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Birken, Sigmund von: Die Fried-erfreuete Teutonje. Nürnberg, 1652.

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"Ennius Kohte Gold lase? Wann Cicero nicht seine
"Sprache/ die er arm und schlecht gefunden/ so reich und
"rein gemacht und hinderlassen hätte/ wir würden jetzt ein
"schlechtes Latein haben. Wie ist es demnach so ungereimt
"daß ein Teutonier einen Teutonier darum verdenket/
"der seine Sprach/ die bißher gleichsam noch in den Eyern
"geschlaffen/ schön und wol eingerichtet hervor zuziehen sich
"bemühet; nicht aus begier/ etwas neues einzuführen/ son-
"dern das alte zu verbessern. Man weiß/ wie sich nun ein
"zweyhundert Jahr her die Sprach verändert. Was sich
"aber ändert und bessert/ das ist noch nicht in seiner Voll-
"kommenheit. Das Latein ware zu zeiten deß grossen Au-
"gustus
am höchsten gestiegen; von dar an fienge es wider
"an zu fallen. Unsre Sprach aber ist noch im steigen/
"weil sie nun ein Zeit her durch jhre Veränderungen nicht
"schlimmer/ sondern besser worden ist.

21.

Zwar/ daß heutiges Tages etliche überwitzige
"Köpffe jhre ungegründte Einfälle für lauter Gesetze hal-
"ten/ und/ da sie doch niemand zu Sprachrichtern gesetzet/
"nach der Unrichtigkeit jhres Gehirns eine neue/ von denen
"Sprachverständigen ins gesamt noch nicht beglaubte
"Sprachrichtigkeit einführen wollen/ das ist nit zu loben:
"und machet ein solcher unzeitiger Schwindelhirn den gan-
"tzen Sprachfleiß verdächtig. Wiewol ein Verständiger
"nit alle Köpfe unter einen Hut bringen/ noch nach Be-
"findung deß einen von den andern allen urtheilen sol. Ei-
"ne löbliche Sach machet deren Misbrauch nicht straf-
"bar.
Und eben das ist es auch/ was die Göttliche Poesy
"bey vielen soverächtlich machet; weil nemlich ein jedweder
"deren Wissenschafft sich anmasset/ und also offtmals
"gantze Bögen ohne Kunst und Nachdruck voll geschmie-
"ret werden. Mancher/ wann er etwan etliche Zeilen über

Hals

Ennius Kohte Gold laſe? Wann Cicero nicht ſeine
„Sprache/ die er arm und ſchlecht gefunden/ ſo reich und
„rein gemacht und hinderlaſſen haͤtte/ wir wuͤrden jetzt ein
„ſchlechtes Latein haben. Wie iſt es demnach ſo ungereimt
„daß ein Teutonier einen Teutonier darům verdenket/
„der ſeine Sprach/ die bißher gleichſam noch in den Eyern
„geſchlaffen/ ſchoͤn und wol eingerichtet hervoꝛ zuziehen ſich
„bemuͤhet; nicht aus begier/ etwas neues einzufuͤhren/ ſon-
„dern das alte zu verbeſſern. Man weiß/ wie ſich nun ein
„zweyhundert Jahr her die Sprach veraͤndert. Was ſich
„aber aͤndert und beſſert/ das iſt noch nicht in ſeiner Voll-
„kommenheit. Das Latein ware zu zeiten deß groſſen Au-
„guſtus
am hoͤchſten geſtiegen; von dar an fienge es wider
„an zu fallen. Unsre Sprach aber iſt noch im ſteigen/
„weil ſie nun ein Zeit her durch jhre Veraͤnderungen nicht
„ſchlimmer/ ſondern beſſer worden iſt.

21.

