§§. 150. 151. Oeffentliche Verletzung der Schamhaftigkeit.
§. 150.
Wer durch eine Verletzung der Schamhaftigkeit ein öffentliches Aergerniß giebt, wird mit Gefängniß von drei Monaten bis zu drei Jahren bestraft.
Auch kann zugleich auf zeitige Untersagung der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.
§. 151.
Wer unzüchtige Schriften, Abbildungen oder Darstellungen verkauft, ver- theilt oder sonst verbreitet, oder an Orten, welche dem Publikum zugänglich sind, ausstellt oder anschlägt, wird mit Geldbuße von zehn bis zu Einhundert Thalern oder mit Gefängniß von vierzehn Tagen bis zu sechs Monaten bestraft.
In dem Strafurtheile ist zugleich auf Konfiskation der ausgestellten und der zum Verkauf oder zur Verbreitung vorräthigen Schriften, Abbildungen oder Darstellungen zu erkennen.
Außer den hier bezeichneten Fällen der Verletzung der Schamhaftig- keit hatte der Entwurf von 1847. §. 184. grobe Angriffe auf die Schamhaftigkeit mit Strafe bedroht. Die Bestimmung fehlt in dem Gesetzbuch; der Fall wird entweder unter den §. 150. zu subsumiren oder als eine körperliche Mißhandlung oder eine Verletzung der Ehre aufzufassen zu sein; auch kann er unter Umständen nach §. 340. Nr. 9. als grober Unfug bestraft werden.
A. Bei der Feststellung des in §. 150. vorgesehenen Delikts kommt es namentlich darauf an zu bestimmen, was unter den Worten "ein öffentliches Aergerniß geben" zu verstehen ist. Der Entwurf von 1847. §. 185. hatte dafür den Ausdruck: "Wer sich öffentlich einer "groben" Verletzung der Schamhaftigkeit schuldig macht", der Entwurf von 1850. §. 139. aber nur die Bezeichnung: "Wer öffentlich eine Ver- letzung der Schamhaftigkeit begeht". Dieß schien aber der Kommission der zweiten Kammer doch zu allgemein gehalten, und sie wählte daher die jetzige Fassung des Paragraphen, um das Strafbare in der Handlung nach dem Eindruck, den sie bei anständigen Leuten, die nicht unmittel- bar dabei betheiligt sind, hervorruft, -- genauer zu charakterisiren. Es ist eine ähnliche Handlungsweise hier gemeint, wie die, welche der Code penal (Art. 330.) als outrage public a la pudeur unter Strafe stellt, und die in einem Urtheile des Pariser Kassationshofs treffend als eine solche bezeichnet wird, welche die guten Sitten verletzt und durch ihre Frechheit und Oeffentlichkeit Anlaß zu einem öffentlichen Skandale giebt.
f)
f)Cass. 26. Mars 1813. (Dalloz. 3, 93. Sirey. 13, 256.) -- que les outrages a la pudeur, prevus et punis par l'art. 330., sont ceux qui, n'ayant pas ete accompagnes de violence ou de contrainte, n'ont pu blesser la pudeur de la personne sur laquelle des actes deshonne-
§§. 150. 151. Oeffentliche Verletzung der Schamhaftigkeit.
§. 150.
Wer durch eine Verletzung der Schamhaftigkeit ein öffentliches Aergerniß giebt, wird mit Gefängniß von drei Monaten bis zu drei Jahren beſtraft.
Auch kann zugleich auf zeitige Unterſagung der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.
§. 151.
Wer unzüchtige Schriften, Abbildungen oder Darſtellungen verkauft, ver- theilt oder ſonſt verbreitet, oder an Orten, welche dem Publikum zugänglich ſind, ausſtellt oder anſchlägt, wird mit Geldbuße von zehn bis zu Einhundert Thalern oder mit Gefängniß von vierzehn Tagen bis zu ſechs Monaten beſtraft.
In dem Strafurtheile iſt zugleich auf Konfiskation der ausgeſtellten und der zum Verkauf oder zur Verbreitung vorräthigen Schriften, Abbildungen oder Darſtellungen zu erkennen.
Außer den hier bezeichneten Fällen der Verletzung der Schamhaftig- keit hatte der Entwurf von 1847. §. 184. grobe Angriffe auf die Schamhaftigkeit mit Strafe bedroht. Die Beſtimmung fehlt in dem Geſetzbuch; der Fall wird entweder unter den §. 150. zu ſubſumiren oder als eine körperliche Mißhandlung oder eine Verletzung der Ehre aufzufaſſen zu ſein; auch kann er unter Umſtänden nach §. 340. Nr. 9. als grober Unfug beſtraft werden.
