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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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Th. II. V. d. einzelnen Verbr. u. Vergehen. Tit. I. Hoch- u. Landesverrath.
Die letztere, eigentlich nur eine mit Rücksicht auf die beleidigte Person
erschwerte Ehrverletzung, kommt hier vorläufig nicht in Betracht. Hoch-
verrath und Landesverrath aber stehen sich so nahe, daß sie füglich in
Einem Titel zusammengestellt werden konnten. Im Allgemeinen freilich
liegt der Unterschied darin, ob die verrätherische Handlung sich unmit-
telbar gegen den Staat wendet oder ihn nur den auswärtigen Feinden
gegenüber gefährdet, und insofern trifft diese Eintheilung mit der des
Rheinischen Rechts zusammen, welches die Verbrechen gegen die innere
Sicherheit des Staates und die Verbrechen gegen die äußere Sicherheit
des Staates in besonderen Abschnitten behandelt. Allein für die Be-
griffsbestimmung erschöpfend ist jene Unterscheidung doch nicht, und in
dem Fall, wo der Hochverrath darauf gerichtet ist, das Preußische
Staatsgebiet ganz oder theilweise einem fremden Staate einzuverleiben,
trifft er seinem Gegenstande nach mit dem Landesverrath zusammen, und
bekommt nur durch die Verschiedenheit der verbrecherischen Absicht seinen
besonderen Charakter. a)

Zuerst wird nun in diesem Titel von dem Begriff und der Bestra-
fung des Hochverraths gehandelt (§. 61. 62.); dann folgen das Kom-
plott und andere auf ein hochverrätherisches Unternehmen sich beziehende
vorbereitende Handlungen, für welche das Strafgesetzbuch singuläre Be-
stimmungen aufstellt (§. 63-66.); daran schließt sich der Landesverrath
an (§. 67-71.), und zum Schluß kommen einige für beide Verbrechen
gemeinsame Anordnungen (§. 72. 73.). Der Hochverrath im engeren
Sinne, als vollendetes Verbrechen gedacht, bildet daher den Gegenstand
der hier folgenden Erörterung.

Dieselbe zerfällt in drei Abtheilungen, indem zuerst über den Be-
griff des Hochverraths, dann über die einzelnen Arten der verbrecheri-
schen Thätigkeit mit Rücksicht auf ihren Gegenstand und zuletzt über die
Bestrafung gehandelt wird.

A. Es liegt in der Natur der Sache, daß ein Verbrechen, wel-
ches bezweckt, die Existenz eines Staates oder die in demselben bestehende
Rechtsordnung aufzuheben, nicht dann erst bestraft werden kann, wenn
es nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen für vollendet zu halten ist. Denn
der glückliche Erfolg des Unternehmens wird wenigstens in vielen Fäl-
len die Straflosigkeit derjenigen, welche sich dabei betheiligt haben, her-
beiführen. Daher erklärt es sich, daß wohl in allen Gesetzgebungen der

a) Die P. G. O. Art. 124. hat noch das Verbrechen der Verrätherei, welche
nicht bloß gegen den Staat (Land, Stadt, eigenen Herrn) gerichtet ist, und sich be-
sonders durch die Art der Verübung von der Empörung (P. G. O. Art. 127.)
unterscheidet. Auch das Englische Recht nimmt das Verbrechen des treason noch in
einem sehr weiten Sinn.

Th. II. V. d. einzelnen Verbr. u. Vergehen. Tit. I. Hoch- u. Landesverrath.
Die letztere, eigentlich nur eine mit Rückſicht auf die beleidigte Perſon
erſchwerte Ehrverletzung, kommt hier vorläufig nicht in Betracht. Hoch-
verrath und Landesverrath aber ſtehen ſich ſo nahe, daß ſie füglich in
Einem Titel zuſammengeſtellt werden konnten. Im Allgemeinen freilich
liegt der Unterſchied darin, ob die verrätheriſche Handlung ſich unmit-
telbar gegen den Staat wendet oder ihn nur den auswärtigen Feinden
gegenüber gefährdet, und inſofern trifft dieſe Eintheilung mit der des
Rheiniſchen Rechts zuſammen, welches die Verbrechen gegen die innere
Sicherheit des Staates und die Verbrechen gegen die äußere Sicherheit
des Staates in beſonderen Abſchnitten behandelt. Allein für die Be-
griffsbeſtimmung erſchöpfend iſt jene Unterſcheidung doch nicht, und in
dem Fall, wo der Hochverrath darauf gerichtet iſt, das Preußiſche
Staatsgebiet ganz oder theilweiſe einem fremden Staate einzuverleiben,
trifft er ſeinem Gegenſtande nach mit dem Landesverrath zuſammen, und
bekommt nur durch die Verſchiedenheit der verbrecheriſchen Abſicht ſeinen
beſonderen Charakter. a)

Zuerſt wird nun in dieſem Titel von dem Begriff und der Beſtra-
fung des Hochverraths gehandelt (§. 61. 62.); dann folgen das Kom-
plott und andere auf ein hochverrätheriſches Unternehmen ſich beziehende
vorbereitende Handlungen, für welche das Strafgeſetzbuch ſinguläre Be-
ſtimmungen aufſtellt (§. 63-66.); daran ſchließt ſich der Landesverrath
an (§. 67-71.), und zum Schluß kommen einige für beide Verbrechen
gemeinſame Anordnungen (§. 72. 73.). Der Hochverrath im engeren
Sinne, als vollendetes Verbrechen gedacht, bildet daher den Gegenſtand
der hier folgenden Erörterung.

