Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.Das Einführungsgesetz. Abschnitt I. zu erkennen gewesen sein. Anstatt der Strafe der unerlaubten Selbst-hülfe aber würde in vielen, vielleicht in allen irgend erheblichen Fällen entweder auf die Strafe der Gewalt gegen die Person, also der Bedro- hung (§. 212.), oder der Thätlichkeiten (§. 187.), oder auf die Strafe der Beschädigung fremden Eigenthums (§. 281.), oder auf die Strafe des Eindringens in das befriedigte Besitzthum eines Andern (§§. 214. 346.) zu erkennen gewesen sein. Diese Erwägung ist auch der Grund gewesen, weshalb die vereinigten ständischen Ausschüsse im Jahre 1848. sich so entschieden gegen die Beibehaltung einer in den meisten andern Gesetzgebungen nicht befindlichen Strafbestimmung über die unerlaubte Selbsthülfe ausgesprochen haben." "Nach allem diesem kann der Umstand, daß das neue Strafgesetz- "Im Uebrigen sind bereits seit geraumer Zeit im Hinblick auf das Artikel VIII. Wenn in Materien, über welche das gegenwärtige Strafgesetzbuch keine Ist die Handlung mit einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Wochen, je- Das Einführungsgeſetz. Abſchnitt I. zu erkennen geweſen ſein. Anſtatt der Strafe der unerlaubten Selbſt-hülfe aber würde in vielen, vielleicht in allen irgend erheblichen Fällen entweder auf die Strafe der Gewalt gegen die Perſon, alſo der Bedro- hung (§. 212.), oder der Thätlichkeiten (§. 187.), oder auf die Strafe der Beſchädigung fremden Eigenthums (§. 281.), oder auf die Strafe des Eindringens in das befriedigte Beſitzthum eines Andern (§§. 214. 346.) zu erkennen geweſen ſein. Dieſe Erwägung iſt auch der Grund geweſen, weshalb die vereinigten ſtändiſchen Ausſchüſſe im Jahre 1848. ſich ſo entſchieden gegen die Beibehaltung einer in den meiſten andern Geſetzgebungen nicht befindlichen Strafbeſtimmung über die unerlaubte Selbſthülfe ausgeſprochen haben.“ „Nach allem dieſem kann der Umſtand, daß das neue Strafgeſetz- „Im Uebrigen ſind bereits ſeit geraumer Zeit im Hinblick auf das Artikel VIII. Wenn in Materien, über welche das gegenwärtige Strafgeſetzbuch keine Iſt die Handlung mit einer Freiheitsſtrafe von mehr als ſechs Wochen, je- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0618" n="608"/><fw place="top" type="header">Das Einführungsgeſetz. Abſchnitt I.</fw><lb/> zu erkennen geweſen ſein. Anſtatt der Strafe der unerlaubten Selbſt-<lb/> hülfe aber würde in vielen, vielleicht in allen irgend erheblichen Fällen<lb/> entweder auf die Strafe der Gewalt gegen die Perſon, alſo der Bedro-<lb/> hung (§. 212.), oder der Thätlichkeiten (§. 187.), oder auf die Strafe<lb/> der Beſchädigung fremden Eigenthums (§. 281.), oder auf die Strafe<lb/> des Eindringens in das befriedigte Beſitzthum eines Andern (§§. 214.<lb/> 346.) zu erkennen geweſen ſein. Dieſe Erwägung iſt auch der Grund<lb/> geweſen, weshalb die vereinigten ſtändiſchen Ausſchüſſe im Jahre 1848.<lb/> ſich ſo entſchieden gegen die Beibehaltung einer in den meiſten andern<lb/> Geſetzgebungen nicht befindlichen Strafbeſtimmung über die unerlaubte<lb/> Selbſthülfe ausgeſprochen haben.“</p><lb/> <p>„Nach allem dieſem kann der Umſtand, daß das neue Strafgeſetz-<lb/> buch anderweitige Beſtimmungen enthält, für ſich allein keinen hinrei-<lb/> chenden Grund abgeben, um den Erlaß oder die Ermäßigung erkannter<lb/> Strafen in Antrag zu bringen. Iſt in Veranlaſſung von Begnadi-<lb/> gungsgeſuchen oder aus ſonſtigen beſonderen Gründen zu berichten, ſo<lb/> ſind nach wie vor die faktiſchen Momente, welche den Erlaß oder die<lb/> Ermäßigung der Strafe als angemeſſen erſcheinen laſſen, vorzugsweiſe<lb/> ins Auge zu faſſen.