Th. II. V. d. einzelnen Verbr. etc. Tit. XXVII. Gemeingefährliche Verbr. etc.
Gefängniß erkannt werden kann, ist ein Zusatz des Gesetzbuchs die früheren Spezialgesetze hatten bloß die Geldbuße.
§. 301.
Wer vorsätzlich Wasserleitungen, Schleusen, Wehre, Deiche, Dämme oder andere Wasserbauten, oder Brücken, Fähren, Wege oder Schutzwehre zerstört oder beschädigt, oder wer in schiffbaren Strömen, Flüssen oder Kanälen das Fahrwasser stört, und durch eine dieser Handlungen Gefahr für das Leben oder die Gesundheit Anderer herbeiführt, wird mit Gefängniß nicht unter drei Monaten bestraft.
Hat in Folge einer dieser Handlungen ein Mensch eine schwere Körperver- letzung (§. 193.) erlitten, so tritt Zuchthaus bis zu funfzehn Jahren, und hat in Folge einer dieser Handlungen ein Mensch das Leben verloren, zehn- jährige bis lebenslängliche Zuchthausstrafe ein.
Liegt einer solchen Handlung Fahrlässigkeit zum Grunde, und ist dadurch ein Schaden entstanden, so ist auf Gefängniß bis zu sechs Monaten, und wenn in Folge derselben ein Mensch das Leben verloren hat, auf Gefängniß von zwei Monaten bis zu zwei Jahren zu erkennen.
Die in diesem Paragraphen bezeichneten Handlungen fallen nur dann unter die aufgestellten Strafbestimmungen, wenn Gefahr für das Leben oder die Gesundheit Anderer dadurch herbeigeführt wird; fehlt dieser Theil des Thatbestandes, so kommen, insoweit sie überhaupt zu- treffend sind, die Vorschriften über die Vermögensbeschädigung, nament- lich die des §. 283. zur Anwendung. Die Fälle, auf welche sich die beiden genannten Paragraphen beziehen, sind aber nicht gleichartig, und es lag daher keine Veranlassung vor, sie in Beziehung auf die aufge- zählten Gegenstände mit einander genau in Einklang zu bringen. f) -- Die Zerstörung und Beschädigung von Schleusen, Dämmen u. s. w. können übrigens auch vorgenommen werden, um eine Ueberschwemmung zu verursachen, und sind dann nach den über dieses Verbrechen aufge- stellten Bestimmungen zu beurtheilen. g)
In dem Staatsrathe wurde das Bedenken geäußert, ob eine der bezeichneten Handlungen, welche in gewinnsüchtiger Absicht vorgenommen worden, indem z. B. Theile eines der in Rede stehenden Bauwerke gestohlen werden, unter die Strafbestimmung des Paragraphen zu be- fassen sei, da es hier doch auf den animus nocendi ankomme, der bei der Entwendung vielleicht gar nicht vorliege. Allein man erwiederte, daß eine mit Vorsatz, d. h. mit dem Bewußtsein der Rechtswidrigkeit
f) Ebendaselbst zu §. 273. (301.).
g)Verhandlungen des vereinigten ständischen Ausschusses. IV. S. 437-40.
Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XXVII. Gemeingefährliche Verbr. ꝛc.
Gefängniß erkannt werden kann, iſt ein Zuſatz des Geſetzbuchs die früheren Spezialgeſetze hatten bloß die Geldbuße.
§. 301.
Wer vorſätzlich Waſſerleitungen, Schleuſen, Wehre, Deiche, Dämme oder andere Waſſerbauten, oder Brücken, Fähren, Wege oder Schutzwehre zerſtört oder beſchädigt, oder wer in ſchiffbaren Strömen, Flüſſen oder Kanälen das Fahrwaſſer ſtört, und durch eine dieſer Handlungen Gefahr für das Leben oder die Geſundheit Anderer herbeiführt, wird mit Gefängniß nicht unter drei Monaten beſtraft.
Hat in Folge einer dieſer Handlungen ein Menſch eine ſchwere Körperver- letzung (§. 193.) erlitten, ſo tritt Zuchthaus bis zu funfzehn Jahren, und hat in Folge einer dieſer Handlungen ein Menſch das Leben verloren, zehn- jährige bis lebenslängliche Zuchthausſtrafe ein.
Liegt einer ſolchen Handlung Fahrläſſigkeit zum Grunde, und iſt dadurch ein Schaden entſtanden, ſo iſt auf Gefängniß bis zu ſechs Monaten, und wenn in Folge derſelben ein Menſch das Leben verloren hat, auf Gefängniß von zwei Monaten bis zu zwei Jahren zu erkennen.
