Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.§. 332. Bedingungen der Polizeistrafe. Verschiedenheit provinzieller und örtlicher Eigenthümlichkeiten, und na-mentlich der Gegensatz von Stadt und Land, von Ackerbau, Fabrikation, Handel, Schifffahrt sich in natürlicher Entwicklung geltend machen, und die angemessene Berücksichtigung dessen, was die Sitte und das Gemein- wohl erfordern, mehr von einer gesetzlich geordneten Autonomie unter der oberen Aufsicht der Staatsgewalt zu erwarten ist, als von der all- gemeinen Landesgesetzgebung, welche das Besondere weniger zu beachten und zu würdigen vermag. Es hätte daher füglich im dritten Theile des Strafgesetzbuchs manche einzelne Bestimmung ausgeschieden, und der statutarischen Feststellung durch autonomische Beliebungen überlassen werden können, auch abgesehen davon, daß einzelne Strafvorschriften, z. B. über die Verletzung der Polizeistunde (§. 342.) im Geiste einer Bevormundung erlassen sind, welche nur in besonderen Veranlassungen und Verhältnissen ihre Rechtfertigung finden kann. Um so weniger würde sich natürlich für einen Staat wie Preußen die Kodifikation des gesammten Polizeistrafrechts eignen, und es ist anzuerkennen, daß die- selbe in dieser Richtung auch bei uns nicht versucht worden ist, daß vielmehr die Gesetzgebung, der leider die Ausführung noch nicht ent- sprochen, der freien Entwicklung der Autonomie auf diesem Gebiete durch die Gemeindeordnung §. 8. und das Gesetz vom 11. März 1850. über die Polizeiverwaltung sich entschieden günstig gezeigt hat. d) §. 332 Als Uebertretungen sind nur solche Handlungen oder Unterlassungen zu be- Der Zweck dieser Bestimmung ist, genau festzustellen, wann von §. 127. "Als Polizeivergehen (Kontraventionen) sind nur solche d) Zum Theil von einem anderen Standpunkte aus ist die Kodifikation des Po- lizeistrafrechts betrachtet von R. v. Mohl, das Württembergische Polizei-Strafgesetz vom 2. Okt. 1839. im Beilageheft zum Archiv des Criminalrechts; Jahrgang 1840. 37*
§. 332. Bedingungen der Polizeiſtrafe. Verſchiedenheit provinzieller und örtlicher Eigenthümlichkeiten, und na-mentlich der Gegenſatz von Stadt und Land, von Ackerbau, Fabrikation, Handel, Schifffahrt ſich in natürlicher Entwicklung geltend machen, und die angemeſſene Berückſichtigung deſſen, was die Sitte und das Gemein- wohl erfordern, mehr von einer geſetzlich geordneten Autonomie unter der oberen Aufſicht der Staatsgewalt zu erwarten iſt, als von der all- gemeinen Landesgeſetzgebung, welche das Beſondere weniger zu beachten und zu würdigen vermag. Es hätte daher füglich im dritten Theile des Strafgeſetzbuchs manche einzelne Beſtimmung ausgeſchieden, und der ſtatutariſchen Feſtſtellung durch autonomiſche Beliebungen überlaſſen werden können, auch abgeſehen davon, daß einzelne Strafvorſchriften, z. B. über die Verletzung der Polizeiſtunde (§. 342.) im Geiſte einer Bevormundung erlaſſen ſind, welche nur in beſonderen Veranlaſſungen und Verhältniſſen ihre Rechtfertigung finden kann. Um ſo weniger würde ſich natürlich für einen Staat wie Preußen die Kodifikation des geſammten Polizeiſtrafrechts eignen, und es iſt anzuerkennen, daß die- ſelbe in dieſer Richtung auch bei uns nicht verſucht worden iſt, daß vielmehr die Geſetzgebung, der leider die Ausführung noch nicht ent- ſprochen, der freien Entwicklung der Autonomie auf dieſem Gebiete durch die Gemeindeordnung §. 8. und das Geſetz vom 11. März 1850. über die Polizeiverwaltung ſich entſchieden günſtig gezeigt hat. d) §. 332 Als Uebertretungen ſind nur ſolche Handlungen oder Unterlaſſungen zu be- Der Zweck dieſer Beſtimmung iſt, genau feſtzuſtellen, wann von §. 127. „Als Polizeivergehen (Kontraventionen) ſind nur ſolche d) Zum Theil von einem anderen Standpunkte aus iſt die Kodifikation des Po- lizeiſtrafrechts betrachtet von R. v. Mohl, das Württembergiſche Polizei-Strafgeſetz vom 2. Okt. 1839. im Beilageheft zum Archiv des Criminalrechts; Jahrgang 1840. 37*
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§. 332. Bedingungen der Polizeiſtrafe.