A. Bei der Feſtſtellung des in §. 150. vorgeſehenen Delikts kommt es namentlich darauf an zu beſtimmen, was unter den Worten „ein öffentliches Aergerniß geben“ zu verſtehen iſt. Der Entwurf von 1847. §. 185. hatte dafür den Ausdruck: „Wer ſich öffentlich einer „groben“ Verletzung der Schamhaftigkeit ſchuldig macht“, der Entwurf von 1850. §. 139. aber nur die Bezeichnung: „Wer öffentlich eine Ver- letzung der Schamhaftigkeit begeht“. Dieß ſchien aber der Kommiſſion der zweiten Kammer doch zu allgemein gehalten, und ſie wählte daher die jetzige Faſſung des Paragraphen, um das Strafbare in der Handlung nach dem Eindruck, den ſie bei anſtändigen Leuten, die nicht unmittel- bar dabei betheiligt ſind, hervorruft, — genauer zu charakteriſiren. Es iſt eine ähnliche Handlungsweiſe hier gemeint, wie die, welche der Code pénal (Art. 330.) als outrage public à la pudeur unter Strafe ſtellt, und die in einem Urtheile des Pariſer Kaſſationshofs treffend als eine ſolche bezeichnet wird, welche die guten Sitten verletzt und durch ihre Frechheit und Oeffentlichkeit Anlaß zu einem öffentlichen Skandale giebt.
f)
f)Cass. 26. Mars 1813. (Dalloz. 3, 93. Sirey. 13, 256.) — que les outrages à la pudeur, prévus et punis par l'art. 330., sont ceux qui, n'ayant pas été accompagnés de violence ou de contrainte, n'ont pu blesser la pudeur de la personne sur laquelle des actes déshonnê-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0329"n="319"/><fwplace="top"type="header">§§. 150. 151. Oeffentliche Verletzung der Schamhaftigkeit.</fw><lb/><divn="4"><head>§. 150.</head><lb/><divn="5"><head/><p>Wer durch eine Verletzung der Schamhaftigkeit ein öffentliches Aergerniß<lb/>
giebt, wird mit Gefängniß von drei Monaten bis zu drei Jahren beſtraft.</p><lb/><p>Auch kann zugleich auf zeitige Unterſagung der Ausübung der bürgerlichen<lb/>
Ehrenrechte erkannt werden.</p></div></div><lb/><divn="4"><head>§. 151.</head><lb/><divn="5"><head/><p>Wer unzüchtige Schriften, Abbildungen oder Darſtellungen verkauft, ver-<lb/>
theilt oder ſonſt verbreitet, oder an Orten, welche dem Publikum zugänglich<lb/>ſind, ausſtellt oder anſchlägt, wird mit Geldbuße von zehn bis zu Einhundert<lb/>
Thalern oder mit Gefängniß von vierzehn Tagen bis zu ſechs Monaten<lb/>
beſtraft.</p><lb/><p>In dem Strafurtheile iſt zugleich auf Konfiskation der ausgeſtellten und<lb/>
der zum Verkauf oder zur Verbreitung vorräthigen Schriften, Abbildungen<lb/>
oder Darſtellungen zu erkennen.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="5"><head/><p>Außer den hier bezeichneten Fällen der Verletzung der Schamhaftig-<lb/>
keit hatte der Entwurf von 1847. §. 184. grobe Angriffe auf die<lb/>
Schamhaftigkeit mit Strafe bedroht. Die Beſtimmung fehlt in dem<lb/>
Geſetzbuch; der Fall wird entweder unter den §. 150. zu ſubſumiren<lb/>
oder als eine körperliche Mißhandlung oder eine Verletzung der Ehre<lb/>
aufzufaſſen zu ſein; auch kann er unter Umſtänden nach §. 340. Nr. 9.<lb/>
als grober Unfug beſtraft werden.</p><lb/><p><hirendition="#aq">A.</hi> Bei der Feſtſtellung des in §. 150. vorgeſehenen Delikts<lb/>
kommt es namentlich darauf an zu beſtimmen, was unter den Worten<lb/>„ein öffentliches Aergerniß geben“ zu verſtehen iſt. Der Entwurf von<lb/>
1847. §. 185. hatte dafür den Ausdruck: „Wer ſich öffentlich einer<lb/>„groben“ Verletzung der Schamhaftigkeit ſchuldig macht“, der Entwurf<lb/>
von 1850. §. 139. aber nur die Bezeichnung: „Wer öffentlich eine Ver-<lb/>
letzung der Schamhaftigkeit begeht“. Dieß ſchien aber der Kommiſſion der<lb/>
zweiten Kammer doch zu allgemein gehalten, und ſie wählte daher die<lb/>
jetzige Faſſung des Paragraphen, um das Strafbare in der Handlung<lb/>
nach dem Eindruck, den ſie bei anſtändigen Leuten, die nicht unmittel-<lb/>
bar dabei betheiligt ſind, hervorruft, — genauer zu charakteriſiren. Es<lb/>
iſt eine ähnliche Handlungsweiſe hier gemeint, wie die, welche der <hirendition="#aq">Code<lb/>
pénal</hi> (<hirendition="#aq">Art.</hi> 330.) als <hirendition="#aq">outrage public à la pudeur</hi> unter Strafe ſtellt,<lb/>
und die in einem Urtheile des Pariſer Kaſſationshofs treffend als eine<lb/>ſolche bezeichnet wird, welche die guten Sitten verletzt und durch ihre<lb/>
Frechheit und Oeffentlichkeit Anlaß zu einem öffentlichen Skandale giebt. </p><notexml:id="note-0329"next="#note-0330"place="foot"n="f)"><hirendition="#aq"><hirendition="#g">Cass</hi>. 26. <hirendition="#g">Mars</hi> 1813. (<hirendition="#g">Dalloz</hi>. 3, 93. <hirendition="#g">Sirey</hi>. 13, 256.) —<lb/>
que les outrages à la pudeur, prévus et punis par l'art. 330., sont ceux<lb/>
qui, n'ayant pas été accompagnés de violence ou de contrainte, n'ont<lb/>
pu blesser la pudeur de la personne sur laquelle des actes déshonnê-</hi></note><lb/></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[319/0329]
§§. 150. 151. Oeffentliche Verletzung der Schamhaftigkeit.
