Th. I. Bestraf. d. Verbr. u. Vergehen im Allg. Tit. III. V. d. Theilnahme.
buch noch verlangt, erscheint im Allgemeinen nicht begründet. Die Fest- stellung des Begriffs für den einzelnen Fall wird aber freilich oft schwierig sein. Denn so lange die Möglichkeit übrig bleibt, daß das Verbrechen auch ohne die von dem Angeschuldigten geleistete Beihülfe hätte verübt werden können, sei es, weil sie überhaupt nicht nöthig war oder auch durch eine andere Person hätte geleistet werden können, -- so lange wird keine wesentliche Beihülfe anzunehmen sein.
§. 35.
Auf den Theilnehmer an einem Verbrechen oder Vergehen oder an einem strafbaren Versuche eines Verbrechens oder Vergehens ist dasselbe Strafgesetz anzuwenden, welches auf den Thäter Anwendung findet. Wird festgestellt, daß im Falle des §. 34. Nr. 2. die Theilnahme keine wesentliche war, so tritt statt der Todesstrafe oder lebenslänglichen Zuchthausstrafe zeitige Zuchthaus- strafe und, wenn außerdem festgestellt wird, daß mildernde Umstände vorhanden sind, Gefängniß von zwei bis zu zehn Jahren ein.
In dem Entwurf von 1850. war dieser Paragraph so gefaßt:
"Der Theilnehmer an einem Verbrechen oder Vergehen oder an einem strafbaren Versuche eines Verbrechens oder Vergehens wird mit derselben gesetzlichen Strafe, wie der Thäter bestraft."
Die Motive rechtfertigen diese, dem Code penal (art. 59.) entlehnte Bestimmung in folgender Weise. Nachdem bemerkt ist, daß die herge- brachten Unterscheidungen unter den verschiedenen Arten der Beihülfe im §. 34. keine Berücksichtigung gefunden haben, heißt es weiter:
"Ein Bedürfniß zu einer solchen in der praktischen Ausführung nur gefährlichen Distinktion ist auch nicht durch die Nothwendigkeit einer derartigen Unterscheidung bei der Bestrafung der Theilnahme begründet. Denn wer einen Andern zur Begehung eines Verbrechens oder Ver- gehens anstiftet, wer ihm zu dessen Ausführung Anleitung giebt, wer ihm hiebei wissentlich Hülfe leistet, der hat eben so, wie der Thäter selbst, das Verbrechen gewollt, den rechtswidrigen Erfolg bezweckt, er steht dem Thäter gleich und muß, wie dieser, alle Folgen der Handlung vertreten. Hieraus folgt von selbst, daß der Theilnehmer an einem Verbrechen oder Vergehen oder an einem strafbaren Versuche eines Ver- brechens oder Vergehens ebenso zu bestrafen ist, wie der Thäter selbst. Damit ist aber nicht eine Gleichheit der Art gemeint, daß in dem kon- kreten Fall jeden Gehülfen das nämliche Strafmaaß treffen müsse, wie den Thäter, vielmehr hat auch hier der Richter die Strafe für jeden Betheiligten nach dem Grade seiner Schuld abzumessen und es ist ihm
Th. I. Beſtraf. d. Verbr. u. Vergehen im Allg. Tit. III. V. d. Theilnahme.
buch noch verlangt, erſcheint im Allgemeinen nicht begründet. Die Feſt- ſtellung des Begriffs für den einzelnen Fall wird aber freilich oft ſchwierig ſein. Denn ſo lange die Möglichkeit übrig bleibt, daß das Verbrechen auch ohne die von dem Angeſchuldigten geleiſtete Beihülfe hätte verübt werden können, ſei es, weil ſie überhaupt nicht nöthig war oder auch durch eine andere Perſon hätte geleiſtet werden können, — ſo lange wird keine weſentliche Beihülfe anzunehmen ſein.
§. 35.
Auf den Theilnehmer an einem Verbrechen oder Vergehen oder an einem ſtrafbaren Verſuche eines Verbrechens oder Vergehens iſt daſſelbe Strafgeſetz anzuwenden, welches auf den Thäter Anwendung findet. Wird feſtgeſtellt, daß im Falle des §. 34. Nr. 2. die Theilnahme keine weſentliche war, ſo tritt ſtatt der Todesſtrafe oder lebenslänglichen Zuchthausſtrafe zeitige Zuchthaus- ſtrafe und, wenn außerdem feſtgeſtellt wird, daß mildernde Umſtände vorhanden ſind, Gefängniß von zwei bis zu zehn Jahren ein.
