Th. II. V. d. einzelnen Verbr. etc. Tit. XVII. Verbr. u. Verg. wider d. Freih.
denjenigen zu strafen, welcher einen trunkenen oder von einer rohen Masse verfolgten oder mißhandelten Menschen in dessen eigenem Interesse oder im Interesse der Sitte oder der öffentlichen Ordnung in einen sichernden Gewahrsam brächte. Es ward deshalb beantragt, um et- waige Mißbräuche und ungerechte Bestrafungen zu vermeiden, dem Pa- ragraphen eine theils veränderte Fassung zu geben, besonders aber die Worte "sofort" und "ohne Verzug" im ersten und zweiten Absatz zu streichen.
Die Mehrheit der Kommission trat jedoch diesen Ansichten und Vor- schlägen nicht bei; sie sah in dem Paragraphen keine Ausschließung aller andern Fälle, außer den darin bezeichneten; sie befürchtete nicht, daß die Einsperrung eines hülfsbedürftigen oder gefährlichen Menschen, welche bona mente zur Verhinderung von Aergernissen und Freveln er- folgt, durch die Gerichte zu den vorsätzlichen und widerrechtlichen Ein- sperrungen im Sinne des §. 210. werde gerechnet werden; auch besorgte sie nicht, daß das Erforderniß einer sofort oder ohne Verzug der Po- lizei zu machenden Anzeige in Ermangelung einer genaueren Frist- bestimmung zu einer mißbräuchlichen Deutung führen werde; vielmehr hegte sie die Erwartung, daß die Gerichte auf die jedesmal obwaltenden besonderen Umstände billige Rücksicht nehmen würden. m)
III. Die Vorschriften der §§. 210. und 211. beziehen sich nur auf die durch Privatpersonen vorgenommene widerrechtliche Freiheits- beraubung; liegt ein Amtsverbrechen oder Amtsvergehen vor, so kommen die Bestimmungen des §. 317. zur Anwendung.
§. 212.
Wer einen Anderen zu einer Handlung oder Unterlassung dadurch zwingt, oder zu zwingen versucht, daß er denselben schriftlich oder mündlich mit der Verübung eines Verbrechens oder Vergehens bedroht, hat Gefängniß bis zu Einem Jahre verwirkt.
§. 213.
Wer einen Anderen mit Brand oder Ueberschwemmung bedroht, wird mit Gefängniß von zwei Monaten bis zu Einem Jahre bestraft.
Drohungen, durch welche jemand den freien Willen eines Anderen zu bestimmen, und ihn seinen Absichten dienstbar zu machen sucht, sind in verschiedener Weise Gegenstand strafrechtlicher Vorschriften geworden. Es gehört hierher der Fall, wenn jemand einen Anderen durch Dro-
m)Bericht der Kommission der ersten Kammer zu §. 211.
Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XVII. Verbr. u. Verg. wider d. Freih.
denjenigen zu ſtrafen, welcher einen trunkenen oder von einer rohen Maſſe verfolgten oder mißhandelten Menſchen in deſſen eigenem Intereſſe oder im Intereſſe der Sitte oder der öffentlichen Ordnung in einen ſichernden Gewahrſam brächte. Es ward deshalb beantragt, um et- waige Mißbräuche und ungerechte Beſtrafungen zu vermeiden, dem Pa- ragraphen eine theils veränderte Faſſung zu geben, beſonders aber die Worte „ſofort“ und „ohne Verzug“ im erſten und zweiten Abſatz zu ſtreichen.
Die Mehrheit der Kommiſſion trat jedoch dieſen Anſichten und Vor- ſchlägen nicht bei; ſie ſah in dem Paragraphen keine Ausſchließung aller andern Fälle, außer den darin bezeichneten; ſie befürchtete nicht, daß die Einſperrung eines hülfsbedürftigen oder gefährlichen Menſchen, welche bona mente zur Verhinderung von Aergerniſſen und Freveln er- folgt, durch die Gerichte zu den vorſätzlichen und widerrechtlichen Ein- ſperrungen im Sinne des §. 210. werde gerechnet werden; auch beſorgte ſie nicht, daß das Erforderniß einer ſofort oder ohne Verzug der Po- lizei zu machenden Anzeige in Ermangelung einer genaueren Friſt- beſtimmung zu einer mißbräuchlichen Deutung führen werde; vielmehr hegte ſie die Erwartung, daß die Gerichte auf die jedesmal obwaltenden beſonderen Umſtände billige Rückſicht nehmen würden. m)
III. Die Vorſchriften der §§. 210. und 211. beziehen ſich nur auf die durch Privatperſonen vorgenommene widerrechtliche Freiheits- beraubung; liegt ein Amtsverbrechen oder Amtsvergehen vor, ſo kommen die Beſtimmungen des §. 317. zur Anwendung.