§. 150.
Wer durch eine Verletzung der Schamhaftigkeit ein öffentliches Aergerniß
giebt, wird mit Gefängniß von drei Monaten bis zu drei Jahren beſtraft.
Auch kann zugleich auf zeitige Unterſagung der Ausübung der bürgerlichen
Ehrenrechte erkannt werden.
§. 151.
Wer unzüchtige Schriften, Abbildungen oder Darſtellungen verkauft, ver-
theilt oder ſonſt verbreitet, oder an Orten, welche dem Publikum zugänglich
ſind, ausſtellt oder anſchlägt, wird mit Geldbuße von zehn bis zu Einhundert
Thalern oder mit Gefängniß von vierzehn Tagen bis zu ſechs Monaten
beſtraft.
In dem Strafurtheile iſt zugleich auf Konfiskation der ausgeſtellten und
der zum Verkauf oder zur Verbreitung vorräthigen Schriften, Abbildungen
oder Darſtellungen zu erkennen.
Außer den hier bezeichneten Fällen der Verletzung der Schamhaftig-
keit hatte der Entwurf von 1847. §. 184. grobe Angriffe auf die
Schamhaftigkeit mit Strafe bedroht. Die Beſtimmung fehlt in dem
Geſetzbuch; der Fall wird entweder unter den §. 150. zu ſubſumiren
oder als eine körperliche Mißhandlung oder eine Verletzung der Ehre
aufzufaſſen zu ſein; auch kann er unter Umſtänden nach §. 340. Nr. 9.
als grober Unfug beſtraft werden.
A. Bei der Feſtſtellung des in §. 150. vorgeſehenen Delikts
kommt es namentlich darauf an zu beſtimmen, was unter den Worten
„ein öffentliches Aergerniß geben“ zu verſtehen iſt. Der Entwurf von
1847. §. 185. hatte dafür den Ausdruck: „Wer ſich öffentlich einer
„groben“ Verletzung der Schamhaftigkeit ſchuldig macht“, der Entwurf
von 1850. §. 139. aber nur die Bezeichnung: „Wer öffentlich eine Ver-
letzung der Schamhaftigkeit begeht“. Dieß ſchien aber der Kommiſſion der
zweiten Kammer doch zu allgemein gehalten, und ſie wählte daher die
jetzige Faſſung des Paragraphen, um das Strafbare in der Handlung
nach dem Eindruck, den ſie bei anſtändigen Leuten, die nicht unmittel-
bar dabei betheiligt ſind, hervorruft, — genauer zu charakteriſiren. Es
iſt eine ähnliche Handlungsweiſe hier gemeint, wie die, welche der Code
pénal (Art. 330.) als outrage public à la pudeur unter Strafe ſtellt,
und die in einem Urtheile des Pariſer Kaſſationshofs treffend als eine
ſolche bezeichnet wird, welche die guten Sitten verletzt und durch ihre
Frechheit und Oeffentlichkeit Anlaß zu einem öffentlichen Skandale giebt.
f)
f) Cass. 26. Mars 1813. (Dalloz. 3, 93. Sirey. 13, 256.) —
que les outrages à la pudeur, prévus et punis par l'art. 330., sont ceux
qui, n'ayant pas été accompagnés de violence ou de contrainte, n'ont
pu blesser la pudeur de la personne sur laquelle des actes déshonnê-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/329>, abgerufen am 22.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.