Dieſelbe zerfällt in drei Abtheilungen, indem zuerſt über den Be-
griff des Hochverraths, dann über die einzelnen Arten der verbrecheri-
ſchen Thätigkeit mit Rückſicht auf ihren Gegenſtand und zuletzt über die
Beſtrafung gehandelt wird.

A. Es liegt in der Natur der Sache, daß ein Verbrechen, wel-
ches bezweckt, die Exiſtenz eines Staates oder die in demſelben beſtehende
Rechtsordnung aufzuheben, nicht dann erſt beſtraft werden kann, wenn
es nach allgemeinen Rechtsgrundſätzen für vollendet zu halten iſt. Denn
der glückliche Erfolg des Unternehmens wird wenigſtens in vielen Fäl-
len die Strafloſigkeit derjenigen, welche ſich dabei betheiligt haben, her-
beiführen. Daher erklärt es ſich, daß wohl in allen Geſetzgebungen der

a) Die P. G. O. Art. 124. hat noch das Verbrechen der Verrätherei, welche
nicht bloß gegen den Staat (Land, Stadt, eigenen Herrn) gerichtet iſt, und ſich be-
ſonders durch die Art der Verübung von der Empörung (P. G. O. Art. 127.)
unterſcheidet. Auch das Engliſche Recht nimmt das Verbrechen des treason noch in
einem ſehr weiten Sinn.
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[218/0228] Th. II. V. d. einzelnen Verbr. u. Vergehen. Tit. I. Hoch- u. Landesverrath. Die letztere, eigentlich nur eine mit Rückſicht auf die beleidigte Perſon erſchwerte Ehrverletzung, kommt hier vorläufig nicht in Betracht. Hoch- verrath und Landesverrath aber ſtehen ſich ſo nahe, daß ſie füglich in Einem Titel zuſammengeſtellt werden konnten. Im Allgemeinen freilich liegt der Unterſchied darin, ob die verrätheriſche Handlung ſich unmit- telbar gegen den Staat wendet oder ihn nur den auswärtigen Feinden gegenüber gefährdet, und inſofern trifft dieſe Eintheilung mit der des Rheiniſchen Rechts zuſammen, welches die Verbrechen gegen die innere Sicherheit des Staates und die Verbrechen gegen die äußere Sicherheit des Staates in beſonderen Abſchnitten behandelt. Allein für die Be- griffsbeſtimmung erſchöpfend iſt jene Unterſcheidung doch nicht, und in dem Fall, wo der Hochverrath darauf gerichtet iſt, das Preußiſche Staatsgebiet ganz oder theilweiſe einem fremden Staate einzuverleiben, trifft er ſeinem Gegenſtande nach mit dem Landesverrath zuſammen, und bekommt nur durch die Verſchiedenheit der verbrecheriſchen Abſicht ſeinen beſonderen Charakter. a) Zuerſt wird nun in dieſem Titel von dem Begriff und der Beſtra- fung des Hochverraths gehandelt (§. 61. 62.); dann folgen das Kom- plott und andere auf ein hochverrätheriſches Unternehmen ſich beziehende vorbereitende Handlungen, für welche das Strafgeſetzbuch ſinguläre Be- ſtimmungen aufſtellt (§. 63-66.); daran ſchließt ſich der Landesverrath an (§. 67-71.), und zum Schluß kommen einige für beide Verbrechen gemeinſame Anordnungen (§. 72. 73.). Der Hochverrath im engeren Sinne, als vollendetes Verbrechen gedacht, bildet daher den Gegenſtand der hier folgenden Erörterung. Dieſelbe zerfällt in drei Abtheilungen, indem zuerſt über den Be- griff des Hochverraths, dann über die einzelnen Arten der verbrecheri- ſchen Thätigkeit mit Rückſicht auf ihren Gegenſtand und zuletzt über die Beſtrafung gehandelt wird. A. Es liegt in der Natur der Sache, daß ein Verbrechen, wel- ches bezweckt, die Exiſtenz eines Staates oder die in demſelben beſtehende Rechtsordnung aufzuheben, nicht dann erſt beſtraft werden kann, wenn es nach allgemeinen Rechtsgrundſätzen für vollendet zu halten iſt. Denn der glückliche Erfolg des Unternehmens wird wenigſtens in vielen Fäl- len die Strafloſigkeit derjenigen, welche ſich dabei betheiligt haben, her- beiführen. Daher erklärt es ſich, daß wohl in allen Geſetzgebungen der a) Die P. G. O. Art. 124. hat noch das Verbrechen der Verrätherei, welche nicht bloß gegen den Staat (Land, Stadt, eigenen Herrn) gerichtet iſt, und ſich be- ſonders durch die Art der Verübung von der Empörung (P. G. O. Art. 127.) unterſcheidet. Auch das Engliſche Recht nimmt das Verbrechen des treason noch in einem ſehr weiten Sinn.

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/228>, abgerufen am 27.04.2024.