In dem Entwurf von 1850. war dieſer Paragraph ſo gefaßt:
„Der Theilnehmer an einem Verbrechen oder Vergehen oder an einem ſtrafbaren Verſuche eines Verbrechens oder Vergehens wird mit derſelben geſetzlichen Strafe, wie der Thäter beſtraft.“
Die Motive rechtfertigen dieſe, dem Code pénal (art. 59.) entlehnte Beſtimmung in folgender Weiſe. Nachdem bemerkt iſt, daß die herge- brachten Unterſcheidungen unter den verſchiedenen Arten der Beihülfe im §. 34. keine Berückſichtigung gefunden haben, heißt es weiter:
„Ein Bedürfniß zu einer ſolchen in der praktiſchen Ausführung nur gefährlichen Diſtinktion iſt auch nicht durch die Nothwendigkeit einer derartigen Unterſcheidung bei der Beſtrafung der Theilnahme begründet. Denn wer einen Andern zur Begehung eines Verbrechens oder Ver- gehens anſtiftet, wer ihm zu deſſen Ausführung Anleitung giebt, wer ihm hiebei wiſſentlich Hülfe leiſtet, der hat eben ſo, wie der Thäter ſelbſt, das Verbrechen gewollt, den rechtswidrigen Erfolg bezweckt, er ſteht dem Thäter gleich und muß, wie dieſer, alle Folgen der Handlung vertreten. Hieraus folgt von ſelbſt, daß der Theilnehmer an einem Verbrechen oder Vergehen oder an einem ſtrafbaren Verſuche eines Ver- brechens oder Vergehens ebenſo zu beſtrafen iſt, wie der Thäter ſelbſt. Damit iſt aber nicht eine Gleichheit der Art gemeint, daß in dem kon- kreten Fall jeden Gehülfen das nämliche Strafmaaß treffen müſſe, wie den Thäter, vielmehr hat auch hier der Richter die Strafe für jeden Betheiligten nach dem Grade ſeiner Schuld abzumeſſen und es iſt ihm
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Th. I. Beſtraf. d. Verbr. u. Vergehen im Allg. Tit. III. V. d. Theilnahme.
buch noch verlangt, erſcheint im Allgemeinen nicht begründet. Die Feſt-
ſtellung des Begriffs für den einzelnen Fall wird aber freilich oft
ſchwierig ſein. Denn ſo lange die Möglichkeit übrig bleibt, daß das
Verbrechen auch ohne die von dem Angeſchuldigten geleiſtete Beihülfe
hätte verübt werden können, ſei es, weil ſie überhaupt nicht nöthig
war oder auch durch eine andere Perſon hätte geleiſtet werden können, —
ſo lange wird keine weſentliche Beihülfe anzunehmen ſein.
§. 35.
Auf den Theilnehmer an einem Verbrechen oder Vergehen oder an einem
ſtrafbaren Verſuche eines Verbrechens oder Vergehens iſt daſſelbe Strafgeſetz
anzuwenden, welches auf den Thäter Anwendung findet. Wird feſtgeſtellt, daß
im Falle des §. 34. Nr. 2. die Theilnahme keine weſentliche war, ſo tritt
ſtatt der Todesſtrafe oder lebenslänglichen Zuchthausſtrafe zeitige Zuchthaus-
ſtrafe und, wenn außerdem feſtgeſtellt wird, daß mildernde Umſtände vorhanden
ſind, Gefängniß von zwei bis zu zehn Jahren ein.
In dem Entwurf von 1850. war dieſer Paragraph ſo gefaßt:
„Der Theilnehmer an einem Verbrechen oder Vergehen oder an
einem ſtrafbaren Verſuche eines Verbrechens oder Vergehens wird mit
derſelben geſetzlichen Strafe, wie der Thäter beſtraft.“
Die Motive rechtfertigen dieſe, dem Code pénal (art. 59.) entlehnte
Beſtimmung in folgender Weiſe. Nachdem bemerkt iſt, daß die herge-
brachten Unterſcheidungen unter den verſchiedenen Arten der Beihülfe
im §. 34. keine Berückſichtigung gefunden haben, heißt es weiter:
„Ein Bedürfniß zu einer ſolchen in der praktiſchen Ausführung
nur gefährlichen Diſtinktion iſt auch nicht durch die Nothwendigkeit einer
derartigen Unterſcheidung bei der Beſtrafung der Theilnahme begründet.
Denn wer einen Andern zur Begehung eines Verbrechens oder Ver-
gehens anſtiftet, wer ihm zu deſſen Ausführung Anleitung giebt, wer
ihm hiebei wiſſentlich Hülfe leiſtet, der hat eben ſo, wie der Thäter
ſelbſt, das Verbrechen gewollt, den rechtswidrigen Erfolg bezweckt, er
ſteht dem Thäter gleich und muß, wie dieſer, alle Folgen der Handlung
vertreten. Hieraus folgt von ſelbſt, daß der Theilnehmer an einem
Verbrechen oder Vergehen oder an einem ſtrafbaren Verſuche eines Ver-
brechens oder Vergehens ebenſo zu beſtrafen iſt, wie der Thäter ſelbſt.
Damit iſt aber nicht eine Gleichheit der Art gemeint, daß in dem kon-
kreten Fall jeden Gehülfen das nämliche Strafmaaß treffen müſſe, wie
den Thäter, vielmehr hat auch hier der Richter die Strafe für jeden
Betheiligten nach dem Grade ſeiner Schuld abzumeſſen und es iſt ihm
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/170>, abgerufen am 21.11.2024.
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