Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

Bild:
<< vorherige Seite
§§. 94-96. Befreiung eines Gefangenen.
3) wer in böswilliger Absicht die öffentlichen Zeichen der Königlichen
Autorität wegnimmt, zerstört oder beschädigt.


Die Bestimmungen dieses Paragraphen sind der Verordnung über
die Presse vom 30. Juni 1849. §. 15. entlehnt; nur in der ersten Nr.
sind von der Kommission der zweiten Kammer die Worte: "böswillig
oder gegen das Verbot der Obrigkeit" hinzugefügt worden, um die böse
Absicht des Thäters hervorzuheben, und nicht möglicher Weise ganz
unschuldige Handlungen unter Strafe zu stellen. Auf ein von dem
Abgeordneten Rohden erhobenes Bedenken erklärte der Justizminister
Simons in der zweiten Kammer, daß kirchliche Prozessionen, Wall-
fahrten und Bittgänge, welche in hergebrachter Weise von den mit
Korporationsrechten versehenen Religionsgesellschaften angestellt würden,
nicht unter die Vorschriften dieses Paragraphen fielen. Auch der Be-
richterstatter erklärte, daß die Kommission ganz von derselben Ansicht
geleitet gewesen sei. o)

§. 94.

Wer vorsätzlich einen Gefangenen aus der Gefangenanstalt oder aus der
Gewalt der bewaffneten Macht, oder aus der Gewalt des Beamten, unter
dessen Aufsicht, Begleitung oder Bewachung er sich befindet, befreit oder zu
befreien versucht, wird mit Gefängniß von vierzehn Tagen bis zu drei Jah-
ren bestraft.

§. 95.

Wer vorsätzlich einen Gefangenen, dessen Aufbewahrung, Begleitung oder
Bewachung ihm anvertraut ist, entweichen läßt, oder dessen Befreiung bewirkt
oder befördert, wird mit Gefängniß von vierzehn Tagen bis zu drei Jahren
bestraft.

Ist die Entweichung nur durch Fahrlässigkeit veranlaßt worden, so tritt
Gefängniß bis zu sechs Monaten, oder in Fällen geringerer Verschuldung
Geldbuße bis zu funfzig Thalern ein.

§. 96.

Wenn Gefangene in einer Gefangenanstalt sich zusammenrotten und ent-
weder einen gewaltsamen Ausbruch ausführen oder auszuführen versuchen, oder
gegen die Aufseher sich widersetzen, oder dieselben zu Handlungen oder Unter-
lassungen zwingen oder zu zwingen versuchen, so haben die Theilnehmer an
der Meuterei Gefängniß nicht unter sechs Monaten verwirkt; auch kann gegen
sie auf Stellung unter Polizei-Aufsicht erkannt werden.

Diejenigen Theilnehmer, welche Gewaltthätigkeiten gegen Personen oder

o) Sitzung der zweiten Kammer vom 27. März 1851.
§§. 94-96. Befreiung eines Gefangenen.
3) wer in böswilliger Abſicht die öffentlichen Zeichen der Königlichen
Autorität wegnimmt, zerſtört oder beſchädigt.


Die Beſtimmungen dieſes Paragraphen ſind der Verordnung über
die Preſſe vom 30. Juni 1849. §. 15. entlehnt; nur in der erſten Nr.
ſind von der Kommiſſion der zweiten Kammer die Worte: „böswillig
oder gegen das Verbot der Obrigkeit“ hinzugefügt worden, um die böſe
Abſicht des Thäters hervorzuheben, und nicht möglicher Weiſe ganz
unſchuldige Handlungen unter Strafe zu ſtellen. Auf ein von dem
Abgeordneten Rohden erhobenes Bedenken erklärte der Juſtizminiſter
Simons in der zweiten Kammer, daß kirchliche Prozeſſionen, Wall-
fahrten und Bittgänge, welche in hergebrachter Weiſe von den mit
Korporationsrechten verſehenen Religionsgeſellſchaften angeſtellt würden,
nicht unter die Vorſchriften dieſes Paragraphen fielen. Auch der Be-
richterſtatter erklärte, daß die Kommiſſion ganz von derſelben Anſicht
geleitet geweſen ſei. o)

§. 94.

Wer vorſätzlich einen Gefangenen aus der Gefangenanſtalt oder aus der
Gewalt der bewaffneten Macht, oder aus der Gewalt des Beamten, unter
deſſen Aufſicht, Begleitung oder Bewachung er ſich befindet, befreit oder zu
befreien verſucht, wird mit Gefängniß von vierzehn Tagen bis zu drei Jah-
ren beſtraft.

§. 95.

