wenn er sie nicht verfolget hätte, als da er nach seinem irrenden Gewissen thut, und sie verfolget. Das irrende Gewissen obligiret einen Menschen zu zweyen Dingen. Erst muß man sich alle Mühe geben zur Erkänntniß der Wahrheit zu gelangen; und wenn man da alles gethan, was man thun sollen, so ist man hernach zum andern verbunden, nach seinem Erkänntniß und nach seinem Gewissen zu wandeln, und zu thun. Es kan einem wohl nach der Zeit, wenn man zur Erkänntniß der Wahrheit kommt, leid seyn, daß man geirret, so daß man sich darüber recht be- trübt, und mit Paulo sagen muß: Jch habs aus Unwissenheit gethan; aber die Sünden, die das Hertze und Gewissen nagen, sind hauptsäch- lich diejenigen, die man aus Trägheit im Kampff wider die Sünde, oder wohl gar wider besser Wissen und Gewissen aus fleischlicher Hoffnung auf GOttes Gnade begehet und voll- bringet; oder die man zur Stunde der Anfech- tung aus irrendem Gemüthe vor wissentliche, und freventliche Sünden ansiehet, da es doch nur Schwachheits-Sünden sind.
Anno 1736. §. 155.
GOTT hätte aber meine abergläubische Furcht nicht besser können bey mir selbst prosti-
tuiren
ſo lange ſie gewaͤhret;
wenn er ſie nicht verfolget haͤtte, als da er nach ſeinem irrenden Gewiſſen thut, und ſie verfolget. Das irrende Gewiſſen obligiret einen Menſchen zu zweyen Dingen. Erſt muß man ſich alle Muͤhe geben zur Erkaͤnntniß der Wahrheit zu gelangen; und wenn man da alles gethan, was man thun ſollen, ſo iſt man hernach zum andern verbunden, nach ſeinem Erkaͤnntniß und nach ſeinem Gewiſſen zu wandeln, und zu thun. Es kan einem wohl nach der Zeit, wenn man zur Erkaͤnntniß der Wahrheit kommt, leid ſeyn, daß man geirret, ſo daß man ſich daruͤber recht be- truͤbt, und mit Paulo ſagen muß: Jch habs aus Unwiſſenheit gethan; aber die Suͤnden, die das Hertze und Gewiſſen nagen, ſind hauptſaͤch- lich diejenigen, die man aus Traͤgheit im Kampff wider die Suͤnde, oder wohl gar wider beſſer Wiſſen und Gewiſſen aus fleiſchlicher Hoffnung auf GOttes Gnade begehet und voll- bringet; oder die man zur Stunde der Anfech- tung aus irrendem Gemuͤthe vor wiſſentliche, und freventliche Suͤnden anſiehet, da es doch nur Schwachheits-Suͤnden ſind.
Anno 1736. §. 155.
GOTT haͤtte aber meine aberglaͤubiſche Furcht nicht beſſer koͤnnen bey mir ſelbſt proſti-
tuiren
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ſo lange ſie gewaͤhret;
wenn er ſie nicht verfolget haͤtte, als da er nach
ſeinem irrenden Gewiſſen thut, und ſie verfolget.
Das irrende Gewiſſen obligiret einen Menſchen
zu zweyen Dingen. Erſt muß man ſich alle
Muͤhe geben zur Erkaͤnntniß der Wahrheit zu
gelangen; und wenn man da alles gethan, was
man thun ſollen, ſo iſt man hernach zum andern
verbunden, nach ſeinem Erkaͤnntniß und nach
ſeinem Gewiſſen zu wandeln, und zu thun. Es
kan einem wohl nach der Zeit, wenn man zur
Erkaͤnntniß der Wahrheit kommt, leid ſeyn, daß
man geirret, ſo daß man ſich daruͤber recht be-
truͤbt, und mit Paulo ſagen muß: Jch habs
aus Unwiſſenheit gethan; aber die Suͤnden, die
das Hertze und Gewiſſen nagen, ſind hauptſaͤch-
lich diejenigen, die man aus Traͤgheit im
Kampff wider die Suͤnde, oder wohl gar wider
beſſer Wiſſen und Gewiſſen aus fleiſchlicher
Hoffnung auf GOttes Gnade begehet und voll-
bringet; oder die man zur Stunde der Anfech-
tung aus irrendem Gemuͤthe vor wiſſentliche, und
freventliche Suͤnden anſiehet, da es doch nur
Schwachheits-Suͤnden ſind.
Anno 1736.
§. 155.
GOTT haͤtte aber meine aberglaͤubiſche
Furcht nicht beſſer koͤnnen bey mir ſelbſt proſti-
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 716. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/762>, abgerufen am 30.12.2024.
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