an; denn andere Leute sprechen hingegen, daß, wenn sie zornig sind, sie mit einigen Köpffgen Thee den Zorn vertreiben können. Zum we- nigsten bin ich vor meine Person gewiß, daß, wenn ich zu der Zeit, von welcher ich ietzt gere- det, da ich Kinder in Schulen schelten muste, eine Kanne Merseburger Bier, oder ein halb Nösel Wein im Leibe gehabt hätte, ich mich leicht würde haben zornig anstellen können, ohne den Affect eines wahrhafftigen Zornes zu spühren.
§. 68.
Mit der Furcht, Angst und Traurigkeit hat es eben diese Bewandniß. Siehe, du weist, wie dir erst im Gemüthe, und hernach im Leibe wird, wenn dich etwas, oder ein Mensch von außen durch Drohung eines Ubels, und durch böse Zeitungen in Furcht, Angst, und Traurigkeit setzet. Nun mercke, alsdann entstehen diese Affecten von außen, und haben ihre äußerliche und hernach innerliche Ursachen in einem gewissen Ubel, und in dem Urtheile des Verstandes, das du von der Größe des Ubels fällest, und in dem Willen, womit du solches Ubel verabscheuest. Es können aber eben diese Affecten, Furcht, Angst, Traurigkeit, Schrecken, Zittern und Beben bey dir in der Seele entstehen, wenn dein Leib durch kränckliche Zufälle just in eben den Stand,
und
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am meiſten gefuͤrchtet,
an; denn andere Leute ſprechen hingegen, daß, wenn ſie zornig ſind, ſie mit einigen Koͤpffgen Thée den Zorn vertreiben koͤnnen. Zum we- nigſten bin ich vor meine Perſon gewiß, daß, wenn ich zu der Zeit, von welcher ich ietzt gere- det, da ich Kinder in Schulen ſchelten muſte, eine Kanne Merſeburger Bier, oder ein halb Noͤſel Wein im Leibe gehabt haͤtte, ich mich leicht wuͤrde haben zornig anſtellen koͤnnen, ohne den Affect eines wahrhafftigen Zornes zu ſpuͤhren.
§. 68.
Mit der Furcht, Angſt und Traurigkeit hat es eben dieſe Bewandniß. Siehe, du weiſt, wie dir erſt im Gemuͤthe, und hernach im Leibe wird, wenn dich etwas, oder ein Menſch von außen durch Drohung eines Ubels, und durch boͤſe Zeitungen in Furcht, Angſt, und Traurigkeit ſetzet. Nun mercke, alsdann entſtehen dieſe Affecten von außen, und haben ihre aͤußerliche und hernach innerliche Urſachen in einem gewiſſen Ubel, und in dem Urtheile des Verſtandes, das du von der Groͤße des Ubels faͤlleſt, und in dem Willen, womit du ſolches Ubel verabſcheueſt. Es koͤnnen aber eben dieſe Affecten, Furcht, Angſt, Traurigkeit, Schrecken, Zittern und Beben bey dir in der Seele entſtehen, wenn dein Leib durch kraͤnckliche Zufaͤlle juſt in eben den Stand,
und
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am meiſten gefuͤrchtet,
an; denn andere Leute ſprechen hingegen, daß,
wenn ſie zornig ſind, ſie mit einigen Koͤpffgen
Thée den Zorn vertreiben koͤnnen. Zum we-
nigſten bin ich vor meine Perſon gewiß, daß,
wenn ich zu der Zeit, von welcher ich ietzt gere-
det, da ich Kinder in Schulen ſchelten muſte,
eine Kanne Merſeburger Bier, oder ein halb
Noͤſel Wein im Leibe gehabt haͤtte, ich mich leicht
wuͤrde haben zornig anſtellen koͤnnen, ohne den
Affect eines wahrhafftigen Zornes zu ſpuͤhren.
§. 68.
Mit der Furcht, Angſt und Traurigkeit hat
es eben dieſe Bewandniß. Siehe, du weiſt,
wie dir erſt im Gemuͤthe, und hernach im Leibe
wird, wenn dich etwas, oder ein Menſch von
außen durch Drohung eines Ubels, und durch boͤſe
Zeitungen in Furcht, Angſt, und Traurigkeit
ſetzet. Nun mercke, alsdann entſtehen dieſe
Affecten von außen, und haben ihre aͤußerliche
und hernach innerliche Urſachen in einem gewiſſen
Ubel, und in dem Urtheile des Verſtandes, das
du von der Groͤße des Ubels faͤlleſt, und in dem
Willen, womit du ſolches Ubel verabſcheueſt.
Es koͤnnen aber eben dieſe Affecten, Furcht, Angſt,
Traurigkeit, Schrecken, Zittern und Beben
bey dir in der Seele entſtehen, wenn dein Leib
durch kraͤnckliche Zufaͤlle juſt in eben den Stand,
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/341>, abgerufen am 21.11.2024.
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