“</p><lb/> <p>„Im Uebrigen ſind bereits ſeit geraumer Zeit im Hinblick auf das<lb/> neue Strafgeſetzbuch, deſſen Verkündigung in Ausſicht ſtand, zur Mil-<lb/> derung derjenigen Strafen, welche als allzuſtreng erſchienen, die erfor-<lb/> derlichen Maaßregeln getroffen worden, indem namentlich die Strafen,<lb/> welche wegen vierten Diebſtahls oder wegen verheimlichter Schwanger-<lb/> ſchaft und Niederkunft, ſo wie diejenigen, welche auf Grund des Rhei-<lb/> niſchen Strafgeſetzbuchs wegen einer großen Zahl von Verbrechen ver-<lb/> hängt worden waren, in Begnadigungswege herabgeſetzt ſind, oder die<lb/> Anordnung ergangen iſt, daß nach Ablauf einer gewiſſen Zeit über die<lb/> Führung des Verurtheilten in der Strafanſtalt Bericht erſtattet werden<lb/> ſolle. Es bedarf kaum der Erwähnung, daß es bei dieſen Anordnun-<lb/> gen ſein Bewenden behält.“</p> </div> </div><lb/> <div n="3"> <head><hi rendition="#g">Artikel</hi> VIII.</head><lb/> <div n="4"> <head/> <p>Wenn in Materien, über welche das gegenwärtige Strafgeſetzbuch keine<lb/> Beſtimmungen enthält (Artikel II.), die Geſetze eine Freiheitsſtrafe von mehr<lb/> als fünf Jahren androhen, ſo iſt die Handlung ein Verbrechen.</p><lb/> <p>Iſt die Handlung mit einer Freiheitsſtrafe von mehr als ſechs Wochen, je-<lb/> doch nicht über fünf Jahre, oder mit einer Geldbuße von mehr als funfzig<lb/> Thalern bedroht, oder iſt auf den Verluſt von Aemtern oder auf den Verluſt<lb/> des Rechts zum Gewerbebetriebe für immer oder auf Zeit, oder auf Stellung<lb/> unter Polizei-Aufſicht zu erkennen, ſo iſt die Handlung ein Vergehen.</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [608/0618]
Das Einführungsgeſetz. Abſchnitt I.
zu erkennen geweſen ſein. Anſtatt der Strafe der unerlaubten Selbſt-
hülfe aber würde in vielen, vielleicht in allen irgend erheblichen Fällen
entweder auf die Strafe der Gewalt gegen die Perſon, alſo der Bedro-
hung (§. 212.), oder der Thätlichkeiten (§. 187.), oder auf die Strafe
der Beſchädigung fremden Eigenthums (§. 281.), oder auf die Strafe
des Eindringens in das befriedigte Beſitzthum eines Andern (§§. 214.
346.) zu erkennen geweſen ſein. Dieſe Erwägung iſt auch der Grund
geweſen, weshalb die vereinigten ſtändiſchen Ausſchüſſe im Jahre 1848.
ſich ſo entſchieden gegen die Beibehaltung einer in den meiſten andern
Geſetzgebungen nicht befindlichen Strafbeſtimmung über die unerlaubte
Selbſthülfe ausgeſprochen haben.“
„Nach allem dieſem kann der Umſtand, daß das neue Strafgeſetz-
buch anderweitige Beſtimmungen enthält, für ſich allein keinen hinrei-
chenden Grund abgeben, um den Erlaß oder die Ermäßigung erkannter
Strafen in Antrag zu bringen. Iſt in Veranlaſſung von Begnadi-
gungsgeſuchen oder aus ſonſtigen beſonderen Gründen zu berichten, ſo
ſind nach wie vor die faktiſchen Momente, welche den Erlaß oder die
Ermäßigung der Strafe als angemeſſen erſcheinen laſſen, vorzugsweiſe
ins Auge zu faſſen.“
„Im Uebrigen ſind bereits ſeit geraumer Zeit im Hinblick auf das
neue Strafgeſetzbuch, deſſen Verkündigung in Ausſicht ſtand, zur Mil-
derung derjenigen Strafen, welche als allzuſtreng erſchienen, die erfor-
derlichen Maaßregeln getroffen worden, indem namentlich die Strafen,
welche wegen vierten Diebſtahls oder wegen verheimlichter Schwanger-
ſchaft und Niederkunft, ſo wie diejenigen, welche auf Grund des Rhei-
niſchen Strafgeſetzbuchs wegen einer großen Zahl von Verbrechen ver-
hängt worden waren, in Begnadigungswege herabgeſetzt ſind, oder die
Anordnung ergangen iſt, daß nach Ablauf einer gewiſſen Zeit über die
Führung des Verurtheilten in der Strafanſtalt Bericht erſtattet werden
ſolle. Es bedarf kaum der Erwähnung, daß es bei dieſen Anordnun-
gen ſein Bewenden behält.“
Artikel VIII.
Wenn in Materien, über welche das gegenwärtige Strafgeſetzbuch keine
Beſtimmungen enthält (Artikel II.), die Geſetze eine Freiheitsſtrafe von mehr
als fünf Jahren androhen, ſo iſt die Handlung ein Verbrechen.
Iſt die Handlung mit einer Freiheitsſtrafe von mehr als ſechs Wochen, je-
doch nicht über fünf Jahre, oder mit einer Geldbuße von mehr als funfzig
Thalern bedroht, oder iſt auf den Verluſt von Aemtern oder auf den Verluſt
des Rechts zum Gewerbebetriebe für immer oder auf Zeit, oder auf Stellung
unter Polizei-Aufſicht zu erkennen, ſo iſt die Handlung ein Vergehen.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |