Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Autor wird invitiret,
Anno 1706.
§. 85.

Mir gieng diese Fatalität und Unruhe der
Stadt sehr zu Hertzen; ja ich war auch we-
gen meines eigenen Unglücks, so damit ver-
knüpfft, nicht wenig bekümmert. Jch saß in
erwünschter Ruhe, und kam solche Unruhe.
Jch verdiente mit Collegiis schön Geld, und
durffte vor nichts sorgen: wovon solte ich nun
leben, und wo solte ich mich hinwenden? Die
Studiosi waren mir bis 90. Thaler vor Collegia
schuldig, die meisten aber davon hatten die
Flucht ergriffen, und die, so noch zugegen, hat-
ten kein Geld mich zu bezahlen. An Breß-
lau durffte ich nicht gedencken; denn ich fürch-
tete den Zorn und Haß des Herrn Inspectors,
und den Verdacht, in welchen ich wegen vor
besagten Briefes bey ihm gerathen. Auf
meine Noth-Pfennige, so ich zurücke geleget,
war auch schlecht Vertrauen zu setzen; denn
sie konten nicht ewig währen. Bücher hatte
ich etliche Schlag-Fässer voll, aber niemand
wolte sie kauffen, zu einer Zeit, da auch in der
Auction die Bücher spottwohlfeil weggiengen.
Da ich in solcher Noth nicht wuste, was ich
resolviren solte; siehe, so kam ein Brief aus
Breßlau an, in welchem ich invitiret wurde,

eine
Der Autor wird invitiret,
Anno 1706.
§. 85.

Mir gieng dieſe Fatalitaͤt und Unruhe der
Stadt ſehr zu Hertzen; ja ich war auch we-
gen meines eigenen Ungluͤcks, ſo damit ver-
knuͤpfft, nicht wenig bekuͤmmert. Jch ſaß in
erwuͤnſchter Ruhe, und kam ſolche Unruhe.
Jch verdiente mit Collegiis ſchoͤn Geld, und
durffte vor nichts ſorgen: wovon ſolte ich nun
leben, und wo ſolte ich mich hinwenden? Die
Studioſi waren mir bis 90. Thaler vor Collegia
ſchuldig, die meiſten aber davon hatten die
Flucht ergriffen, und die, ſo noch zugegen, hat-
ten kein Geld mich zu bezahlen. An Breß-
lau durffte ich nicht gedencken; denn ich fuͤrch-
tete den Zorn und Haß des Herrn Inſpectors,
und den Verdacht, in welchen ich wegen vor
beſagten Briefes bey ihm gerathen. Auf
meine Noth-Pfennige, ſo ich zuruͤcke geleget,
war auch ſchlecht Vertrauen zu ſetzen; denn
ſie konten nicht ewig waͤhren. Buͤcher hatte
ich etliche Schlag-Faͤſſer voll, aber niemand
wolte ſie kauffen, zu einer Zeit, da auch in der
Auction die Buͤcher ſpottwohlfeil weggiengen.
Da ich in ſolcher Noth nicht wuſte, was ich
reſolviren ſolte; ſiehe, ſo kam ein Brief aus
Breßlau an, in welchem ich invitiret wurde,

