Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

Bild:
<< vorherige Seite
§. 50-54. Strafanträge von Privatpersonen.
§. 50.

Ein Verbrechen oder Vergehen, dessen Bestrafung nur auf den Antrag
einer Privatperson erfolgen kann, soll straflos bleiben, wenn die zum Antrage
berechtigte Person den Antrag binnen drei Monaten zu machen unterläßt.
Diese Frist beginnt mit der Zeit, zu welcher der zum Antrage Berechtigte
von dem gegen ihn begangenen Verbrechen oder Vergehen und von der Person
des Thäters Kenntniß erhalten hat.

§. 51.

Wenn bei einem Verbrechen oder Vergehen mehreren Personen das Recht
zusteht, daß nur auf ihren Antrag die Bestrafung erfolgen kann, so wird da-
durch, daß eine derselben die dreimonatliche Frist versäumt, das Recht der
Uebrigen zum Antrage auf Bestrafung nicht ausgeschlossen.

§. 52.

Der Antrag auf Bestrafung kann nicht getheilt werden. Das gerichtliche
Verfahren findet gegen sämmtliche Theilnehmer an dem Verbrechen oder Ver-
gehen statt, auch wenn nur gegen Einen derselben auf Bestrafung angetragen
worden ist.

§. 53.

Nach Eröffnung der gerichtlichen Untersuchung kann der Antrag auf Be-
strafung nicht wieder zurückgenommen werden, so weit nicht in einzelnen Fällen
ausdrücklich ein Anderes bestimmt ist.

§. 54.

Der Verletzte, welcher bereits das sechszehnte Lebensjahr zurückgelegt hat,
ist selbstständig zu dem Antrage auf Bestrafung berechtigt.

So lange jedoch der Verletzte minderjährig ist, hat auch der Vater oder
Vormund desselben, unabhängig von der eigenen Befugniß des Verletzten, das
Recht, auf Bestrafung anzutragen.



Ueber die Bedeutung, welche dem Antrag des Verletzten auf die
Bestrafung des Thäters einzuräumen ist, haben die verschiedenen Ent-
würfe des Strafgesetzbuchs sehr geschwankt; am Weitesten ging in dieser
Hinsicht der revidirte Entwurf von 1845., welcher von dem Ministerium
für die Gesetz-Revision vorgelegt war. Später machte sich, namentlich
vom Standpunkte des Rheinischen Rechts aus, gegen diese Auffassung
ein Widerspruch geltend, der auch allmählig zu einer Beschränkung der
Privatstrafanträge im Gesetzbuch geführt hat; b) doch sind sie für dasselbe
noch immer nicht ohne Bedeutung.

Auch über die rechtlichen Wirkungen dieser Strafanträge haben die
Ansichten während der Revision vielfach geschwankt. Anfangs begnügte

b) Fernere Verhandlungen der Staatsraths-Kommission von
1847. S. 54. -- Verhandlungen des vereinigten ständ. Ausschusses. II.
S. 429-50.
§. 50-54. Strafanträge von Privatperſonen.
§. 50.

Ein Verbrechen oder Vergehen, deſſen Beſtrafung nur auf den Antrag
einer Privatperſon erfolgen kann, ſoll ſtraflos bleiben, wenn die zum Antrage
berechtigte Perſon den Antrag binnen drei Monaten zu machen unterläßt.
Dieſe Friſt beginnt mit der Zeit, zu welcher der zum Antrage Berechtigte
von dem gegen ihn begangenen Verbrechen oder Vergehen und von der Perſon
des Thäters Kenntniß erhalten hat.

§. 51.

Wenn bei einem Verbrechen oder Vergehen mehreren Perſonen das Recht
zuſteht, daß nur auf ihren Antrag die Beſtrafung erfolgen kann, ſo wird da-
durch, daß eine derſelben die dreimonatliche Friſt verſäumt, das Recht der
Uebrigen zum Antrage auf Beſtrafung nicht ausgeſchloſſen.

§. 52.

Der Antrag auf Beſtrafung kann nicht getheilt werden. Das gerichtliche
Verfahren findet gegen ſämmtliche Theilnehmer an dem Verbrechen oder Ver-
gehen ſtatt, auch wenn nur gegen Einen derſelben auf Beſtrafung angetragen
worden iſt.

§. 53.

Nach Eröffnung der gerichtlichen Unterſuchung kann der Antrag auf Be-
ſtrafung nicht wieder zurückgenommen werden, ſo weit nicht in einzelnen Fällen
ausdrücklich ein Anderes beſtimmt iſt.

§. 54.

Der Verletzte, welcher bereits das ſechszehnte Lebensjahr zurückgelegt hat,
iſt ſelbſtſtändig zu dem Antrage auf Beſtrafung berechtigt.

