Gesammtreiches entgegen standen. Es gab also auf unserm parla¬ mentarischen Gebiete außer der socialdemokratischen Partei, deren Zustimmung überhaupt zu keiner Art von Regirungspolitik zu haben war, keinen Widerspruch gegen und sehr viel Vorliebe für das Bündniß mit Oestreich.
Auch die Traditionen des Völkerrechts waren von den Zeiten des Römischen Reiches deutscher Nation und des Deutschen Bundes her theoretisch darauf zugeschnitten, daß zwischen dem gesammten Deutschland und der Habsburgischen Monarchie eine staatsrechtliche Verbindung bestand, durch welche diese mitteleuropäischen Länder¬ massen theoretisch zum gegenseitigen Beistande verpflichtet erschienen. Praktisch allerdings ist ihre politische Zusammengehörigkeit in der Vorgeschichte nur selten zum Ausdruck gekommen; aber man konnte Europa und namentlich Rußland gegenüber mit Recht geltend machen, daß ein dauernder Bund zwischen Oestreich und dem heutigen Deutschen Reiche völkerrechtlich nichts Neues sei. Diese Fragen der Popularität in Deutschland und des Völkerrechts standen jedoch für mich in zweiter Linie und waren zu erwägen als Hülfs¬ mittel für die eventuelle Ausführung. Im Vordergrunde stand die Frage, ob der Durchführung des Gedankens sofort näher zu treten und mit welchem Maße von Entschiedenheit der voraussichtliche Widerstand des Kaisers Wilhelm aus Gründen, die weniger der Politik als dem Gemüthsleben angehörten, zu bekämpfen sein würde. Mir erschienen die Gründe, die in der politischen Situation uns auf ein östreichisches Bündniß hinwiesen, so zwingender Natur, daß ich nach einem solchen auch gegen den Widerstand unsrer öffent¬ lichen Meinung gestrebt haben würde.
IV.
Als Kaiser Wilhelm sich nach Alexandrowo begab (3. Sep¬ tember), hatte ich schon in Gastein eine Begegnung mit dem Grafen Andrassy eingeleitet, die am 27. und 28. August stattfand.
Popularität eines Bundes mit Oeſtreich.
Geſammtreiches entgegen ſtanden. Es gab alſo auf unſerm parla¬ mentariſchen Gebiete außer der ſocialdemokratiſchen Partei, deren Zuſtimmung überhaupt zu keiner Art von Regirungspolitik zu haben war, keinen Widerſpruch gegen und ſehr viel Vorliebe für das Bündniß mit Oeſtreich.
Auch die Traditionen des Völkerrechts waren von den Zeiten des Römiſchen Reiches deutſcher Nation und des Deutſchen Bundes her theoretiſch darauf zugeſchnitten, daß zwiſchen dem geſammten Deutſchland und der Habsburgiſchen Monarchie eine ſtaatsrechtliche Verbindung beſtand, durch welche dieſe mitteleuropäiſchen Länder¬ maſſen theoretiſch zum gegenſeitigen Beiſtande verpflichtet erſchienen. Praktiſch allerdings iſt ihre politiſche Zuſammengehörigkeit in der Vorgeſchichte nur ſelten zum Ausdruck gekommen; aber man konnte Europa und namentlich Rußland gegenüber mit Recht geltend machen, daß ein dauernder Bund zwiſchen Oeſtreich und dem heutigen Deutſchen Reiche völkerrechtlich nichts Neues ſei. Dieſe Fragen der Popularität in Deutſchland und des Völkerrechts ſtanden jedoch für mich in zweiter Linie und waren zu erwägen als Hülfs¬ mittel für die eventuelle Ausführung. Im Vordergrunde ſtand die Frage, ob der Durchführung des Gedankens ſofort näher zu treten und mit welchem Maße von Entſchiedenheit der vorausſichtliche Widerſtand des Kaiſers Wilhelm aus Gründen, die weniger der Politik als dem Gemüthsleben angehörten, zu bekämpfen ſein würde. Mir erſchienen die Gründe, die in der politiſchen Situation uns auf ein öſtreichiſches Bündniß hinwieſen, ſo zwingender Natur, daß ich nach einem ſolchen auch gegen den Widerſtand unſrer öffent¬ lichen Meinung geſtrebt haben würde.
IV.
Als Kaiſer Wilhelm ſich nach Alexandrowo begab (3. Sep¬ tember), hatte ich ſchon in Gaſtein eine Begegnung mit dem Grafen Andraſſy eingeleitet, die am 27. und 28. Auguſt ſtattfand.
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Popularität eines Bundes mit Oeſtreich.
Geſammtreiches entgegen ſtanden. Es gab alſo auf unſerm parla¬
mentariſchen Gebiete außer der ſocialdemokratiſchen Partei, deren
Zuſtimmung überhaupt zu keiner Art von Regirungspolitik zu haben
war, keinen Widerſpruch gegen und ſehr viel Vorliebe für das
Bündniß mit Oeſtreich.
Auch die Traditionen des Völkerrechts waren von den Zeiten
des Römiſchen Reiches deutſcher Nation und des Deutſchen Bundes
her theoretiſch darauf zugeſchnitten, daß zwiſchen dem geſammten
Deutſchland und der Habsburgiſchen Monarchie eine ſtaatsrechtliche
Verbindung beſtand, durch welche dieſe mitteleuropäiſchen Länder¬
maſſen theoretiſch zum gegenſeitigen Beiſtande verpflichtet erſchienen.
Praktiſch allerdings iſt ihre politiſche Zuſammengehörigkeit in der
Vorgeſchichte nur ſelten zum Ausdruck gekommen; aber man konnte
Europa und namentlich Rußland gegenüber mit Recht geltend
machen, daß ein dauernder Bund zwiſchen Oeſtreich und dem
heutigen Deutſchen Reiche völkerrechtlich nichts Neues ſei. Dieſe
Fragen der Popularität in Deutſchland und des Völkerrechts ſtanden
jedoch für mich in zweiter Linie und waren zu erwägen als Hülfs¬
mittel für die eventuelle Ausführung. Im Vordergrunde ſtand die
Frage, ob der Durchführung des Gedankens ſofort näher zu treten
und mit welchem Maße von Entſchiedenheit der vorausſichtliche
Widerſtand des Kaiſers Wilhelm aus Gründen, die weniger der
Politik als dem Gemüthsleben angehörten, zu bekämpfen ſein würde.
Mir erſchienen die Gründe, die in der politiſchen Situation uns
auf ein öſtreichiſches Bündniß hinwieſen, ſo zwingender Natur, daß
ich nach einem ſolchen auch gegen den Widerſtand unſrer öffent¬
lichen Meinung geſtrebt haben würde.
IV.
Als Kaiſer Wilhelm ſich nach Alexandrowo begab (3. Sep¬
tember), hatte ich ſchon in Gaſtein eine Begegnung mit dem Grafen
Andraſſy eingeleitet, die am 27. und 28. Auguſt ſtattfand.
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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen02_1898/261>, abgerufen am 22.02.2025.
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