Die in dieſem Paragraphen bezeichneten Handlungen fallen nur dann unter die aufgeſtellten Strafbeſtimmungen, wenn Gefahr für das Leben oder die Geſundheit Anderer dadurch herbeigeführt wird; fehlt dieſer Theil des Thatbeſtandes, ſo kommen, inſoweit ſie überhaupt zu- treffend ſind, die Vorſchriften über die Vermögensbeſchädigung, nament- lich die des §. 283. zur Anwendung. Die Fälle, auf welche ſich die beiden genannten Paragraphen beziehen, ſind aber nicht gleichartig, und es lag daher keine Veranlaſſung vor, ſie in Beziehung auf die aufge- zählten Gegenſtände mit einander genau in Einklang zu bringen. f) — Die Zerſtörung und Beſchädigung von Schleuſen, Dämmen u. ſ. w. können übrigens auch vorgenommen werden, um eine Ueberſchwemmung zu verurſachen, und ſind dann nach den über dieſes Verbrechen aufge- ſtellten Beſtimmungen zu beurtheilen. g)
In dem Staatsrathe wurde das Bedenken geäußert, ob eine der bezeichneten Handlungen, welche in gewinnſüchtiger Abſicht vorgenommen worden, indem z. B. Theile eines der in Rede ſtehenden Bauwerke geſtohlen werden, unter die Strafbeſtimmung des Paragraphen zu be- faſſen ſei, da es hier doch auf den animus nocendi ankomme, der bei der Entwendung vielleicht gar nicht vorliege. Allein man erwiederte, daß eine mit Vorſatz, d. h. mit dem Bewußtſein der Rechtswidrigkeit
f) Ebendaſelbſt zu §. 273. (301.).
g)Verhandlungen des vereinigten ſtändiſchen Ausſchuſſes. IV. S. 437-40.
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Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XXVII. Gemeingefährliche Verbr. ꝛc.
Gefängniß erkannt werden kann, iſt ein Zuſatz des Geſetzbuchs die
früheren Spezialgeſetze hatten bloß die Geldbuße.
§. 301.
Wer vorſätzlich Waſſerleitungen, Schleuſen, Wehre, Deiche, Dämme oder
andere Waſſerbauten, oder Brücken, Fähren, Wege oder Schutzwehre zerſtört
oder beſchädigt, oder wer in ſchiffbaren Strömen, Flüſſen oder Kanälen das
Fahrwaſſer ſtört, und durch eine dieſer Handlungen Gefahr für das Leben
oder die Geſundheit Anderer herbeiführt, wird mit Gefängniß nicht unter drei
Monaten beſtraft.
Hat in Folge einer dieſer Handlungen ein Menſch eine ſchwere Körperver-
letzung (§. 193.) erlitten, ſo tritt Zuchthaus bis zu funfzehn Jahren, und
hat in Folge einer dieſer Handlungen ein Menſch das Leben verloren, zehn-
jährige bis lebenslängliche Zuchthausſtrafe ein.
Liegt einer ſolchen Handlung Fahrläſſigkeit zum Grunde, und iſt dadurch
ein Schaden entſtanden, ſo iſt auf Gefängniß bis zu ſechs Monaten, und
wenn in Folge derſelben ein Menſch das Leben verloren hat, auf Gefängniß
von zwei Monaten bis zu zwei Jahren zu erkennen.
Die in dieſem Paragraphen bezeichneten Handlungen fallen nur
dann unter die aufgeſtellten Strafbeſtimmungen, wenn Gefahr für das
Leben oder die Geſundheit Anderer dadurch herbeigeführt wird; fehlt
dieſer Theil des Thatbeſtandes, ſo kommen, inſoweit ſie überhaupt zu-
treffend ſind, die Vorſchriften über die Vermögensbeſchädigung, nament-
lich die des §. 283. zur Anwendung. Die Fälle, auf welche ſich die
beiden genannten Paragraphen beziehen, ſind aber nicht gleichartig, und
es lag daher keine Veranlaſſung vor, ſie in Beziehung auf die aufge-
zählten Gegenſtände mit einander genau in Einklang zu bringen. f) —
Die Zerſtörung und Beſchädigung von Schleuſen, Dämmen u. ſ. w.
können übrigens auch vorgenommen werden, um eine Ueberſchwemmung
zu verurſachen, und ſind dann nach den über dieſes Verbrechen aufge-
ſtellten Beſtimmungen zu beurtheilen. g)
In dem Staatsrathe wurde das Bedenken geäußert, ob eine der
bezeichneten Handlungen, welche in gewinnſüchtiger Abſicht vorgenommen
worden, indem z. B. Theile eines der in Rede ſtehenden Bauwerke
geſtohlen werden, unter die Strafbeſtimmung des Paragraphen zu be-
faſſen ſei, da es hier doch auf den animus nocendi ankomme, der bei
der Entwendung vielleicht gar nicht vorliege. Allein man erwiederte,
daß eine mit Vorſatz, d. h. mit dem Bewußtſein der Rechtswidrigkeit
f) Ebendaſelbſt zu §. 273. (301.).
g) Verhandlungen des vereinigten ſtändiſchen Ausſchuſſes. IV.
S. 437-40.
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 534. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/544>, abgerufen am 21.12.2024.
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