So lange jedoch der Verletzte minderjährig iſt, hat auch der Vater oder
Vormund deſſelben, unabhängig von der eigenen Befugniß des Verletzten, das
Recht, auf Beſtrafung anzutragen.



Ueber die Bedeutung, welche dem Antrag des Verletzten auf die
Beſtrafung des Thäters einzuräumen iſt, haben die verſchiedenen Ent-
würfe des Strafgeſetzbuchs ſehr geſchwankt; am Weiteſten ging in dieſer
Hinſicht der revidirte Entwurf von 1845., welcher von dem Miniſterium
für die Geſetz-Reviſion vorgelegt war. Später machte ſich, namentlich
vom Standpunkte des Rheiniſchen Rechts aus, gegen dieſe Auffaſſung
ein Widerſpruch geltend, der auch allmählig zu einer Beſchränkung der
Privatſtrafanträge im Geſetzbuch geführt hat; b) doch ſind ſie für daſſelbe
noch immer nicht ohne Bedeutung.

Auch über die rechtlichen Wirkungen dieſer Strafanträge haben die
Anſichten während der Reviſion vielfach geſchwankt. Anfangs begnügte

b) Fernere Verhandlungen der Staatsraths-Kommiſſion von
1847. S. 54. — Verhandlungen des vereinigten ſtänd. Ausſchuſſes. II.
S. 429-50.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0213" n="203"/>
          <fw place="top" type="header">§. 50-54. Strafanträge von Privatper&#x017F;onen.</fw><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 50.</head><lb/>
            <div n="4">
              <head/>
              <p>Ein Verbrechen oder Vergehen, de&#x017F;&#x017F;en Be&#x017F;trafung nur auf         den Antrag<lb/>
einer Privatper&#x017F;on erfolgen kann, &#x017F;oll         &#x017F;traflos bleiben, wenn die zum Antrage<lb/>
berechtigte Per&#x017F;on den         Antrag binnen drei Monaten zu machen unterläßt.<lb/>
Die&#x017F;e Fri&#x017F;t         beginnt mit der Zeit, zu welcher der zum Antrage Berechtigte<lb/>
von dem gegen ihn         begangenen Verbrechen oder Vergehen und von der Per&#x017F;on<lb/>
des Thäters Kenntniß         erhalten hat.</p>
            </div>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 51.</head><lb/>
            <div n="4">
              <head/>
              <p>Wenn bei einem Verbrechen oder Vergehen mehreren Per&#x017F;onen das         Recht<lb/>
zu&#x017F;teht, daß nur auf ihren Antrag die Be&#x017F;trafung erfolgen         kann, &#x017F;o wird da-<lb/>
durch, daß eine der&#x017F;elben die dreimonatliche         Fri&#x017F;t ver&#x017F;äumt, das Recht der<lb/>
Uebrigen zum Antrage auf         Be&#x017F;trafung nicht ausge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en.</p>
            </div>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 52.</head><lb/>
            <div n="4">
              <head/>
              <p>Der Antrag auf Be&#x017F;trafung kann nicht getheilt werden. Das         gerichtliche<lb/>
Verfahren findet gegen &#x017F;ämmtliche Theilnehmer an dem Verbrechen         oder Ver-<lb/>
gehen &#x017F;tatt, auch wenn nur gegen Einen der&#x017F;elben auf         Be&#x017F;trafung angetragen<lb/>
worden i&#x017F;t.</p>
            </div>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 53.</head><lb/>
            <div n="4">
              <head/>
              <p>Nach Eröffnung der gerichtlichen Unter&#x017F;uchung kann der Antrag auf         Be-<lb/>
&#x017F;trafung nicht wieder zurückgenommen werden, &#x017F;o weit nicht in         einzelnen Fällen<lb/>
ausdrücklich ein Anderes be&#x017F;timmt i&#x017F;t.</p>
            </div>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 54.</head><lb/>
            <div n="4">
              <head/>
              <p>Der Verletzte, welcher bereits das &#x017F;echszehnte Lebensjahr zurückgelegt         hat,<lb/>
i&#x017F;t &#x017F;elb&#x017F;t&#x017F;tändig zu dem Antrage auf         Be&#x017F;trafung berechtigt.</p><lb/>
              <p>So lange jedoch der Verletzte minderjährig i&#x017F;t, hat auch der Vater         oder<lb/>
Vormund de&#x017F;&#x017F;elben, unabhängig von der eigenen Befugniß des         Verletzten, das<lb/>
Recht, auf Be&#x017F;trafung anzutragen.</p><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