Verſchiedenheit provinzieller und örtlicher Eigenthümlichkeiten, und na-
mentlich der Gegenſatz von Stadt und Land, von Ackerbau, Fabrikation,
Handel, Schifffahrt ſich in natürlicher Entwicklung geltend machen, und
die angemeſſene Berückſichtigung deſſen, was die Sitte und das Gemein-
wohl erfordern, mehr von einer geſetzlich geordneten Autonomie unter
der oberen Aufſicht der Staatsgewalt zu erwarten iſt, als von der all-
gemeinen Landesgeſetzgebung, welche das Beſondere weniger zu beachten
und zu würdigen vermag. Es hätte daher füglich im dritten Theile
des Strafgeſetzbuchs manche einzelne Beſtimmung ausgeſchieden, und der
ſtatutariſchen Feſtſtellung durch autonomiſche Beliebungen überlaſſen
werden können, auch abgeſehen davon, daß einzelne Strafvorſchriften,
z. B. über die Verletzung der Polizeiſtunde (§. 342.) im Geiſte einer
Bevormundung erlaſſen ſind, welche nur in beſonderen Veranlaſſungen
und Verhältniſſen ihre Rechtfertigung finden kann. Um ſo weniger
würde ſich natürlich für einen Staat wie Preußen die Kodifikation des
geſammten Polizeiſtrafrechts eignen, und es iſt anzuerkennen, daß die-
ſelbe in dieſer Richtung auch bei uns nicht verſucht worden iſt, daß
vielmehr die Geſetzgebung, der leider die Ausführung noch nicht ent-
ſprochen, der freien Entwicklung der Autonomie auf dieſem Gebiete durch
die Gemeindeordnung §. 8. und das Geſetz vom 11. März 1850. über
die Polizeiverwaltung ſich entſchieden günſtig gezeigt hat. d)
§. 332
Als Uebertretungen ſind nur ſolche Handlungen oder Unterlaſſungen zu be-
ſtrafen, welche durch Geſetze oder geſetzlich erlaſſene Verordnungen der Behör-
den unter Strafe geſtellt ſind.
Der Zweck dieſer Beſtimmung iſt, genau feſtzuſtellen, wann von
Polizeigerichtswegen auf eine Strafe erkannt werden kann. Das Allg.
Landrecht (Th. II. Tit. 17. §. 10. ff.) enthält über die Grenzen der
Polizeigerichtsbarkeit wenig befriedigende Vorſchriften; aber auch die
früheren Entwürfe waren in dieſer Beziehung ſehr mangelhaft gefaßt;
der Entwurf von 1843. namentlich verfügte:
§. 127. „Als Polizeivergehen (Kontraventionen) ſind nur ſolche
d) Zum Theil von einem anderen Standpunkte aus iſt die Kodifikation des Po-
lizeiſtrafrechts betrachtet von R. v. Mohl, das Württembergiſche Polizei-Strafgeſetz
vom 2. Okt. 1839. im Beilageheft zum Archiv des Criminalrechts; Jahrgang 1840.
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