Wer vorſätzlich einen Gefangenen, deſſen Aufbewahrung, Begleitung oder
Bewachung ihm anvertraut iſt, entweichen läßt, oder deſſen Befreiung bewirkt
oder befördert, wird mit Gefängniß von vierzehn Tagen bis zu drei Jahren
beſtraft.

Iſt die Entweichung nur durch Fahrläſſigkeit veranlaßt worden, ſo tritt
Gefängniß bis zu ſechs Monaten, oder in Fällen geringerer Verſchuldung
Geldbuße bis zu funfzig Thalern ein.

§. 96.

Wenn Gefangene in einer Gefangenanſtalt ſich zuſammenrotten und ent-
weder einen gewaltſamen Ausbruch ausführen oder auszuführen verſuchen, oder
gegen die Aufſeher ſich widerſetzen, oder dieſelben zu Handlungen oder Unter-
laſſungen zwingen oder zu zwingen verſuchen, ſo haben die Theilnehmer an
der Meuterei Gefängniß nicht unter ſechs Monaten verwirkt; auch kann gegen
ſie auf Stellung unter Polizei-Aufſicht erkannt werden.

Diejenigen Theilnehmer, welche Gewaltthätigkeiten gegen Perſonen oder

o) Sitzung der zweiten Kammer vom 27. März 1851.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0273" n="263"/>
              <fw place="top" type="header">§§. 94-96. Befreiung eines Gefangenen.</fw><lb/>
              <list>
                <item>3) wer in böswilliger Ab&#x017F;icht die öffentlichen Zeichen der          Königlichen<lb/>
Autorität wegnimmt, zer&#x017F;tört oder be&#x017F;chädigt.</item>
              </list>
            </div><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
            <div n="4">
              <head/>
              <p>Die Be&#x017F;timmungen die&#x017F;es Paragraphen &#x017F;ind der Verordnung         über<lb/>
die Pre&#x017F;&#x017F;e vom 30. Juni 1849. §. 15. entlehnt; nur in der         er&#x017F;ten Nr.<lb/>
&#x017F;ind von der Kommi&#x017F;&#x017F;ion der         zweiten Kammer die Worte: &#x201E;böswillig<lb/>
oder gegen das Verbot der         Obrigkeit&#x201C; hinzugefügt worden, um die bö&#x017F;e<lb/>
Ab&#x017F;icht des         Thäters hervorzuheben, und nicht möglicher Wei&#x017F;e ganz<lb/>
un&#x017F;chuldige         Handlungen unter Strafe zu &#x017F;tellen. Auf ein von dem<lb/>
Abgeordneten <hi rendition="#g">Rohden</hi> erhobenes Bedenken erklärte der          Ju&#x017F;tizmini&#x017F;ter<lb/><hi rendition="#g">Simons</hi> in der zweiten         Kammer, daß kirchliche Proze&#x017F;&#x017F;ionen, Wall-<lb/>
fahrten und Bittgänge,         welche in hergebrachter Wei&#x017F;e von den mit<lb/>
Korporationsrechten         ver&#x017F;ehenen Religionsge&#x017F;ell&#x017F;chaften ange&#x017F;tellt         würden,<lb/>
nicht unter die Vor&#x017F;chriften die&#x017F;es Paragraphen fielen.         Auch der Be-<lb/>
richter&#x017F;tatter erklärte, daß die         Kommi&#x017F;&#x017F;ion ganz von der&#x017F;elben         An&#x017F;icht<lb/>
geleitet gewe&#x017F;en &#x017F;ei. <note place="foot" n="o)"><hi rendition="#g">Sitzung der zweiten Kammer</hi> vom 27. März 1851.</note>        </p>
            </div>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 94.</head><lb/>
            <div n="4">
              <head/>
              <p>Wer vor&#x017F;ätzlich einen Gefangenen aus der Gefangenan&#x017F;talt oder aus         der<lb/>
Gewalt der bewaffneten Macht, oder aus der Gewalt des Beamten,         unter<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en Auf&#x017F;icht, Begleitung oder Bewachung er         &#x017F;ich befindet, befreit oder zu<lb/>
befreien ver&#x017F;ucht, wird mit         Gefängniß von vierzehn Tagen bis zu drei Jah-<lb/>
ren be&#x017F;traft.</p>
            </div>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 95.</head><lb/>
            <div n="4">
              <head/>
              <p>Wer vor&#x017F;ätzlich einen Gefangenen, de&#x017F;&#x017F;en Aufbewahrung,         Begleitung oder<lb/>