§. 212.
Wer einen Anderen zu einer Handlung oder Unterlaſſung dadurch zwingt, oder zu zwingen verſucht, daß er denſelben ſchriftlich oder mündlich mit der Verübung eines Verbrechens oder Vergehens bedroht, hat Gefängniß bis zu Einem Jahre verwirkt.
§. 213.
Wer einen Anderen mit Brand oder Ueberſchwemmung bedroht, wird mit Gefängniß von zwei Monaten bis zu Einem Jahre beſtraft.
Drohungen, durch welche jemand den freien Willen eines Anderen zu beſtimmen, und ihn ſeinen Abſichten dienſtbar zu machen ſucht, ſind in verſchiedener Weiſe Gegenſtand ſtrafrechtlicher Vorſchriften geworden. Es gehört hierher der Fall, wenn jemand einen Anderen durch Dro-
m)Bericht der Kommiſſion der erſten Kammer zu §. 211.
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Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XVII. Verbr. u. Verg. wider d. Freih.
denjenigen zu ſtrafen, welcher einen trunkenen oder von einer rohen
Maſſe verfolgten oder mißhandelten Menſchen in deſſen eigenem Intereſſe
oder im Intereſſe der Sitte oder der öffentlichen Ordnung in einen
ſichernden Gewahrſam brächte. Es ward deshalb beantragt, um et-
waige Mißbräuche und ungerechte Beſtrafungen zu vermeiden, dem Pa-
ragraphen eine theils veränderte Faſſung zu geben, beſonders aber die
Worte „ſofort“ und „ohne Verzug“ im erſten und zweiten Abſatz
zu ſtreichen.
Die Mehrheit der Kommiſſion trat jedoch dieſen Anſichten und Vor-
ſchlägen nicht bei; ſie ſah in dem Paragraphen keine Ausſchließung
aller andern Fälle, außer den darin bezeichneten; ſie befürchtete nicht,
daß die Einſperrung eines hülfsbedürftigen oder gefährlichen Menſchen,
welche bona mente zur Verhinderung von Aergerniſſen und Freveln er-
folgt, durch die Gerichte zu den vorſätzlichen und widerrechtlichen Ein-
ſperrungen im Sinne des §. 210. werde gerechnet werden; auch beſorgte
ſie nicht, daß das Erforderniß einer ſofort oder ohne Verzug der Po-
lizei zu machenden Anzeige in Ermangelung einer genaueren Friſt-
beſtimmung zu einer mißbräuchlichen Deutung führen werde; vielmehr
hegte ſie die Erwartung, daß die Gerichte auf die jedesmal obwaltenden
beſonderen Umſtände billige Rückſicht nehmen würden. m)
III. Die Vorſchriften der §§. 210. und 211. beziehen ſich nur
auf die durch Privatperſonen vorgenommene widerrechtliche Freiheits-
beraubung; liegt ein Amtsverbrechen oder Amtsvergehen vor, ſo kommen
die Beſtimmungen des §. 317. zur Anwendung.
§. 212.
Wer einen Anderen zu einer Handlung oder Unterlaſſung dadurch zwingt,
oder zu zwingen verſucht, daß er denſelben ſchriftlich oder mündlich mit der
Verübung eines Verbrechens oder Vergehens bedroht, hat Gefängniß bis zu
Einem Jahre verwirkt.
§. 213.
Wer einen Anderen mit Brand oder Ueberſchwemmung bedroht, wird mit
Gefängniß von zwei Monaten bis zu Einem Jahre beſtraft.
Drohungen, durch welche jemand den freien Willen eines Anderen
zu beſtimmen, und ihn ſeinen Abſichten dienſtbar zu machen ſucht, ſind
in verſchiedener Weiſe Gegenſtand ſtrafrechtlicher Vorſchriften geworden.
Es gehört hierher der Fall, wenn jemand einen Anderen durch Dro-
m) Bericht der Kommiſſion der erſten Kammer zu §. 211.
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/410>, abgerufen am 22.02.2025.
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