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Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 1. Berlin, 1774.

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Der dreyzehnte Spatziergang.

Von den Versöhnungen vor dem Ge-
nusse des Abendmahls und auf dem Sterbe-
bette, halte ich nicht mehr und nicht we-
niger, als von den Modebekehrungen über-
haupt. An den Früchten sollt ihr sie er-
kennen! Der grosse Haufe ist, leider! so ge-
artet, dass er den übeln Folgen der Unmäs-
sigkeit lieber, wenn es die Noth erfodert,
in der Geschwindigkeit und auf einmal, ver-
mittelst gewisser, sogenannter Universalarz-
neyen abhelfen, als sie auf immer, durch ei-
ne fortgesetzte Enthaltsamkeit, in der Wur-
zel selbst vertilgen will. Jenes ist freylich
leichter und oft das Geschäfft eines Augen-
blicks. Wem ist aber im Grunde damit
geholfen? Höchstens dem Quacksalber, der
von den Vorurtheilen der betrogenen Ein-
falt lebt. Der arme Kranke beschleunigt



Der dreyzehnte Spatziergang.

Von den Verſöhnungen vor dem Ge-
nuſse des Abendmahls und auf dem Sterbe-
bette, halte ich nicht mehr und nicht we-
niger, als von den Modebekehrungen über-
haupt. An den Früchten ſollt ihr ſie er-
kennen! Der groſse Haufe iſt, leider! ſo ge-
artet, daſs er den übeln Folgen der Unmäſ-
ſigkeit lieber, wenn es die Noth erfodert,
in der Geſchwindigkeit und auf einmal, ver-
mittelſt gewiſser, ſogenannter Univerſalarz-
neyen abhelfen, als ſie auf immer, durch ei-
ne fortgeſetzte Enthaltſamkeit, in der Wur-
zel ſelbſt vertilgen will. Jenes iſt freylich
leichter und oft das Geſchäfft eines Augen-
blicks. Wem iſt aber im Grunde damit
geholfen? Höchſtens dem Quackſalber, der
von den Vorurtheilen der betrogenen Ein-
falt lebt. Der arme Kranke beſchleunigt

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[103/0111] Der dreyzehnte Spatziergang. Von den Verſöhnungen vor dem Ge- nuſse des Abendmahls und auf dem Sterbe- bette, halte ich nicht mehr und nicht we- niger, als von den Modebekehrungen über- haupt. An den Früchten ſollt ihr ſie er- kennen! Der groſse Haufe iſt, leider! ſo ge- artet, daſs er den übeln Folgen der Unmäſ- ſigkeit lieber, wenn es die Noth erfodert, in der Geſchwindigkeit und auf einmal, ver- mittelſt gewiſser, ſogenannter Univerſalarz- neyen abhelfen, als ſie auf immer, durch ei- ne fortgeſetzte Enthaltſamkeit, in der Wur- zel ſelbſt vertilgen will. Jenes iſt freylich leichter und oft das Geſchäfft eines Augen- blicks. Wem iſt aber im Grunde damit geholfen? Höchſtens dem Quackſalber, der von den Vorurtheilen der betrogenen Ein- falt lebt. Der arme Kranke beſchleunigt

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Zitationshilfe: Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 1. Berlin, 1774, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge01_1774/111>, abgerufen am 21.11.2024.