Bewachung ihm anvertraut i&#x017F;t, entweichen läßt, oder         de&#x017F;&#x017F;en Befreiung bewirkt<lb/>
oder befördert, wird mit Gefängniß von         vierzehn Tagen bis zu drei Jahren<lb/>
be&#x017F;traft.</p><lb/>
              <p>I&#x017F;t die Entweichung nur durch Fahrlä&#x017F;&#x017F;igkeit veranlaßt         worden, &#x017F;o tritt<lb/>
Gefängniß bis zu &#x017F;echs Monaten, oder in Fällen         geringerer Ver&#x017F;chuldung<lb/>
Geldbuße bis zu funfzig Thalern ein.</p>
            </div>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 96.</head><lb/>
            <div n="4">
              <head/>
              <p>Wenn Gefangene in einer Gefangenan&#x017F;talt &#x017F;ich         zu&#x017F;ammenrotten und ent-<lb/>
weder einen gewalt&#x017F;amen Ausbruch ausführen         oder auszuführen ver&#x017F;uchen, oder<lb/>
gegen die Auf&#x017F;eher         &#x017F;ich wider&#x017F;etzen, oder die&#x017F;elben zu Handlungen oder         Unter-<lb/>
la&#x017F;&#x017F;ungen zwingen oder zu zwingen ver&#x017F;uchen,         &#x017F;o haben die Theilnehmer an<lb/>
der Meuterei Gefängniß nicht unter         &#x017F;echs Monaten verwirkt; auch kann gegen<lb/>
&#x017F;ie auf Stellung unter         Polizei-Auf&#x017F;icht erkannt werden.</p><lb/>
              <p>Diejenigen Theilnehmer, welche Gewaltthätigkeiten gegen Per&#x017F;onen oder<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[263/0273] §§. 94-96. Befreiung eines Gefangenen. 3) wer in böswilliger Abſicht die öffentlichen Zeichen der Königlichen Autorität wegnimmt, zerſtört oder beſchädigt. Die Beſtimmungen dieſes Paragraphen ſind der Verordnung über die Preſſe vom 30. Juni 1849. §. 15. entlehnt; nur in der erſten Nr. ſind von der Kommiſſion der zweiten Kammer die Worte: „böswillig oder gegen das Verbot der Obrigkeit“ hinzugefügt worden, um die böſe Abſicht des Thäters hervorzuheben, und nicht möglicher Weiſe ganz unſchuldige Handlungen unter Strafe zu ſtellen. Auf ein von dem Abgeordneten Rohden erhobenes Bedenken erklärte der Juſtizminiſter Simons in der zweiten Kammer, daß kirchliche Prozeſſionen, Wall- fahrten und Bittgänge, welche in hergebrachter Weiſe von den mit Korporationsrechten verſehenen Religionsgeſellſchaften angeſtellt würden, nicht unter die Vorſchriften dieſes Paragraphen fielen. Auch der Be- richterſtatter erklärte, daß die Kommiſſion ganz von derſelben Anſicht geleitet geweſen ſei. o) §. 94. Wer vorſätzlich einen Gefangenen aus der Gefangenanſtalt oder aus der Gewalt der bewaffneten Macht, oder aus der Gewalt des Beamten, unter deſſen Aufſicht, Begleitung oder Bewachung er ſich befindet, befreit oder zu befreien verſucht, wird mit Gefängniß von vierzehn Tagen bis zu drei Jah- ren beſtraft. §. 95. Wer vorſätzlich einen Gefangenen, deſſen Aufbewahrung, Begleitung oder Bewachung ihm anvertraut iſt, entweichen läßt, oder deſſen Befreiung bewirkt oder befördert, wird mit Gefängniß von vierzehn Tagen bis zu drei Jahren beſtraft. Iſt die Entweichung nur durch Fahrläſſigkeit veranlaßt worden, ſo tritt Gefängniß bis zu ſechs Monaten, oder in Fällen geringerer Verſchuldung Geldbuße bis zu funfzig Thalern ein. §. 96. Wenn Gefangene in einer Gefangenanſtalt ſich zuſammenrotten und ent- weder einen gewaltſamen Ausbruch ausführen oder auszuführen verſuchen, oder gegen die Aufſeher ſich widerſetzen, oder dieſelben zu Handlungen oder Unter- laſſungen zwingen oder zu zwingen verſuchen, ſo haben die Theilnehmer an der Meuterei Gefängniß nicht unter ſechs Monaten verwirkt; auch kann gegen ſie auf Stellung unter Polizei-Aufſicht erkannt werden. Diejenigen Theilnehmer, welche Gewaltthätigkeiten gegen Perſonen oder o) Sitzung der zweiten Kammer vom 27. März 1851.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/273
Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/273>, abgerufen am 21.11.2024.