Th. II. V. d. einzelnen Verbr. etc. Tit. XXVIII. Verbr. u. Verg. im Amte.
Es wird freilich, wenn man das unabhängige Nebeneinander der gemeinen Strafrechtspflege und der Disziplinarstrafgewalt durchführt, kein Vergehen eines Beamten leicht ohne die entsprechende Rüge blei- ben, und in diesem Sinne ist das Interesse des Dienstes dadurch voll- kommen gewahrt. Aber andererseits ist nicht zu übersehen, daß, wie schon bemerkt worden, diese schroffe Durchführung einer zwiefachen Ueber- wachung des Beamtenstandes dessen öffentliche Stellung gefährdet, und daß es wohl zu bedenken ist, ob der öffentliche Dienst mehr durch diese Art der Disziplinirung oder dadurch leidet, daß einmal ein Dienst- vergehen ungeahndet bleibt. Der Angeschuldigte, welcher von dem or- dentlichen Richter freigesprochen, nachträglich noch mit einer Disziplinar- strafe belegt wird, wird nur zu leicht als das Opfer einer unbilligen Verfolgung angesehen werden. Für die richterlichen Beamten, über welche wenigstens die fest organisirten, an Rechtsgründe gewöhnten Ge- richtshöfe disziplinarisch erkennen, stellt sich die Sache freilich günstiger, als bei den übrigen Beamten, für deren Schicksal schon die Art und Weise, wie der Disziplinarhof zusammengesetzt ist, entscheidend sein kann.
Das Strafgesetzbuch hat also nur diejenigen Dienstvergehen der Beamten hervorgehoben, für welche die höchste Disziplinarstrafe nicht für genügend erachtet, sondern die Auferlegung einer Kriminalstrafe nothwendig befunden ist. Es ist dabei von jeder Begriffsbestimmung abgesehen und die Aufzählung der einzelnen hierher gehörenden Fälle beliebt worden. g) -- Der in dem Entwurf von 1847. befindliche Ti- tel 27. (§. 412-16.) über die Verbrechen der Geistlichen ist aus dem Strafgesetzbuch ganz weggelassen worden; er fehlt schon in dem Ent- wurf von 1850.
§. 309.
Ein Beamter, welcher für eine in sein Amt einschlagende, an sich nicht pflichtwidrige Handlung oder Unterlassung Geschenke oder andere Vortheile annimmt, fordert oder sich versprechen läßt, zu denen er gesetzlich nicht berech- tigt ist, wird mit Geldbuße bis zu Einhundert Thalern oder mit Gefängniß bis zu sechs Monaten bestraft, und zur Herausgabe des Empfangenen oder des Werths desselben an den Fiskus verurtheilt; es kann zugleich auf zeitige Unfähigkeit zu öffentlichen Aemtern erkannt werden.
§. 310.
Ein Beamter oder Schiedsrichter, welcher für eine Handlung oder Unter-
g)Motive zu dem Entwurf von 1850. Titel 25. -- Bericht der Kom- mission der zweiten Kammer ebendas.
Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XXVIII. Verbr. u. Verg. im Amte.
Es wird freilich, wenn man das unabhängige Nebeneinander der gemeinen Strafrechtspflege und der Disziplinarſtrafgewalt durchführt, kein Vergehen eines Beamten leicht ohne die entſprechende Rüge blei- ben, und in dieſem Sinne iſt das Intereſſe des Dienſtes dadurch voll- kommen gewahrt. Aber andererſeits iſt nicht zu überſehen, daß, wie ſchon bemerkt worden, dieſe ſchroffe Durchführung einer zwiefachen Ueber- wachung des Beamtenſtandes deſſen öffentliche Stellung gefährdet, und daß es wohl zu bedenken iſt, ob der öffentliche Dienſt mehr durch dieſe Art der Disziplinirung oder dadurch leidet, daß einmal ein Dienſt- vergehen ungeahndet bleibt. Der Angeſchuldigte, welcher von dem or- dentlichen Richter freigeſprochen, nachträglich noch mit einer Disziplinar- ſtrafe belegt wird, wird nur zu leicht als das Opfer einer unbilligen Verfolgung angeſehen werden. Für die richterlichen Beamten, über welche wenigſtens die feſt organiſirten, an Rechtsgründe gewöhnten Ge- richtshöfe disziplinariſch erkennen, ſtellt ſich die Sache freilich günſtiger, als bei den übrigen Beamten, für deren Schickſal ſchon die Art und Weiſe, wie der Disziplinarhof zuſammengeſetzt iſt, entſcheidend ſein kann.
