Ein Verbrechen oder Vergehen, dessen Bestrafung nur auf den Antrag einer Privatperson erfolgen kann, soll straflos bleiben, wenn die zum Antrage berechtigte Person den Antrag binnen drei Monaten zu machen unterläßt. Diese Frist beginnt mit der Zeit, zu welcher der zum Antrage Berechtigte von dem gegen ihn begangenen Verbrechen oder Vergehen und von der Person des Thäters Kenntniß erhalten hat.
§. 51.
Wenn bei einem Verbrechen oder Vergehen mehreren Personen das Recht zusteht, daß nur auf ihren Antrag die Bestrafung erfolgen kann, so wird da- durch, daß eine derselben die dreimonatliche Frist versäumt, das Recht der Uebrigen zum Antrage auf Bestrafung nicht ausgeschlossen.
§. 52.
Der Antrag auf Bestrafung kann nicht getheilt werden. Das gerichtliche Verfahren findet gegen sämmtliche Theilnehmer an dem Verbrechen oder Ver- gehen statt, auch wenn nur gegen Einen derselben auf Bestrafung angetragen worden ist.
§. 53.
Nach Eröffnung der gerichtlichen Untersuchung kann der Antrag auf Be- strafung nicht wieder zurückgenommen werden, so weit nicht in einzelnen Fällen ausdrücklich ein Anderes bestimmt ist.
§. 54.
Der Verletzte, welcher bereits das sechszehnte Lebensjahr zurückgelegt hat, ist selbstständig zu dem Antrage auf Bestrafung berechtigt.
So lange jedoch der Verletzte minderjährig ist, hat auch der Vater oder Vormund desselben, unabhängig von der eigenen Befugniß des Verletzten, das Recht, auf Bestrafung anzutragen.
Ueber die Bedeutung, welche dem Antrag des Verletzten auf die Bestrafung des Thäters einzuräumen ist, haben die verschiedenen Ent- würfe des Strafgesetzbuchs sehr geschwankt; am Weitesten ging in dieser Hinsicht der revidirte Entwurf von 1845., welcher von dem Ministerium für die Gesetz-Revision vorgelegt war. Später machte sich, namentlich vom Standpunkte des Rheinischen Rechts aus, gegen diese Auffassung ein Widerspruch geltend, der auch allmählig zu einer Beschränkung der Privatstrafanträge im Gesetzbuch geführt hat; b) doch sind sie für dasselbe noch immer nicht ohne Bedeutung.
Auch über die rechtlichen Wirkungen dieser Strafanträge haben die Ansichten während der Revision vielfach geschwankt. Anfangs begnügte
b)Fernere Verhandlungen der Staatsraths-Kommission von 1847. S. 54. -- Verhandlungen des vereinigten ständ. Ausschusses. II. S. 429-50.
§. 50-54. Strafanträge von Privatperſonen.
§. 50.
Ein Verbrechen oder Vergehen, deſſen Beſtrafung nur auf den Antrag einer Privatperſon erfolgen kann, ſoll ſtraflos bleiben, wenn die zum Antrage berechtigte Perſon den Antrag binnen drei Monaten zu machen unterläßt. Dieſe Friſt beginnt mit der Zeit, zu welcher der zum Antrage Berechtigte von dem gegen ihn begangenen Verbrechen oder Vergehen und von der Perſon des Thäters Kenntniß erhalten hat.
§. 51.
Wenn bei einem Verbrechen oder Vergehen mehreren Perſonen das Recht zuſteht, daß nur auf ihren Antrag die Beſtrafung erfolgen kann, ſo wird da- durch, daß eine derſelben die dreimonatliche Friſt verſäumt, das Recht der Uebrigen zum Antrage auf Beſtrafung nicht ausgeſchloſſen.
§. 52.
Der Antrag auf Beſtrafung kann nicht getheilt werden. Das gerichtliche Verfahren findet gegen ſämmtliche Theilnehmer an dem Verbrechen oder Ver- gehen ſtatt, auch wenn nur gegen Einen derſelben auf Beſtrafung angetragen worden iſt.
§. 53.
Nach Eröffnung der gerichtlichen Unterſuchung kann der Antrag auf Be- ſtrafung nicht wieder zurückgenommen werden, ſo weit nicht in einzelnen Fällen ausdrücklich ein Anderes beſtimmt iſt.
§. 54.
Der Verletzte, welcher bereits das ſechszehnte Lebensjahr zurückgelegt hat, iſt ſelbſtſtändig zu dem Antrage auf Beſtrafung berechtigt.