Zwar/ daß heutiges Tages etliche überwitzige
„Koͤpffe jhre ungegruͤndte Einfaͤlle fuͤr lauter Geſetze hal-
„ten/ und/ da ſie doch niemand zu Sprachrichtern geſetzet/
„nach der Unrichtigkeit jhres Gehirns eine neue/ von denẽ
„Sprachverſtaͤndigen ins geſamt noch nicht beglaubte
„Sprachrichtigkeit einfuͤhren wollen/ das iſt nit zu loben:
„und machet ein ſolcher unzeitiger Schwindelhirn den gan-
„tzen Sprachfleiß verdaͤchtig. Wiewol ein Verſtaͤndiger
„nit alle Koͤpfe unter einen Hut bringen/ noch nach Be-
„findung deß einẽ von den andern allen urtheilen ſol. Ei-
„ne loͤbliche Sach machet deren Misbrauch nicht ſtraf-
„bar.
Und eben das iſt es auch/ was die Goͤttliche Poeſy
„bey vielẽ ſoveraͤchtlich machet; weil nemlich ein jedweder
„deren Wiſſenſchafft ſich anmaſſet/ und alſo offtmals
„gantze Boͤgen ohne Kunſt und Nachdruck voll geſchmie-
„ret werden. Mancher/ wann er etwan etliche Zeilen uͤber

Hals
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[14/0064] „Ennius Kohte Gold laſe? Wann Cicero nicht ſeine „Sprache/ die er arm und ſchlecht gefunden/ ſo reich und „rein gemacht und hinderlaſſen haͤtte/ wir wuͤrden jetzt ein „ſchlechtes Latein haben. Wie iſt es demnach ſo ungereimt „daß ein Teutonier einen Teutonier darům verdenket/ „der ſeine Sprach/ die bißher gleichſam noch in den Eyern „geſchlaffen/ ſchoͤn und wol eingerichtet hervoꝛ zuziehen ſich „bemuͤhet; nicht aus begier/ etwas neues einzufuͤhren/ ſon- „dern das alte zu verbeſſern. Man weiß/ wie ſich nun ein „zweyhundert Jahr her die Sprach veraͤndert. Was ſich „aber aͤndert und beſſert/ das iſt noch nicht in ſeiner Voll- „kommenheit. Das Latein ware zu zeiten deß groſſen Au- „guſtus am hoͤchſten geſtiegen; von dar an fienge es wider „an zu fallen. Unsre Sprach aber iſt noch im ſteigen/ „weil ſie nun ein Zeit her durch jhre Veraͤnderungen nicht „ſchlimmer/ ſondern beſſer worden iſt. 21. Zwar/ daß heutiges Tages etliche überwitzige „Koͤpffe jhre ungegruͤndte Einfaͤlle fuͤr lauter Geſetze hal- „ten/ und/ da ſie doch niemand zu Sprachrichtern geſetzet/ „nach der Unrichtigkeit jhres Gehirns eine neue/ von denẽ „Sprachverſtaͤndigen ins geſamt noch nicht beglaubte „Sprachrichtigkeit einfuͤhren wollen/ das iſt nit zu loben: „und machet ein ſolcher unzeitiger Schwindelhirn den gan- „tzen Sprachfleiß verdaͤchtig. Wiewol ein Verſtaͤndiger „nit alle Koͤpfe unter einen Hut bringen/ noch nach Be- „findung deß einẽ von den andern allen urtheilen ſol. Ei- „ne loͤbliche Sach machet deren Misbrauch nicht ſtraf- „bar. Und eben das iſt es auch/ was die Goͤttliche Poeſy „bey vielẽ ſoveraͤchtlich machet; weil nemlich ein jedweder „deren Wiſſenſchafft ſich anmaſſet/ und alſo offtmals „gantze Boͤgen ohne Kunſt und Nachdruck voll geſchmie- „ret werden. Mancher/ wann er etwan etliche Zeilen uͤber Hals

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Zitationshilfe: Birken, Sigmund von: Die Fried-erfreuete Teutonje. Nürnberg, 1652, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/birken_friedensvergleich_1652/64>, abgerufen am 21.11.2024.