Das Strafgeſetzbuch hat alſo nur diejenigen Dienſtvergehen der Beamten hervorgehoben, für welche die höchſte Disziplinarſtrafe nicht für genügend erachtet, ſondern die Auferlegung einer Kriminalſtrafe nothwendig befunden iſt. Es iſt dabei von jeder Begriffsbeſtimmung abgeſehen und die Aufzählung der einzelnen hierher gehörenden Fälle beliebt worden. g) — Der in dem Entwurf von 1847. befindliche Ti- tel 27. (§. 412-16.) über die Verbrechen der Geiſtlichen iſt aus dem Strafgeſetzbuch ganz weggelaſſen worden; er fehlt ſchon in dem Ent- wurf von 1850.
§. 309.
Ein Beamter, welcher für eine in ſein Amt einſchlagende, an ſich nicht pflichtwidrige Handlung oder Unterlaſſung Geſchenke oder andere Vortheile annimmt, fordert oder ſich verſprechen läßt, zu denen er geſetzlich nicht berech- tigt iſt, wird mit Geldbuße bis zu Einhundert Thalern oder mit Gefängniß bis zu ſechs Monaten beſtraft, und zur Herausgabe des Empfangenen oder des Werths deſſelben an den Fiskus verurtheilt; es kann zugleich auf zeitige Unfähigkeit zu öffentlichen Aemtern erkannt werden.
§. 310.
Ein Beamter oder Schiedsrichter, welcher für eine Handlung oder Unter-
g)Motive zu dem Entwurf von 1850. Titel 25. — Bericht der Kom- miſſion der zweiten Kammer ebendaſ.
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Es wird freilich, wenn man das unabhängige Nebeneinander der
gemeinen Strafrechtspflege und der Disziplinarſtrafgewalt durchführt,
kein Vergehen eines Beamten leicht ohne die entſprechende Rüge blei-
ben, und in dieſem Sinne iſt das Intereſſe des Dienſtes dadurch voll-
kommen gewahrt. Aber andererſeits iſt nicht zu überſehen, daß, wie
ſchon bemerkt worden, dieſe ſchroffe Durchführung einer zwiefachen Ueber-
wachung des Beamtenſtandes deſſen öffentliche Stellung gefährdet, und
daß es wohl zu bedenken iſt, ob der öffentliche Dienſt mehr durch dieſe
Art der Disziplinirung oder dadurch leidet, daß einmal ein Dienſt-
vergehen ungeahndet bleibt. Der Angeſchuldigte, welcher von dem or-
dentlichen Richter freigeſprochen, nachträglich noch mit einer Disziplinar-
ſtrafe belegt wird, wird nur zu leicht als das Opfer einer unbilligen
Verfolgung angeſehen werden. Für die richterlichen Beamten, über
welche wenigſtens die feſt organiſirten, an Rechtsgründe gewöhnten Ge-
richtshöfe disziplinariſch erkennen, ſtellt ſich die Sache freilich günſtiger,
als bei den übrigen Beamten, für deren Schickſal ſchon die Art und
Weiſe, wie der Disziplinarhof zuſammengeſetzt iſt, entſcheidend ſein kann.
Das Strafgeſetzbuch hat alſo nur diejenigen Dienſtvergehen der
Beamten hervorgehoben, für welche die höchſte Disziplinarſtrafe nicht
für genügend erachtet, ſondern die Auferlegung einer Kriminalſtrafe
nothwendig befunden iſt. Es iſt dabei von jeder Begriffsbeſtimmung
abgeſehen und die Aufzählung der einzelnen hierher gehörenden Fälle
beliebt worden. g) — Der in dem Entwurf von 1847. befindliche Ti-
tel 27. (§. 412-16.) über die Verbrechen der Geiſtlichen iſt aus dem
Strafgeſetzbuch ganz weggelaſſen worden; er fehlt ſchon in dem Ent-
wurf von 1850.
§. 309.
Ein Beamter, welcher für eine in ſein Amt einſchlagende, an ſich nicht
pflichtwidrige Handlung oder Unterlaſſung Geſchenke oder andere Vortheile
annimmt, fordert oder ſich verſprechen läßt, zu denen er geſetzlich nicht berech-
tigt iſt, wird mit Geldbuße bis zu Einhundert Thalern oder mit Gefängniß
bis zu ſechs Monaten beſtraft, und zur Herausgabe des Empfangenen oder
des Werths deſſelben an den Fiskus verurtheilt; es kann zugleich auf zeitige
Unfähigkeit zu öffentlichen Aemtern erkannt werden.
§. 310.
Ein Beamter oder Schiedsrichter, welcher für eine Handlung oder Unter-
g) Motive zu dem Entwurf von 1850. Titel 25. — Bericht der Kom-
miſſion der zweiten Kammer ebendaſ.
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 550. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/560>, abgerufen am 30.12.2024.
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