              <p>Ueber die Bedeutung, welche dem Antrag des Verletzten auf die<lb/>
Be&#x017F;trafung         des Thäters einzuräumen i&#x017F;t, haben die ver&#x017F;chiedenen Ent-<lb/>
würfe         des Strafge&#x017F;etzbuchs &#x017F;ehr ge&#x017F;chwankt; am         Weite&#x017F;ten ging in die&#x017F;er<lb/>
Hin&#x017F;icht der revidirte Entwurf         von 1845., welcher von dem Mini&#x017F;terium<lb/>
für die         Ge&#x017F;etz-Revi&#x017F;ion vorgelegt war. Später machte &#x017F;ich,         namentlich<lb/>
vom Standpunkte des Rheini&#x017F;chen Rechts aus, gegen die&#x017F;e         Auffa&#x017F;&#x017F;ung<lb/>
ein Wider&#x017F;pruch geltend, der auch allmählig         zu einer Be&#x017F;chränkung der<lb/>
Privat&#x017F;trafanträge im         Ge&#x017F;etzbuch geführt hat; <note place="foot" n="b)"><hi rendition="#g">Fernere           Verhandlungen der Staatsraths-Kommi&#x017F;&#x017F;ion von</hi><lb/>
1847. S. 54.          &#x2014; <hi rendition="#g">Verhandlungen des vereinigten &#x017F;tänd.           Aus&#x017F;chu&#x017F;&#x017F;es</hi>. II.<lb/>
S. 429-50.</note> doch         &#x017F;ind &#x017F;ie für da&#x017F;&#x017F;elbe<lb/>
noch immer nicht ohne         Bedeutung.</p><lb/>
              <p>Auch über die rechtlichen Wirkungen die&#x017F;er Strafanträge haben         die<lb/>
An&#x017F;ichten während der Revi&#x017F;ion vielfach ge&#x017F;chwankt.         Anfangs begnügte<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[203/0213] §. 50-54. Strafanträge von Privatperſonen. §. 50. Ein Verbrechen oder Vergehen, deſſen Beſtrafung nur auf den Antrag einer Privatperſon erfolgen kann, ſoll ſtraflos bleiben, wenn die zum Antrage berechtigte Perſon den Antrag binnen drei Monaten zu machen unterläßt. Dieſe Friſt beginnt mit der Zeit, zu welcher der zum Antrage Berechtigte von dem gegen ihn begangenen Verbrechen oder Vergehen und von der Perſon des Thäters Kenntniß erhalten hat. §. 51. Wenn bei einem Verbrechen oder Vergehen mehreren Perſonen das Recht zuſteht, daß nur auf ihren Antrag die Beſtrafung erfolgen kann, ſo wird da- durch, daß eine derſelben die dreimonatliche Friſt verſäumt, das Recht der Uebrigen zum Antrage auf Beſtrafung nicht ausgeſchloſſen. §. 52. Der Antrag auf Beſtrafung kann nicht getheilt werden. Das gerichtliche Verfahren findet gegen ſämmtliche Theilnehmer an dem Verbrechen oder Ver- gehen ſtatt, auch wenn nur gegen Einen derſelben auf Beſtrafung angetragen worden iſt. §. 53. Nach Eröffnung der gerichtlichen Unterſuchung kann der Antrag auf Be- ſtrafung nicht wieder zurückgenommen werden, ſo weit nicht in einzelnen Fällen ausdrücklich ein Anderes beſtimmt iſt. §. 54. Der Verletzte, welcher bereits das ſechszehnte Lebensjahr zurückgelegt hat, iſt ſelbſtſtändig zu dem Antrage auf Beſtrafung berechtigt. So lange jedoch der Verletzte minderjährig iſt, hat auch der Vater oder Vormund deſſelben, unabhängig von der eigenen Befugniß des Verletzten, das Recht, auf Beſtrafung anzutragen. Ueber die Bedeutung, welche dem Antrag des Verletzten auf die Beſtrafung des Thäters einzuräumen iſt, haben die verſchiedenen Ent- würfe des Strafgeſetzbuchs ſehr geſchwankt; am Weiteſten ging in dieſer Hinſicht der revidirte Entwurf von 1845., welcher von dem Miniſterium für die Geſetz-Reviſion vorgelegt war. Später machte ſich, namentlich vom Standpunkte des Rheiniſchen Rechts aus, gegen dieſe Auffaſſung ein Widerſpruch geltend, der auch allmählig zu einer Beſchränkung der Privatſtrafanträge im Geſetzbuch geführt hat; b) doch ſind ſie für daſſelbe noch immer nicht ohne Bedeutung. Auch über die rechtlichen Wirkungen dieſer Strafanträge haben die Anſichten während der Reviſion vielfach geſchwankt. Anfangs begnügte b) Fernere Verhandlungen der Staatsraths-Kommiſſion von 1847. S. 54. — Verhandlungen des vereinigten ſtänd. Ausſchuſſes. II. S. 429-50.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/213
Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/213>, abgerufen am 21.11.2024.