So lange jedoch der Verletzte minderjährig iſt, hat auch der Vater oder Vormund deſſelben, unabhängig von der eigenen Befugniß des Verletzten, das Recht, auf Beſtrafung anzutragen.
Ueber die Bedeutung, welche dem Antrag des Verletzten auf die Beſtrafung des Thäters einzuräumen iſt, haben die verſchiedenen Ent- würfe des Strafgeſetzbuchs ſehr geſchwankt; am Weiteſten ging in dieſer Hinſicht der revidirte Entwurf von 1845., welcher von dem Miniſterium für die Geſetz-Reviſion vorgelegt war. Später machte ſich, namentlich vom Standpunkte des Rheiniſchen Rechts aus, gegen dieſe Auffaſſung ein Widerſpruch geltend, der auch allmählig zu einer Beſchränkung der Privatſtrafanträge im Geſetzbuch geführt hat; b) doch ſind ſie für daſſelbe noch immer nicht ohne Bedeutung.
Auch über die rechtlichen Wirkungen dieſer Strafanträge haben die Anſichten während der Reviſion vielfach geſchwankt. Anfangs begnügte
b)Fernere Verhandlungen der Staatsraths-Kommiſſion von 1847. S. 54. — Verhandlungen des vereinigten ſtänd. Ausſchuſſes. II. S. 429-50.
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§. 50-54. Strafanträge von Privatperſonen.
§. 50.
Ein Verbrechen oder Vergehen, deſſen Beſtrafung nur auf den Antrag
einer Privatperſon erfolgen kann, ſoll ſtraflos bleiben, wenn die zum Antrage
berechtigte Perſon den Antrag binnen drei Monaten zu machen unterläßt.
Dieſe Friſt beginnt mit der Zeit, zu welcher der zum Antrage Berechtigte
von dem gegen ihn begangenen Verbrechen oder Vergehen und von der Perſon
des Thäters Kenntniß erhalten hat.
§. 51.
Wenn bei einem Verbrechen oder Vergehen mehreren Perſonen das Recht
zuſteht, daß nur auf ihren Antrag die Beſtrafung erfolgen kann, ſo wird da-
durch, daß eine derſelben die dreimonatliche Friſt verſäumt, das Recht der
Uebrigen zum Antrage auf Beſtrafung nicht ausgeſchloſſen.
§. 52.
Der Antrag auf Beſtrafung kann nicht getheilt werden. Das gerichtliche
Verfahren findet gegen ſämmtliche Theilnehmer an dem Verbrechen oder Ver-
gehen ſtatt, auch wenn nur gegen Einen derſelben auf Beſtrafung angetragen
worden iſt.
§. 53.
Nach Eröffnung der gerichtlichen Unterſuchung kann der Antrag auf Be-
ſtrafung nicht wieder zurückgenommen werden, ſo weit nicht in einzelnen Fällen
ausdrücklich ein Anderes beſtimmt iſt.
§. 54.
Der Verletzte, welcher bereits das ſechszehnte Lebensjahr zurückgelegt hat,
iſt ſelbſtſtändig zu dem Antrage auf Beſtrafung berechtigt.
So lange jedoch der Verletzte minderjährig iſt, hat auch der Vater oder
Vormund deſſelben, unabhängig von der eigenen Befugniß des Verletzten, das
Recht, auf Beſtrafung anzutragen.
Ueber die Bedeutung, welche dem Antrag des Verletzten auf die
Beſtrafung des Thäters einzuräumen iſt, haben die verſchiedenen Ent-
würfe des Strafgeſetzbuchs ſehr geſchwankt; am Weiteſten ging in dieſer
Hinſicht der revidirte Entwurf von 1845., welcher von dem Miniſterium
für die Geſetz-Reviſion vorgelegt war. Später machte ſich, namentlich
vom Standpunkte des Rheiniſchen Rechts aus, gegen dieſe Auffaſſung
ein Widerſpruch geltend, der auch allmählig zu einer Beſchränkung der
Privatſtrafanträge im Geſetzbuch geführt hat; b) doch ſind ſie für daſſelbe
noch immer nicht ohne Bedeutung.
Auch über die rechtlichen Wirkungen dieſer Strafanträge haben die
Anſichten während der Reviſion vielfach geſchwankt. Anfangs begnügte
b) Fernere Verhandlungen der Staatsraths-Kommiſſion von
1847. S. 54. — Verhandlungen des vereinigten ſtänd. Ausſchuſſes. II.
S. 429-50.
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/213>, abgerufen am 22.02.2025.
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