nothwendig gehalten hat: wo man nicht<lb/> eben zur Entstehung der Flöhe andre Flöhe, der<lb/> Krebse andre Krebse, und der Mäuse andre<lb/> Mäuse voraussetzte: sondern wo man auch Flöhe<lb/> aus Urin und Sägespänen, Krebse aus faulen<lb/> Kalbfleisch, und Mäuse aus Schlamm und al-<lb/> lerhand Unflath hervorbringen zu können meynte.<lb/> Diese <hi rendition="#aq">Generatio aequivoca</hi> war weiland eine<lb/> erwünschte Freystatt der Unwissenheit, und eine<lb/> Quelle und Stütze aller ersinnlichen Arten von<lb/> Aberglauben. Es ist aber schon lange, daß man<lb/> sie gestürzt und seitdem fast immer nur so wie<lb/> die Hexenfahrten und Wünschelruthe, zum An-<lb/> denken jener Finsternis und zum stillen Triumph<lb/> unsrer erleuchteten Zeiten genannt hat.</p> </div> <div n="1"> </div> </body> </text> </TEI> [21/0027]
§. 10.
Die Zeugung ohne Saamen (Generatio
aequivoca.)
Zwar hat es ehedem eine Zeit gegeben wo
man diese Fortpflanzungsart für nicht so schlech-
terdings nothwendig gehalten hat: wo man nicht
eben zur Entstehung der Flöhe andre Flöhe, der
Krebse andre Krebse, und der Mäuse andre
Mäuse voraussetzte: sondern wo man auch Flöhe
aus Urin und Sägespänen, Krebse aus faulen
Kalbfleisch, und Mäuse aus Schlamm und al-
lerhand Unflath hervorbringen zu können meynte.
Diese Generatio aequivoca war weiland eine
erwünschte Freystatt der Unwissenheit, und eine
Quelle und Stütze aller ersinnlichen Arten von
Aberglauben. Es ist aber schon lange, daß man
sie gestürzt und seitdem fast immer nur so wie
die Hexenfahrten und Wünschelruthe, zum An-
denken jener Finsternis und zum stillen Triumph
unsrer erleuchteten Zeiten genannt hat.
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