eine
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0450" n="404"/>
      <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der <hi rendition="#aq">Autor</hi> wird <hi rendition="#aq">inviti</hi>ret,</hi> </fw><lb/>
      <div n="1">
        <head><hi rendition="#aq"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Anno 1706.</hi></hi></hi><lb/>
§. 85.</head><lb/>
        <p>Mir gieng die&#x017F;e <hi rendition="#aq">Fatalit</hi>a&#x0364;t und Unruhe der<lb/>
Stadt &#x017F;ehr zu Hertzen; ja ich war auch we-<lb/>
gen meines eigenen Unglu&#x0364;cks, &#x017F;o damit ver-<lb/>
knu&#x0364;pfft, nicht wenig beku&#x0364;mmert. Jch &#x017F;aß in<lb/>
erwu&#x0364;n&#x017F;chter Ruhe, und kam &#x017F;olche Unruhe.<lb/>
Jch verdiente mit <hi rendition="#aq">Collegiis</hi> &#x017F;cho&#x0364;n Geld, und<lb/>
durffte vor nichts &#x017F;orgen: wovon &#x017F;olte ich nun<lb/>
leben, und wo &#x017F;olte ich mich hinwenden? Die<lb/><hi rendition="#aq">Studio&#x017F;i</hi> waren mir bis 90. Thaler vor <hi rendition="#aq">Collegia</hi><lb/>
&#x017F;chuldig, die mei&#x017F;ten aber davon hatten die<lb/>
Flucht ergriffen, und die, &#x017F;o noch zugegen, hat-<lb/>
ten kein Geld mich zu bezahlen. An Breß-<lb/>
lau durffte ich nicht gedencken; denn ich fu&#x0364;rch-<lb/>
tete den Zorn und Haß des Herrn <hi rendition="#aq">In&#x017F;pectors,</hi><lb/>
und den Verdacht, in welchen ich wegen vor<lb/>
be&#x017F;agten Briefes bey ihm gerathen. Auf<lb/>
meine Noth-Pfennige, &#x017F;o ich zuru&#x0364;cke geleget,<lb/>
war auch &#x017F;chlecht Vertrauen zu &#x017F;etzen; denn<lb/>
&#x017F;ie konten nicht ewig wa&#x0364;hren. Bu&#x0364;cher hatte<lb/>
ich etliche Schlag-Fa&#x0364;&#x017F;&#x017F;er voll, aber niemand<lb/>
wolte &#x017F;ie kauffen, zu einer Zeit, da auch in der<lb/><hi rendition="#aq">Auction</hi> die Bu&#x0364;cher &#x017F;pottwohlfeil weggiengen.<lb/>
Da ich in &#x017F;olcher Noth nicht wu&#x017F;te, was ich<lb/><hi rendition="#aq">re&#x017F;olvi</hi>ren &#x017F;olte; &#x017F;iehe, &#x017F;o kam ein Brief aus<lb/>
Breßlau an, in welchem ich <hi rendition="#aq">inviti</hi>ret wurde,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">eine</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[404/0450] Der Autor wird invitiret, Anno 1706. §. 85. Mir gieng dieſe Fatalitaͤt und Unruhe der Stadt ſehr zu Hertzen; ja ich war auch we- gen meines eigenen Ungluͤcks, ſo damit ver- knuͤpfft, nicht wenig bekuͤmmert. Jch ſaß in erwuͤnſchter Ruhe, und kam ſolche Unruhe. Jch verdiente mit Collegiis ſchoͤn Geld, und durffte vor nichts ſorgen: wovon ſolte ich nun leben, und wo ſolte ich mich hinwenden? Die Studioſi waren mir bis 90. Thaler vor Collegia ſchuldig, die meiſten aber davon hatten die Flucht ergriffen, und die, ſo noch zugegen, hat- ten kein Geld mich zu bezahlen. An Breß- lau durffte ich nicht gedencken; denn ich fuͤrch- tete den Zorn und Haß des Herrn Inſpectors, und den Verdacht, in welchen ich wegen vor beſagten Briefes bey ihm gerathen. Auf meine Noth-Pfennige, ſo ich zuruͤcke geleget, war auch ſchlecht Vertrauen zu ſetzen; denn ſie konten nicht ewig waͤhren. Buͤcher hatte ich etliche Schlag-Faͤſſer voll, aber niemand wolte ſie kauffen, zu einer Zeit, da auch in der Auction die Buͤcher ſpottwohlfeil weggiengen. Da ich in ſolcher Noth nicht wuſte, was ich reſolviren ſolte; ſiehe, ſo kam ein Brief aus Breßlau an, in welchem ich invitiret wurde, eine

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/450
Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 404. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/450>, abgerufen am 21.11.2024.